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Kanton Schwyz testet neues Mittel gegen Lehrermangel

Kanton Schwyz testet neues Mittel gegen Lehrermangel Kanton Schwyz testet neues Mittel gegen Lehrermangel

Die Suche nach Lehrkräften wird immer schwieriger. Jetzt setzt der Kanton Schwyz auf ein neues Mittel. Für Lehrerinnen und Lehrer, die 70 Prozent oder mehr arbeiten, gibt es mehr Lohn. Die anderen sollen leer ausgehen.

Sie gehört zum Sommer wie Badi, Glace oder Grillfest: die Berichterstattung über den Lehrermangel. Nur mit Mühe und Not können die Schulleitungen jeweils sicherstellen, dass nach den Sommerferien vor jeder Klasse eine Lehrperson steht.

Immer stärker greifen die Kantone auf Lehrkräfte ohne Diplom zurück: Entweder auf Personen, die sich noch in Ausbildung befinden, oder auf Quereinsteiger, denen in einer Schnellbleiche das allernötigste Grundwissen vermittelt wird.

Eine Entspannung der Lage zeichnet sich nicht ab: Zwischen 2022 und 2031 muss die Schweiz gemäss Bundesamt für Statistik alleine auf der Primarstufe 43’000 bis 47’000 neue Lehrkräfte rekrutieren, während in diesem Zeitraum voraussichtlich nur 36’000 Personen ein Lehrdiplom für die Primarschule machen.

Jetzt versucht der Kanton Schwyz, dem Lehrpersonenmangel mit einem neuen Mittel entgegenzuwirken. Der Erziehungsrat präsentierte diese Woche ein Bündel an Massnahmen,um den Lehrerberuf attraktiver zu machen. Neben der Entlastung der Klassenlehrpersonen und weniger administrativer Belastung möchte der Kanton zukünftig einen Bonus für Lehrpersonen mit hohen Pensen auszahlen. Dieser Schritt soll innerhalb der nächsten zwei Jahre umgesetzt werden. Konkret sollen Lehrpersonen mit einem Pensum von 70 Prozent oder mehr eine progressiv ausgestaltete Lohnerhöhung von bis zu vier Prozent erhalten. Für Lehrkräfte mit tieferen Pensen ist keine Lohnerhöhung vorgesehen.

«Diskriminierung jener mit kleineren Pensen» In der Schwyzer Lehrerschaft kommt dieser Vorschlag gemäss ersten Rückmeldungen schlecht an. Rita Marty, Präsidentin des kantonalen Lehrerinnen- und Lehrerverbands, sagt: «Es handelt sich um eine Diskriminierung von Lehrkräften mit kleineren Pensen, auf die wir angewiesen sind und ohne die unsere Schule nicht funktionieren würde. » Viele Lehrkräfte könnten ihr Pensum nicht einfach aufstocken, etwa weil sie neben dem Beruf ihre Kinder betreuen würden. Gäbe es eine Lohnerhöhung nur für hohe Pensen, werde das Lohngefälle zu den Nachbarkantonen in kleineren Pensen noch grösser: «Wenn die Regierung den Lehrberuf wirklich attraktiver machen will, braucht es eine Reallohnerhöhung für alle.» Für den Bildungsökonomen Stefan Wolter von der Universität Bern muss sich erst noch zeigen, wie stark sich der Anreiz durch diesen Lohnbonus praktisch auswirken wird. Der Entscheid, in welchem Pensum jemand arbeitet, sei ein individueller und hänge immer von mehreren Faktoren ab; etwa der familiären Situation, dem Angebot und den Kosten für externe Kinderbetreuung.

Lohnbonus könnte motivieren Derzeit begünstigten jedoch alle Faktoren im System den Entscheid für ein Teilzeitpensum und bestraften Lehrkräfte, die in Vollzeit- oder hohen Teilzeitpensen arbeiten, so Wolter: «Der Vorschlag des Kantons Schwyz ist der Versuch, hier Gegensteuer zu geben.» Dieser Lohnbonus könne einerseits Lehrkräfte motivieren, ihr Pensum aufzustocken. Andererseits, und hier vermutet Wolter den stärkeren Effekt, könne er auch dazu beitragen, dass sich Lehrkräfte mit hohem Pensum eher gegen eine Pensenreduktion entscheiden. Gerade auf der Primarstufe müssten jene Lehrkräfte mit höheren Pensen oft viele Zusatzaufgaben übernehmen, etwa als Klassenlehrpersonen. Hier könnte der Bonus als Zeichen der Wertschätzung dienen und die schwierige Besetzung von Klassenlehrpersonenstellen erleichtern. Dagmar Rösler, Präsidentin des Dachverbands der Lehrerinnen und Lehrer Schweiz, gibt zu bedenken, dass auch Lehrkräfte mit tiefen Pensen wichtige Zusatzaufgaben übernehmen: «Sie springen ein, wenn jemand im Team krank ist oder helfen mit in einem Klassenlager.» Es sei nachvollziehbar, Lehrpersonen zu einem höheren Pensum zu motivieren. «Aber der Vorschlag des Schwyzer Erziehungsrates suggeriert, dass alle Lehrkräfte mehr arbeiten könnten, wenn sie nur möchten», kritisiert Rösler. Das sei nicht der Fall. Nicht nur private Gründe verhinderten dies, wie etwa die Kinderbetreuung. Auch die Schulleitungen könnten nicht jeder Lehrkraft, die gerne mehr arbeiten würde, das Pensum einfach so aufstocken.

Viele Lehrkräfte arbeiten Teilzeit Gemäss dem Bildungsbericht 2023 beträgt der mittlere Beschäftigungsgrad der Lehrpersonen schweizweit rund 65 Prozent. Zwischen den Kantonen bestehen grosse Unterschiede: Im Tessin arbeiten fast 60 Prozent der Lehrpersonen Vollzeit, in Basel-Stadt nur etwas mehr als 10 Prozent.

Ein gesetzlich vorgeschriebenes Mindestpensum für Lehrkräfte kennen die Kantone Genf (50 Prozent) und Zürich (35 Prozent). Rein rechnerisch gesehen, so lässt sich aus dem Bildungsbericht 2018 herauslesen, wäre der Lehrpersonenmangel behoben, wenn jede Teilzeit-Lehrperson ihr Pensum durchschnittlich um 10 Prozent aufstocken würde.

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