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Paul Hensler-Leuthold

Paul Hensler-Leuthold Paul Hensler-Leuthold

NEKROLOGE

Wo du, Dädi am 29. Juni 1937, im Stauffacher auf die Welt kamst, läuteten gerade die Kirchenglocken. Deine Mutter, d’Sugusgotte, fragte die Hebamme, warum die Glocken läuteten. Sie antwortete ihr, dass heute am 29. Juni Peter und Paul sei. Daraufhin sagte Gotte, dann heisst der Bub Paul. So hattest du immer an deinem Geburtstag auch Namenstag.

Du wuchst zusammen mit vier Brüdern, Louis, Willi, Sepp und Kari, und einer Schwester, Annelies, auf. Ihr wurdet auf eine harte Probe gestellt, als 1943 während dem 2. Weltkrieg dein geliebter Vater starb. Er war Chemigraph und wurde von den Dämpfen auf der Lunge krank, sodass er mit nur 40 Jahren starb.

Deine grosse Schwester Annelies musste mit 14 Jahren von der Schule weg und war von da an eure Ersatzmutter. Mit gutem Mut und Hilfe von lieben Leuten im Dorf eröffnete Gotte einen kleinen Krämerladen im Oberdorf. Sie verkaufte diverse Artikel an Pilger. Sie war eine tüchtige Geschäftsfrau. Später hatte sie in der alten Post ein Spielzeuggeschäft. Alle mussten mithelfen, du warst Ausläufer im Anker und verteiltest zusammen mit einem anderen Bruder die Zeitung. Ihr hieltet alle zusammen, damit ihr über die Runden kamt. Die Muse fehlte jedoch nicht, habt ihr doch oft gesungen, gemalt und musiziert. Du seist ein problemloses Kind gewesen, erzählte mir deine Schwester, immer aufgestellt.

Nach der Schule warst du der erste, der ins Welschland ging. Als Pöstler in Villarslod im Kanton Freiburg lerntest du schnell Französisch. Ein Gehalt erhieltest du nicht, hattest du doch Kost und Logis und durftest eine neue Sprache lernen. Danach solltest du in die Verkehrsschule nach Bern. Onkel Kasper, der Halbbruder deiner Mutter, wohnte da. Das war ein kurzes Inter-mezzo. Nach wenigen Monaten hattest du so Heimweh, dass du zurückkamst. Bei der Kantonalbank in Schwyz machtest du die KV-Lehre. An Stehpulten seid ihr gestanden und hättet so den Kontokorrent geführt.

Am Tag, als du in die RS einrücken solltest, haben sie dir den Meniskus operiert. So verbrachtest du deine militärische Karriere im Zivildienst. Daraufhin arbeitetest du für zwei Jahre bei der SBG in Zürich. Beim Pendeln im Zug fiel dir ein hübsches Mädchen auf. 1961 heiratetest du Claire Kälin und ihr wohntet zusammen in Schwyz, wo du wieder bei der Kantonalbank arbeitetest.

Im Jahr 1962 kam Tochter Susi auf die Welt. Susi deshalb, weil du «Dr Susi» warst in der Pfadi. 1963 zügelte die Familie nach Einsiedeln, wo du deine Lebensstelle als Zivilstandsbeamter antratst. Du liebtest deinen Beruf 34 Jahre lang, hattest du doch als sehr geselliger Bürger immer mit Menschen zu tun. 1964 kam die zweite Tochter Gaby auf die Welt und 1969 dein Stammhalter Max. Somit war die Familie komplett.

Du warst als junger Familienvater sehr aktiv. Als rechte Hand von Walti Lacher unterstütztest du ihn bei manchem Fest im Dorf. Auch in diversen Vereinen und Kommissionen warst du der Schreiberling. Kirchenrat, Vorstand Fussballclub, Schulrat, Armenpflege, um nur einige zu nennen. Als Ausgleich spieltest du in der Konkordia die Tuba und bei der Männerriege Faustball. Ja, du warst sehr gerne unter den Menschen. An vielen Hochzeiten warst du der «Tätschmeister » und dein «Einfallspinsel» hatte viele Gäste zum Lachen gebracht.

Du warst für uns Kinder der beste Dädi. An schönen Sonntagen waren wir bei Tante Annelies im Bassin baden oder wir gingen z’Bärg. Du hattest jeweils Metawürfel dabei, damit es Feuer gab und deine Familie die Wurst sicher am Feuer bräteln konnte. Wenn du mit uns den Baligu machtest und etwa Hotel oder «Verkäuferlis» spieltest, schlüpftest du gerne in verschiedene Rollen und hast uns zum «Gigele» gebracht.

Ja das Schauspielern lag dir im Blut. Spieltest du doch fünfmal eine Hauptrolle am Einsiedler Welttheater. 1960, 1965 und 1970 den Bauern, 1987 den Reichen und 1992 in deiner letzten Rolle als König, spielten wir zusammen in der gleichen Besetzung. Es war nicht immer einfach mit dir zusammen zu spielen, da du ab und zu den alten Text aufsagtest und beim Menuett waren unsere Schrittreihenfolgen nicht immer identisch.

In eine tiefe Krise fielst du, als Mutti ging und sie sich scheiden liess. Als Zivilstandsbeamter, der so viele Paare verheiratete, lässt man sich doch nicht scheiden …

Doch mit Verena fandest du nochmals zu neuem Glück. Ihr heiratetet 1993 und zügelten an die Ochsnerstrasse 2. 1997, als du 60 wurdest, gingst du in Pension. Der Computer wurde angeschafft im Bezirk und mit dem wolltest du partout nichts zu tun haben. Du konntest dir überhaupt nicht vorstellen, dass man damit Geburts-, Heirats- und Todesregister führen konnte. Für dich waren deine Bücher heilig. Du warst auch nach deiner Pensionierung weiterhin aktiv. So warst du beim FC bei den Supportern und beim 13er-Freitagsclub ein wertvoller Helfer, sei es beim Hundeschlitten- oder Seifenkistenrennen.

Deiner Leidenschaft, Stammbäume zu machen, gingst du weiterhin nach. So hattest du den Stammbaum der Familie Steinauer gemacht und Vreni und Du wurdet eingeladen, die Ortschaft Steinauer in Nebraska zu besuchen. Ihr hattet das gleich mit einer Amerika Rundreise verbunden. Dann wurdest du im Laufe der Zeit auch Grossdädi von vier Enkeln und hast oft Schabernack mit ihnen gemacht. Happy Birth-day hast du ihnen sogar auf Chinesisch gesungen. Im Laufe der Zeit schlich sich auch bei dir wie bei deinen Brüdern Louis und Sepp die unheilbare Krankheit des Vergessens ein. Am glücklichsten warst du in deinem Stuhl mit einer Pfeife im Mund bei einem Kreuzworträtsel und dabei Musik im Hintergrund, oft war es Marschmusik von Etzel- Kristall. 2019 hatte Vreni ihren Unfall und du konntest nicht mehr alleine zu Hause sein. So hattest du einen Monat bei uns im Gross gelebt. Es war nicht immer einfach, aber im Nachhinein war das für uns ein riesiges Geschenk. Dich «zmittsdinne» an unserem Tisch mit allen beim Grillieren, bei einem Glas Wein. Du blühtest auf und erzähltest uns von früher, wir verstanden nicht immer, was du uns erzählen wolltest, aber du gehörtest zu uns. Als Vreni von der Uniklinik in Zürich zurückkam, zügeltet ihr in die Gerbe. Du fühltest dich sehr wohl unter den netten und hübschen Pflegerinnen. Sie hatten dich gern, warst du doch ein gemütlicher Weltenbürger. Eine Pflegerin meinte mal zu mir, du seist wie ein Gentlemen, du hättest ihr immer die Tür aufgehalten, wenn sie kam. Stets hattest du ein sonniges Gemüt und immer gute Laune. Auch noch als du nicht mehr aus dem Bett konntest. Vreni zog dann im November 2020 nach Zürich in ein Heim, da sie mit deinem Zerfall nicht mehr umgehen konnte.

Im April 2022 wurdest du von der geschlossenen Abteilung in den oberen Stock verlegt. Auf diesem Stock waren deine Schwägerin Brigitte und damals noch deine Schwester Annelies Nachbarinnen und so hattest du auf einmal vermehrt Besuch. Sie hatten dich auch wieder aus dem Bett genommen und mit dem Rollstuhl in den Speisesaal gebracht und an der Fasnacht sogar in den unteren Stock. Im Mai 2022 verstarb Vreni, deine Frau, völlig unerwartet. Ihre Besuche und Telefonate waren auf einmal weg.

Deine Krankheit war so weit fortgeschritten, dass du es nicht mehr wahrnahmst, auch als Annelies verstarb, merktest du nichts davon. Die grosse Freude, dass du im Jahr 2022 zweifacher Urgrossvater von Maily und Lara wurdest, konnten wir nicht mehr mit dir teilen. Das tat weh.

Deine Krankheit schritt soweit voran, dass du Mühe bekundest zu essen. Weil ich wusste, dass du Suppe liebtest, brachte ich dir selbstgemachte Suppe, die sie dir zum Znacht geben konnten. Auf diese Weise konnte ich dir noch eine Freude bereiten.

Dädi, du gabst uns lange Zeit, um mit dir, von dir Abschied zu nehmen. Waren wir doch regelmässig bei dir zu Besuch. Du sag-test einmal, dass du solange leben wolltest, wie du die AHV eingezahlt hast. Das hat nicht ganz gereicht. Wenn ich dich als Vorbild nehmen kann, Dädi, dann, weil du eine riesige Gabe hattest – du warst immer zufrieden und aufgestellt. Das Herz eines Menschen wird nie dement. Die heutige Welt wurde für dich zunehmend laut und hastig. Früher hörten wir dich oft sagen: «Ich will Rueh, Rueh, Rueh … Dädi und die hast du jetzt.»

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