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Politikerin Katja Aldi: «Frauen hinterfragen sich mehr»

Politikerin Katja Aldi:  «Frauen hinterfragen sich mehr» Politikerin Katja Aldi:  «Frauen hinterfragen sich mehr»

Am Freitag wird Katja Aldi offiziell zur Präsidentin des Frauennetzes Kanton Schwyz gewählt. Die FDP-Politikerin engagiert sich zudem auch im FEMtastisch-OK, auf der Plattform Demokratin.ch und für andere Initiativen für die Frauenförderung im Kanton Schwyz.

Wie lautet Ihr Fazit zu den vergangenen Kantonsratswahlen?

Diese waren aus Frauensicht sicher ein Erfolg. Nach den letzten Wahlen waren es neun Frau-en, während der Legislatur sind noch einige nachgerutscht, jetzt sitzen zwanzig Frauen im Kantonsrat. Insofern kann man von mehr als einer Verdoppelung sprechen. Das ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, das Ziel ist aber natürlich noch nicht erreicht. Was war das Erfolgsrezept?

Das ist schwierig zu sagen. Ich will das nicht unserer neuen Plattform Demokratin.ch zuschreiben, die wir erst Mitte Dezember gegründet haben. Obwohl diese seither gut genutzt wird – täglich waren im Schnitt 80 Personen auf der Website. Aber letztendlich haben die Frauen selbst ihre Wahl bestritten und waren in den Gemeinden aktiv, sodass sie dann auch gewählt wurden. Wenn Sie die Gemeinden ansprechen: In den Schwyzer Gemeinderäten ist der Frauenanteil mit 27 Prozent noch etwas höher. Woran liegt das? Das ist schwer zu sagen, aber es gibt wahrscheinlich mehrere Gründe. Einer, den ich in Gesprächen mit Frauen immer wieder höre, ist die Angst, sich zu stark zu exponieren. Da es in den Gemeinden selten zu Kampfwahlen kommt, verringert sich dieses Risiko. Zudem wird in den Gemeinden hauptsächlich Sachpolitik betrieben, man kümmert sich um das Dorf und die Anliegen der Einwohnerinnen und Einwohner. Ausserdem ist die lokale Arbeit ein wichtiger Aspekt – man muss nicht nach Schwyz reisen, um sich zu engagieren.

Kommt diese Angst vor Exposition daher, dass Frauen weniger gut mit solchen Angriffen umgehen können? Oder werden Frau-en mehr angegriffen als Männer in der gleichen Position? Ich glaube nicht, dass man einen Mann in einem politischen Amt weniger kritisiert, aber er nimmt das vielfach weniger persönlich. Frauen hinterfragen sich mehr. Die Abgrenzung, dass es nicht um die eigene Person, sondern um die Rolle als Politikerin geht, ist anspruchsvoll. Das ist diese berühmte dicke Haut, die man sich zulegen muss. Lernen das Buben besser als Mädchen? Ja, auf jeden Fall! Mädchen wird auch heute noch häufig beigebracht, dass sie angepasst und nett sein müssen. Jungs werden eher dazu ermutigt, sich durchzusetzen und sich zu wehren. Das ist sehr tief in uns verankert und wird immer noch – oft auch unbewusst – weitergegeben, wobei heute in der Erziehung schon etwas mehr darauf geachtet wird, auch Mädchen beizubringen, zu sich und ihrer Meinung zu stehen. Im April stehen wieder Gemeinderatswahlen an. Erhoffen Sie sich eine weitere Erhöhung der Frauenanteile in der Politik? Ich bin noch nicht dazu gekommen, die Vorschläge und Listen auseinanderzunehmen. Was klar ist: Bei Gemeinderatswahlen handelt es sich selten um Kampfwahlen. Die meisten, die aufgestellt werden, werden auch gewählt. Und auf dieser Ebene ist es sicher einfacher, auch Frauen, die vielleicht schon in einer Kommission tätig waren, für ein Amt im Gemeinderat zu motivieren. Dann liegt es also an den Parteien, mehr Frauen aufzustellen?

Je nach Gemeinde ist man teilweise froh, wenn man überhaupt jemanden findet. Es ist Aufgabe der Ortsparteien, Leute gezielt früh aufzubauen und über Ämter in den Parteien und Gemeinden sichtbar und bekannt zu machen, ihnen in Workshops wichtiges Rüstzeug für das politische Parkett mitzugeben und sie so zu unterstützen, damit sie in vier Jahren die Chance haben, gewählt zu werden. Hier habe ich von Frauen gehört, zum Beispiel von Zuzügerinnen, die sich in einer Ortspartei engagieren wollten, aber von den dortigen Männergremien übersehen wurden und den Anschluss nicht fanden. Wäre eine Frauenquote die Lösung?

Nein, eine Quote wäre nicht zielführend. Das haben wir bei den letzten Wahlen gesehen: Es wurden kurzfristig Listenplätze mit Frauen gefüllt, die niemand kannte und die daher kaum Wahlchancen hatten. Sie gaben ihren Kopf her und waren am Schluss möglicherweise gar frustriert, weil sie nicht richtig vorbereitet wurden und sich etwas anderes vorgestellt hatten. Warum ist es denn überhaupt wichtig, den Frauenanteil in der Politik zu erhöhen? Frauen sind im Leben mit anderen Themen konfrontiert, die in den heutigen Gremien unterrepräsentiert sind. An welche Themen denken Sie konkret? Kita-Plätze respektive die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind sicher ein grosses Thema, wenn nicht das grösste momentan, woraus sich viele verschiedene weitere Themen ergeben.

Welchen Einfluss hätten mehr Frauen in der Politik auf «geschlechtsneutrale » Themen wie Asyl oder Bildung, die ja momentan auch sehr präsent sind? Spielt da das Geschlecht beim Politisieren überhaupt eine Rolle? Ich glaube, auch hier hat das Geschlecht einen Einfluss. Es mag sein, dass man am Schluss in der Fraktion oder Partei einer Meinung ist, doch Lösungsfindung und Argumentation verlaufen häufig anders, wenn man unterschiedliche Meinungen und Sichtweisen zulässt. Für die Frauenförderung in Politik und Wirtschaft hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Die Plattform Demokratin. ch, das zweite FEMtastisch am nationalen feministischen Kampftag vom 14. Juni oder das neu gegründete Forum Frauen & Politik sind parteiübergreifend. Warum funktioniert das so gut? Wenn einander zugehört wird, wird oft festgestellt, dass sich die Meinungen gar nicht so stark differenzieren. Trotz politischer Unterschiede will man häufig dasselbe Ziel erreichen, gerade bei Anliegen, die Frauen betreffen. Das ist allgemein typisch im Kanton Schwyz: Man kann zwar politisch seine Differenzen ha-ben, sich im Rat gegeneinander auflehnen, aber danach wieder zusammensitzen und eine Entscheidung akzeptieren.

Gerade FEMtastisch ist nicht primär ein politischer Anlass. Was ist für dieses Jahr geplant?

Es soll ein Sommerfest werden, das die Grossartigkeit der Frauen zelebriert. Es werden bewusst keine politischen Reden gehalten, sondern auf der Bühne und an Marktständen gezeigt, wie viele coole Frauen im Kanton Schwyz etwas zu bieten ha-ben. Ihnen wollen wir eine Plattform geben. Andernorts finden an diesem Tag Frauenstreiks und Demos statt, wo die Frauen auf die Strasse gehen, laut sind und Forderungen stellen. Welche Überlegung steht hinter dem Entscheid, in Schwyz ein Fest zu organisieren, statt auf dem Hauptplatz zu stehen und Forderungen zu stellen? Der Gedanke der Überparteilichkeit ist das eine: Es würden wohl nicht alle Parteien mitmachen, wenn wir mit Megafon auf dem Hauptplatz stehen. Das andere ist unsere Überzeugung, dass wir im Dialog weiterkommen als mit Aufschreien und lauten Forderungen. Die hats zwar auch gebraucht, und wir sind froh, haben Frauen vor uns das gemacht. Aber wir sind mittlerweile an einem Punkt, wo man zeigen muss: Es geht nicht darum, Frauen herauszuheben und Männer abzuwerten, sondern es geht um ein Miteinander.

Müssten dafür nicht mehr Männer ins Boot geholt werden? An diesen Anlässen sind ja bisher vor allem Frauen präsent. Unbedingt! Wie auch schon letztes Mal werden die Männer den Gastroteil am FEMtastisch übernehmen. Und wir hoffen und wünschen uns natürlich, dass unter den Besuchenden auch zahlreiche Männer sind. Neben der Politik legt das Frauennetz auch Wert auf die Frauenförderung in der Wirtschaft. Wie sieht hier der Zwischenstand aus?

Als das Frauennetz 2001 aus der Gleichstellungskommission heraus gegründet wurde, war es sehr politisch ausgerichtet. Das fand aber damals nicht so Anklang, und man hat versucht, die Organisation zu retten, indem man sich auf die berufliche Schiene konzentrierte. Dann realisierten wir, dass es schon sehr viele berufliche Netzwerke gibt – die KMU-Frauen, den Verband Frauenunternehmen, das Schwyzer Mentoring-Programm und und und –, weshalb wir uns davon wieder abwendeten, die Plattform Demokratin.ch gründeten und nun stark die Vernetzung aller Frauen – beruflich, gesellschaftlich und politisch – weiter forcieren wollen. Das Frauennetz ist offen für berufstätige Frau-en, Mamis, Seniorinnen, Selbstständige, Politikerinnen und Geschäftsfrauen. Gerade die Vielfalt macht den Reiz aus.

Sie sind selbstständige Grafikdesignerin. Welche Erfahrungen machen Sie als Frau in der Geschäftswelt? Die Geschäftswelt ist offen für Frauen, doch nach meiner Erfahrung braucht es als Frau immer ein bisschen länger, um zu überzeugen. Und natürlich gibt es immer noch einzelne Männer, die das Gefühl haben, man nehme ihnen etwas weg, und man muss sich stärker durchsetzen. Zudem spielen Äusserlichkeiten bei Frauen eine grössere Rolle.

Wie meinen Sie das?

Bei Frauen wird einfach viel stärker von ihrem Aussehen auf die Kompetenzen geschlossen. Sowohl besonders normschönen Frauen als auch den als nicht attraktiv geltenden Mauerblümchen wird weniger zugetraut, und sie müssen sich mehr hervortun und sagen, was sie schon geleistet haben, um ernst genommen zu werden. Dabei neigen gerade Frauen eher dazu, sich und ihre Leistungen abzuwerten. Wäre deshalb eine Frauenquote in gewissen Positionen hilfreich?

Ich kenne viele Frauen, die sich vehement dagegen wehren. Sie wollen einen Job, weil sie gut sind und ihnen der Job zugetraut wird, nicht, weil sie eine Frau sind. Irgendeine Frau einzustellen, nur weil sie eine Frau ist, die den Anforderungen aber nicht entspricht, ist auch für die Frauen nicht förderlich. Dennoch kann eine Frauenquote auch dazu beitragen, dass Frau-en überhaupt angehört werden und nicht im Voraus schon aussortiert werden.

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