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«Zunehmend wird es schwieriger, junge Leute für die Miliztätigkeit zu gewinnen»

«Zunehmend wird es schwieriger, junge  Leute für die Miliztätigkeit zu gewinnen» «Zunehmend wird es schwieriger, junge  Leute für die Miliztätigkeit zu gewinnen»

Roland Lutz ist eine schillernde Person. Nach vier Jahren als Kantonalpräsident der SVP hat er als Kantonsrat ins Parlament gewechselt.

VICTOR KÄLIN

Das nennt man Timing: Der letzte Arbeitstag als Kantonalpräsident fiel praktisch auf den Wahltag ins Parlament. Gratulation. Die am 22. März erfolgte erstmalige Wahl in den Kantonsrat war aber nicht der Grund, sich nicht weiter als Kantonalpräsident zur Verfügung zu stellen … Unsere Parteigremien werden synchron mit den kantonalen Legislaturen erneuert. Mein Abgang als Präsident war früher bekannt als meine Kandidatur für das Parlament. Ich bin der Meinung, dass frische Kräfte immer guttun, acht Jahre in der Geschäftsleitung sind genug, vieles wird zur Routine und man verliert etwas die Unkeuschheit und den Biss, den es braucht. Albert Rösti macht als Präsident der SVP Schweiz allerdings weiter, da die Wahl seines Nachfolgers wegen der Coronakrise hat verschoben werden müssen. War das für Sie kein Szenario? Albert Rösti wollte eigentlich auch nicht weitermachen, aber er wurde wohl bekniet, weil ein Nachfolger mutmasslich noch nicht gefunden worden ist. Wir im Kanton Schwyz sind in der komfortablen Lage, mit zwei versierten und verdienten Vizepräsidenten die Vakanz ausfüllen zu können. Viel wird sowieso nicht laufen, solange die Krise andauert.

Man sollte die kompetente Regierung jetzt arbeiten lassen und nicht noch Hektik mit Aktionismus reinbringen. Sowohl der Landammann wie auch unsere SVP-Regierungsräte konnten mir glaubhaft versichern, dass sie sich der Probleme mit voller Kraft annehmen. Meinem interimistischen Nachfolger, Kantonsrat Roman Bürgi aus Goldau, obliegt es nun, so bald wie möglich die Generalversammlung anzuberaumen und die Ersatzwahlen durchzuführen. Die Kandidaten stehen alle parat. Setzte es parteiintern wegen Ihres Rücktritts Kritik ab? Mit ist nichts zu Ohren gekommen.

Wenn wir schon beim Thema Präsidium sind: Die SVP Schweiz sucht «chrampfhaft» nach einem neuen Chef. Haben Sie nie ganz leise daran gedacht, dass das doch etwas für Sie sein könnte? Nein, dieser Gedanke kam mir nie. Der Präsident muss zudem aufgrund der nötigen Nähe zum Geschehen zwingend ein nationaler Parlamentarier sein. Das ist heutzutage eigentlich alternativlos.

Wenn Sie auf Ihre vier Jahre als Parteipräsident zurückblicken: Worauf können Sie stolz sein? Wir konnten fast alle unsere Wahlziele (Nationalrat/Ständerat/ Regierungsrat/Kantonsrat) erreichen, lediglich der zweite Ständeratssitz ist uns entglitten. Besonders erfreut sind wir über die gehaltene Stärke im Kantonsparlament. Im Kanton Schwyz konnten die Finanzen wieder ins Lot gebracht werden und das Staatsausgabenwachstum konnten wir vielenorts zügeln.

Wie hat sich die Zahl der kantonalen SVP-Mitglieder in den vier Jahren entwickelt? Die Zahl ist etwa stabil geblieben, die genaue Übersicht haben jedoch die Ortssektionen. Wir stellen aber eine schleichende Überalterung fest, da die starken Jahrgänge geburtlich schon etwas zurückliegen. Zunehmend wird es schwieriger, junge Leute für die Miliztätigkeit zu gewinnen. Diese Herausforderung teilen wohl alle bürgerlichen Parteien.

Wo sehen Sie im Rückblick Nachholbedarf? Die Nachwuchsgewinnung war eines meiner Hauptanliegen, aber leider mit mässigem Erfolg. Die nächsten Jahre werden diesbezüglich herausfordernd sein, speziell auf Ebene Bezirk und Gemeinde. Man wird nicht umhin kommen, die Ämter attraktiver zu machen, sonst übernehmen die Lehrer komplett. Nichts gegen Lehrer, aber wir sollten eine gute Durchmischung aufrechthalten.

Die Wahlen haben die starke Position der SVP gerade im Kanton Schwyz bestätigt: unverändert 33 Sitze im Kantonsrat und unverändert drei Regierungsräte. Das ging alles problemlos über die Bühne. Wie erklären Sie sich, dass die SVP im Kanton Schwyz so stark ist wie sonst in keinem Kanton unseres Landes?

Nun, es gibt noch andere Kantone mit starker SVP, beispielsweise der Thurgau. Ich kann nur annehmen, dass es an der guten Arbeit, dem stimmigen Programm, der Hartnäckigkeit in Kernthemen und am Engagement unserer Exponenten liegt, dass wir diese Wählergunst erfahren dürfen. Ein Selbstläufer war es aber nicht, da steckt schon Knochenarbeit dahinter: Abstimmungs-, Referendums- und Wahlkampfteams waren viele Stunden im Einsatz, die Strategievarianten gaben viel Diskussionsbedarf und die Kandidaten- und Kandidatinnensuche war jeweils kein Zuckerschlecken. Trotz kleiner Sitzverschiebungen haben die Wahlen im Kanton Schwyz vor allem die Konstanz bestätigt. Sehen Sie das auch so? Als Hort der eher konservativen und ausgeprägt föderalistischen Kräfte haben es «Neulinge» wie die GLP oder die zum Zentralismus und Etatismus neigenden linken Kräfte im Kanton Schwyz schwerer als anderswo. Wir sind da etwas behäbiger und springen nicht auf jeden Honig-Zug auf. Konservatismus bedeutet bei uns nicht zuletzt, dass jedes progressive oder disruptive Ansinnen einen höheren Nutzen haben muss als das Bisherige. Sie wechseln jetzt ins Parlament. Was geht im Kanton Schwyz politisch ab in den nächsten vier Jahren? Es stehen schon ein paar Herausforderungen an: Die Schulhausproblematik für die Mittelschulen ist nicht gelöst, die Digitalisierung schreitet voran und die Umverteilungsgelüste müssen gezügelt werden. Zudem werden das Spannungsfeld Innerkantonaler Finanzausgleich, Lastenverteilung auf den Staatsebenen und der ungeliebte NFA zu reden geben. Hier gibt es diametral verschiedene Meinungen und Bestrebungen.

Zudem treiben Bundesbern und der Schweizer Stimmbürger viele Entwicklungen voran, die im kantonalen Kontext verarbeitet und politisch nachvollzogen werden müssen. Vier Jahre Präsident einer Kantonalpartei. Wie aufwendig war das? Ich war zuvor vier Jahre politischer Sekretär, das war aufwendig. Präsident zu sein ist im Vergleich 30 Prozent weniger: ein Tag und zwei Abende pro Woche im Durchschnitt. In speziellen Situationen wie dem «Wägitalervorkommnis » wird man aber schon ein paar Tage von den Medien absorbiert. Besonders hier helfen Routine, gefestigte Sachkenntnisse und Arbeitstechnik enorm.

Gab es SVP-freie Tage?

Wochenenden waren fast immer politische Sonntage. Ich konnte auch immer auf Knopfdruck abschalten, schlaflose Nächte hatte ich nie. Haben Sie Beruf, Partei und Privates unter einen Hut gebracht – zu Ihrer eigenen Zufriedenheit?

Da ich selbstständig erwerbend bin, gelang das sehr gut. Als Eidg. dipl. Organisator wäre es allerdings auch ein Armutszeugnis, wenn mir das nicht gelungen wäre.

Wie hoch ist die Entschädigung als Kantonalpräsident? Was hielt Sie bei der Stange? Jährlich 2500 Franken Spesenentschädigung. Wichtiger aber: Viele Freundschaften mit Gleichgesinnten und die Herausforderungen, die es zu meistern gilt. Ich habe gerne schwierige Situationen, da lebe ich auf. Demotiviert scheinen Sie auf jeden Fall nicht zu sein. Warum haben Sie für den Kantonsrat kandidiert? Ich bin keineswegs demotiviert, der Herausforderungen harren noch viele. Ich freue mich auf den abermaligen Rollenwechsel. Vom Tausendsassa eines Parteipräsidenten zu einem unter hundert: Besteht nicht Gefahr, dass Sie sich politisch plötzlich langweilen …? Die Friedhöfe sind voll mit Leuten, die dachten, ohne sie ginge es nicht. Ich gehöre nicht dazu. Überdies ist bei einer Partei immer Not am Mann, die Würden und Bürden werden von selbst kommen.

MIt der gleichen Frage konfrontiert: Die Parteipräsidenten Albert Rösti (rechts) und Roland Lutz am Abstimmungssonntag zur Selbstbestimmungsinitiative. Foto: zvg

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