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«Für uns ist es enttäuschend bis desaströs, dass der Bund nicht selbst aktiv wird»

«Für uns ist es enttäuschend bis desaströs,  dass der Bund nicht selbst aktiv wird» «Für uns ist es enttäuschend bis desaströs,  dass der Bund nicht selbst aktiv wird»

Die bundesrätliche Antwort auf die Interpellation Pfister hat bei Professor Werner Oechslin keine Freude ausgelöst. Wenigstens weiss die Bibliothek jetzt, wo sie steht.

VICTOR KÄLIN

Wie bewerten Sie die Interimsvereinbarung 2022 bis 2024?

Eine Frage des Blickwinkels! Gleich gut statt weniger ist besser! Entscheidend aber ist, dass jetzt in der Interimsvereinbarung eine klare Option nach vorn in einer «gemeinsamen Zielsetzung » festgelegt ist; wie diese verwirklicht wird, respektive werden kann, darauf wird es jetzt ankommen.

Der aus der Stellungnahme des Bundesrates zitierte Satz «Die Vereinbarung hält fest, dass die Stiftung dafür verantwortlich ist …» steht so – entgegen der Behauptung in dieser Stellungnahme – nicht in der Interimsvereinbarung und offenbart umso deutlicher die gegen die Stiftung gerichtete Tendenz der bundesrätlichen Antwort auf die Interpellation von Nationalrat Gerhard Pfister. Natürlich ist die Stiftung für ihre eigenen Zielsetzungen und Handlungen verantwortlich. Doch die Interimsvereinbarung steht jetzt deutlich für die als Titel über die grundsätzlichen Fragen gestellte «Gemeinsame Zielsetzung». Dem gehen dort auch die Prämissen voraus, in denen klar und deutlich die Interessen von ETH und Kanton Schwyz an Zusammenarbeit und Weiterentwicklung der Stiftung festgestellt sind. Kann man das so lesen, dass weder die ETH noch der Bund sich stärker an der Bibliothek Werner Oechslin beteiligen? Halbe-halbe! Ob und wie sich die ETH stärker beteiligen wird, ist offen, im Moment hat sie sich etwas zurückgenommen und der Kanton Schwyz ist in die Lücke gesprungen, wofür wir sehr dankbar sind. Die Arbeit im Sinne des Interimsvertrages hat jedoch schon begonnen. Wir haben neue Verhandlungen mit dem D-Arch und dem Institut gta der ETH aufgenommen; wir trafen uns am 2. September. Und die bisherige Zusammenarbeit mit dem 1. Jahreskurs der Architektur ist bereits neu und besser organisiert worden und setzt im jetzt beginnenden Semester ein.

«Der Kanton Schwyz ist in die Lücke gesprungen, wofür wir sehr dankbar sind.»

«Enttäuschend bis desaströs» ist hingegen die Antwort des Bundes, der «keinen Bedarf, selber aktiv zu werden» diagnostiziert. Dass es ohne Unterstützung des Bundes nicht geht, ist stets von allen Seiten betont worden. Der Schweizerische Wissenschaftsrat (SWR) spricht zwar von nationaler Bedeutung unseres Projektes und nennt auch das Risiko des Verlustes unserer Bibliothek für die Schweiz; aber konkret geholfen hat uns das nicht. Der Bund will jetzt nicht handeln, sagt er uns!

Die «Zurückhaltung» des Bundes ist umso enttäuschender, als ja der einzige gegebene Weg, zu einer Unterstützung des Bundes zu gelangen (über das Bundesgesetz über die Förderung der Forschung und der Innovation – FIFG), ausdrücklich in der Zielsetzung unserer Interimsvereinbarung genannt und eingebaut ist. Der Bund hat jedoch in der neuerlichen Anwendung dieses Artikels 15 die Möglichkeit der Unterstützung von Forschungsinstitutionen schon einmal in die «tiefe Priorität» gesetzt und somit unsere Aussichten verschlechtert. Insofern ist die Präzisierung, die in der bundesrätlichen Stellungnahme diese «Möglichkeit» der Gesuchstellung begleitet, aufschlussreich und zeigt die abwehrende, negative Tendenz dieser Stellungnahme und des darin erklärten Nichtvorhandenseins eines «Bedarfes, selber aktiv zu werden».

Es heisst dort «im Rahmen des etablierten Verfahrens», was nichts anderes bedeutet, als dass der besagte Artikel 15 so angewandt werden soll, wie er nun eben gerade von der Verwaltung gehandhabt wird, nämlich zu unserem Nachteil.

«Diese Tatsache ist dem Bundesrat entweder (noch) nicht bewusst geworden, oder es kümmert ihn nicht.»

Weil das so ist und weil diese einzige Möglichkeit nicht zu unseren Anliegen passt, beispielsweise eine «nachhaltige», für eine Bibliothek doch selbstverständliche langfristige Lösung zu erreichen, hätten wir der bundesrätlichen Hilfe bedurft und werden wir dies erneut fordern wollen und müssen. Doch der Bundesrat lässt die Verwaltung sprechen, die uns ja schon bei der letzten Gelegenheit die Bedingungen, heisst: die Beschränkungen, so auch die Unmöglichkeit wiederholter Unterstützung unter die Nase gerieben hat.

Es ist nun mal so, dass man in Bern jenen Teil des Artikels 15 systematisch zurückgebildet hat und weiter reduzieren will, der der im Artikel 15 erstgenannten Möglichkeit der Unterstützung von «Forschungsinstitutionen » gilt. Diese Tatsache ist dem Bundesrat entweder (noch) nicht bewusst geworden, oder es kümmert ihn nicht. Darin liegt unsere grosse Enttäuschung begründet, zumal hier der eklatante Widerspruch der scheinbar anerkannten Bedeutung unserer vom SWR hochgelobten Bibliothek und umgekehrt des Ausbleibens von Unterstützung sichtbar wird, die nun einfach auf die «anderen» Partner abgewälzt wird. ETH Zürich und Kanton Schwyz sichern der Bibliothek Unterstützung bei der Zielerreichung einer «soliden und nachhaltigen Finanzierung» zu. Wie ist das zu verstehen? Wie soll das gehen?

Ja, «wie soll das gehen?». Die bundesrätliche Stellungnahme erschwert es uns zweifelsohne, das Ziel zu erreichen, zumal die Tatsache jenes «im Rahmen des etablierten Verfahrens» die – für die kommende Lösung einberechnete – Unterstützung des Bundes entweder auschliesst, oder aber in jedem Fall schwer kalkulierbar macht. Für zusätzliche Partnerschaften dürfte das Feld nicht so breit gefächert sein. Wie weit können solche Partnerschaften die Situation der Bibliothek verbessern? Sind sie die Lösung? Wir sind längst dabei, uns um weitere Standbeine (auch von der ETH ausdrücklich gewünscht!) zu bilden. Mit der Hochschule Luzern existiert schon eine konkrete Zusammenarbeit. Eine breitere Basis in der Innerschweiz zu finden, ist das schon lange diskutierte und allseits als vielversprechend taxierte Modell. Wir sind dankbar, dass der Kanton Schwyz dies an die Hand genommen hat. Es ist auch die Botschaft, die in der Interimsvereinbarung explizit erwähnt ist.

Oder braucht es grundsätzlich nebst allen Bemühungen einfach mehr Geld, um den Status einer «Forschungsbibliothek verteidigen zu können»? Ja,es war schon immer so und ist notwendig, um unser 22-jähriges Provisorium endlich zu überwinden und zu einer nachhaltigen Forschungsbibliothek zu werden, die es so in der Schweiz sonst nirgends gibt. Dabei geht es um Summen, die in Anbetracht der über den Artikel 15 bezahlten Leistungen für Forschungsinfrastrukturen und Technologiezentren eher sehr gering sind. Wie schauen Sie der Zukunft entgegen? Welches sind die grössten Probleme und wie könnten sie sich Ihrer Meinung nach lösen? Ich bin Nationalrat Gerhard Pfister sehr dankbar, dass er die Interpellation eingereicht hat; die bundesrätliche Antwort, so enttäuschend sie ist, legt nun immerhin offen, welche – bisher meist verdeckten – Probleme uns noch erwarten. Die Frage, ob der Bund über den Artikel 15 FIFG noch Forschungsinstitutionen stützen will, oder ob er diese Möglichkeit einfach abschafft, ist letztlich hochpolitisch. Sie ist gleichbedeutend mit der Frage: Ist es in der Schweiz möglich, für eine erstklassige, eigenständige Forschungsinstitution (weil sie eben auch eigenständige, anderswo nicht getätigte Leistungen erbringt) Unterstützung vom Bund zu finden. Und was ich sonst noch sagen wollte … Diese Frage müsste eigentlich als Titel über diesen Antworten stehen! Das grosse Ärgernis in dieser Sache ist, dass in Bern – ausserhalb der pauschalen, hehren Worte, die der SWR für uns hatte – die Inhalte, somit der Grund des ganzen Bibliotheks- Projektes, derzeit keine Rolle spielen. Bundesrat Couchepin hatte nach dem ersten Besuch unserer Bibliothek seinem damaligen Staatssekretär die Carte blanche gegeben; aber der hat sie nicht genutzt und scheiterte schon an der Angst des damaligen Vorstehers des BAK vor weiteren Ausgaben.

«Dass auch der Bund selber aktiv wird, bevor es zu spät ist.»

Doch auch dazu die positive Kehrseite: Ich bin dem Kanton Schwyz und der ETH sehr zu Dank verpflichtet für das klare Bekenntnis zu unserer Arbeit, die sie auch in der gemeinsamen Pressemitteilung formuliert hat, die der jüngst unterschriebenen Interimsvereinbarung folgt und demnächst publiziert werden soll. Darauf müssen und wollen wir jetzt aufbauen. Man kann nur hoffen, dass der Bund dann doch noch einmal den «Bedarf, selber aktiv zu werden» entdeckt, bevor es zu spät ist.

«Mit der Interimsvereinbarung ist eine klare Option nach vorn festgelegt »: Professor Werner Oechslin.

Foto: Victor Kälin

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