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Der Bauer als Seismograph der Zivilisation

Der Bauer als Seismograph der Zivilisation Der Bauer als Seismograph der Zivilisation

3. Welttheatergespräch im Literaturhaus Zürich

Bei einer Diskussion, die durch den Ausfall von Lukas Bärfuss und dessen Ersatz durch Nicola Steiner eine unerwartete Wendung nahm, wurden die Verbindung Erde und die Zukunft der Landwirtschaft tiefgehend beleuchtet.

Das Gespräch begann mit einem Hammerschlag: Lukas Bärfuss war krank und musste kurzfristig durch Nicola Steiner, die Leiterin des Literaturhauses Zürich, ersetzt werden. Frau Steiner war kein Ersatz, sie war eine grossartige Moderatorin, welche für ihre Arbeit auch von der deutschen Journalistin und Autorin Christiane Grefe am Schluss gerühmt wurde.

Wenn man den Part des Bauern bei Calderóns Welttheater genau liest, entdeckt man lauter Gemeinsamkeiten zu Aussagen bei den Bauernstreiks heute. Dabei steht der Grund, unser Boden, im Mittelpunkt des Interesses. In archaischen Gesellschaften war man vom Grund/ Boden direkt abhängig. Man lebte mit ihm, sorgte sich um ihn und verehrte ihn. Und heute? Heute haben wir uns etwas vom Boden entfernt. Wir konsumieren in Tempeln des Überflusses und haben kaum mehr einen Bezug zum Erzeuger der Nahrungsmittel – zum Bauern. Die Landwirtschaft hat übernommen. Die Gesetze des Kapitalismus rauben dem Boden die Schätze und hinterlassen Ödland, das kaum mehr zu bebauen ist. Das hat mit der Ausbeutung des Bodens zu tun. Wenige Besitzer entscheiden über immer grössere Flächen. Dazu kommt der Fakt des Klimawandels.

Doch auch psychologische Faktoren spielen eine Rolle, dass wir die Erde zu wenig beachten. Erde ist schmutzig, so-fort Hände waschen ist angesagt, wenn die Kinder mit Erde spielen. Dazu fordert die Erde harte Arbeit, wenn wir sie bebauen. Aber auch die Grabesruhe verbinden wir mit der Erde. Das sind alles bewusste oder unbewusste Faktoren für die gegenwärtige Situation des Bauern.

Die Erde als Medium Dabei ist eigentlich die Erde das Medium des grossen Zusammenhangs. Das erfährt man bei der Städteplanung, bei den Monokulturen und bei der Bekämpfung des Klimawandels. Die Erde ist reich an Möglichkeiten, reich an Kleinsttieren und an Varianten, den Wasserhaushalt zu regulieren. Gepaart mit den Überlebenskünsten der Bauern wäre hier das Signal gegeben zu einer neuen Lebensweise mit dem Schutz des Bodens.

Wenn heute ein Bauer durchschnittlich 107 Menschen ernährt, erkennen wir, dass die Industrialisierung diesen Berufsstand fest im Griff hat. Die Konzerne bestimmen den Preis und damit uns Konsumenten. Zudem ist die Vererbung der Höfe bei den Bauern am Aussterben. So sind viele Bauern unter Druck. Energiewende und vierfacher Bodenpreis sprechen eine eigene Sprache. Die Landwirtschaft ist mächtig, nicht die Bauern. Wandel in der Wahrnehmung der Landwirtschaft Mit der Landwirtschaft einher geht im Volk die Entfremdung des Bauerntums und vielleicht sogar ein Ansehensverfall. Das allerdings bestreitet ein anwesender Bauer aus der Region Zürich. Er sei wohlgelitten, aber gleichzeitig würden die Gemüsemärkte in der Stadt immer weniger verkaufen können. Die Leute orientieren sich an den Kosten für die Landwirtschaftsprodukte. Zur Sprache kamen auch die technologischen Möglichkeiten des Gemüsebaus, der mit ganz wenig Wasser auskommt. Es gebe solche Anlagen bereits in Wüstengegenden oder bei uns bekannt seien doch die Hors-Sol-Produkte. Diese Möglichkeiten könnten den Boden schonen und die Menschen dennoch ernähren.

Wir alle aber müssten langsam umdenken lernen und wieder vermehrt das «Weniger ist mehr» leben. So sei es nicht mehr angebracht, den Fleischkonsum und Wasserverbrauch pro Kopf auf dem jetzigen Niveau zu belassen – wir müssen mehr mit dem Boden, unserer Erde, leben und so unseren Nachkommen wieder den Boden als Geschenk zum guten Handeln übergeben. Dann spielen wir die gute Rolle des Bauern in Calderóns Welttheater!

Der Bauer im Welttheater 2013, gespielt von Hanspeter «James» Kälin. Foto: zvg

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