Veröffentlicht am

«Die Welt lebt auf Pump, viele Staaten sind stark verschuldet»

«Die Welt lebt auf Pump, viele  Staaten sind stark verschuldet» «Die Welt lebt auf Pump, viele  Staaten sind stark verschuldet»

Seit drei Jahren ist Lorenz Keller der Leiter Private Banking bei der Schwyzer Kantonalbank (SZKB). Der 50-jährige Einsiedler steht Red und Antwort über das Bankwesen und die Bedeutung des Geldes: «Geld ist wichtig im Leben, weil es uns hilft, unsere Träume umzusetzen.»

Was bedeutet Ihnen Geld in Ihrem Leben?

Geld ist wichtig im Leben, weil es einem Sicherheit gibt und uns helfen kann, Träume umzusetzen. Geld kann auch helfen, Eigenes zu schaffen und Eigentum zu erhalten. Und schliesslich ermöglicht uns Geld, eine Altersvorsorge aufzubauen. Können Sie uns erklären, was «Private Banking» bedeutet? Unter «Private Banking» versteht man im Bankwesen sämtliche Finanzdienstleistungen, die Finanzinstitute ihren vermögenden Privatkunden anbieten. Beim Private Banking geht es unter anderem darum, Kundinnen und Kunden umfassend zu verstehen und ihnen massgeschneiderte Lösungen aufzuzeigen und die passenden Produkte anzubieten: Soll der Ertrag vorwiegend in die Vorsorge fliessen? Oder will der Kunde das Geld möglichst sicher anlegen? In diesem Fall kann er dieses kapitalerhaltend in Obligationen oder Festgelder tun. Will er einen Zuwachs der Gelder anstreben, dann kann er dies beispielsweise mit Aktien realisieren. Man kann sich auch ein schönes Leben machen und ein Eigenheim kaufen. Oder die Nachkommen frühzeitig finanziell beglücken. Daneben umfasst das Private Banking auch viele weitere Dienstleistungen, die helfen, die finanziellen Fragen des Lebens zu klären und die Wünsche und Ziele bestmöglich zu befriedigen. War es Ihr Bubentraum, dereinst Private Banker zu werden?

Nie und nimmer (lacht)! Nie im Leben hätte ich mir ausmalen können, Banker oder Vermögensverwalter zu werden. Ich bin kein reiner Zahlenmensch – und zuallererst assoziieren die Leute das Bankwesen mit Zahlen. Vielmehr bin ich an der Arbeit mit Menschen interessiert – und hierbei komme ich bei meinem Job als Private Banker ganz auf meine Kosten: Denn ich unterstütze und berate Menschen auf ihrem Weg, das Beste aus ihrem Leben zu machen. Schafft Ihre Arbeit einen Mehrwert und wie sieht dieser Mehrwert aus? Ideell erarbeiten wir in jedem Fall einen Mehrwert: Wir legen grossen Wert auf die lokale Präsenz und Verankerung sowie den persönlichen Kontakt und die persönliche, ganzheitliche Beratung unserer Kundschaft. Ausserdem kenne und verstehe ich meine Kundinnen und Kunden, oft über Generationen, und ich kenne die Eigenheiten des Kantons Schwyz. Die Kombination von Kundennähe und -verständnis, lokaler Marktkenntnis, ganzheitlicher Beratung und fairem sowie schnellem Angebot ist der Schlüssel zum Erfolg. An diesem Erfolgsrezept halten wir fest, um auch künftig positiv wahrgenommen zu werden. Abgesehen davon wird mit einem Vermögensaufbau und einem gezielten Abbau oder der Übergabe durchaus ein Mehrwert geschaffen: Der Kuchen, der gebacken wird, wächst über die Zeit. Und das Essen des leckeren Kuchens – allein oder mit den Liebsten – bereitet auch Freude. Sie waren Teamleiter Private Banking bei der Bank Julius Bär und zuvor Projektleiter Business Technology der Credit Suisse: Hatten Sie damals bereits geahnt, dass insbesondere die Credit Suisse zur Krisenbank werden kann? Als ich im Jahr 1999 bis 2002 Projektleiter Business Techno-logy bei der Credit Suisse gewesen bin, sah ich keine Anzeichen, dass es dereinst ein böses Ende nehmen könnte mit der CS. Wieso auch? Damals war das eine hervorragend funktionierende Bank. Dasselbe kann man über die Bank Julius Bär sagen: Bei dieser Bank war ich im Jahr 2004 Projektleiter Corporate Development. Was gerade die Turbulenzen rund um die CS gezeigt haben, ist, dass das Vertrauen der Kundschaft für eine Bank das wertvollste Gut ist. Sie haben im mittleren Osten und in Asien gearbeitet: War es schon immer Ihr Traum, in die weite Welt zu ziehen? Nein, das war nicht mein Plan. Doch weil das Bankwesen international ausgerichtet und die Finanzindustrie global organisiert ist, hat man als Banker viele Möglichkeiten, in die Welt zu rei-sen. So habe ich während meiner Zeit bei Julius Bär in Hongkong und Indien gearbeitet und war auch in Städten wie Istanbul, Dubai und Bangkok. Welche Erfahrungen haben Sie in Indien sammeln können? Ich will nichts beschönigen: Man wird in Indien mit grosser Armut und menschlichem Elend konfrontiert. Und in unmittelbarer Nähe davon breitet sich unermesslicher Reichtum aus. Kein Wunder, erlebt man in Indien einen wahren Kulturschock. Wir können uns in der Schweiz keine Vorstellung machen, wie weit sich in Indien die Schere zwischen arm und reich geöffnet hat.

War das der Grund, warum Sie in die Schweiz zurückgekommen und zur Schwyzer Kantonalbank gegangen sind? Der Grund, wieso ich im Jahr 2010 für ein Engagement bei der Schwyzer Kantonalbank in die Schweiz zurückgekehrt bin, war meine älteste Tochter. Sie hat im Alter von drei Jahren zu mir gesagt, dass ich nicht mehr heimzukommen brauche, wenn ich doch immer so lange wegbleibe: Es ist aus meiner Erfahrung nur sehr schwierig vereinbar, eine Familie in der Schweiz zu haben und gleichzeitig einen grossen Teil der eigenen Zeit im Ausland zu verbringen – ohne persönlichen und direkten Kontakt zu Frau und Kindern. Wie ist Ihnen die Rückkehr aus dem umtriebigen Asien in die beschauliche Schweiz gelungen?

Es sind definitiv zwei vollends verschiedene Welten: In Indien war permanent ein 24-Stunden-Betrieb am Laufen, mit viel Unruhe, grossen Menschenmassen, schlechter Luft und einer immerwährenden Konfrontation mit einer überbordenden Armut. Die Schweiz ist in jeder Beziehung das wahre Gegenteil davon: In unserem Land herrscht ein ausgesprochener Wohlstand, wir leben in Sicherheit und atmen gute Luft. Aller-dings würde ich das Glück des Menschen nicht allein von äusseren Faktoren und Umständen abhängig machen wollen. Vielmehr stellt sich die Frage, was ich brauche, um ein glückliches Leben führen zu können. Hierbei spielt nicht nur das Geld eine Rolle, sondern auch gute, tragfähige Beziehungen mit Menschen. Wahres Glück kommt schliesslich immerzu von innen. Was hat Sie eigentlich nach Einsiedeln verschlagen? Meine Frau ist eine geborene Feusi, stammt aus Pfäffikon und arbeitet in der Engel Apotheke in Einsiedeln. Von daher war es naheliegend, dass wir uns im Klosterdorf niederliessen. Ich selber bin in Hirzel aufgewachsen und bin in einer sehr landwirtschaftlich geprägten Umgebung gross geworden: Von da-her war mir Einsiedeln von Anbeginn sehr vertraut. Was schätzen Sie am Dasein im Klosterdorf? Das Leben in Einsiedeln bereitet mir grosse Freude: Ich geniesse die Natur und die traumhafte Landschaft und kann im Klosterdorf auf eine super Infrastruktur mit einer ausgezeichneten Stiftsschule zurückgreifen. Ich empfinde die Menschen in Einsiedeln grundsätzlich als offen: Wenn man bereit ist, sich auf gute Beziehungen mit den Menschen hier einzulassen, findet man auch besser einen Zugang zum Dorf. Es gibt einen harten Kern in Einsiedeln, bei dem Neuzuzüger zu Beginn nur schwer Zugang finden. Aber spätestens mit der nächsten Generation, mit den Kindern, die hier zur Schule gehen, gelingt dann der Zugang zur Dorfgemeinschaft.

In Ihrer Position als Geschäftsleitungsmitglied haben Sie viel Verantwortung und Macht. Wie gehen Sie damit um? Bei jeder Entscheidung gilt es zu bedenken, dass der Unternehmenserfolg – und zwar der langfristige – oberste Priorität geniesst. Egoistische Motive sind dabei tabu. Und es ist ja am Ende ein Gremium, die Geschäftsleitung, welche die Verantwortung trägt – und nicht nur ein einzelner Mensch. Ich übernehme gerne Verantwortung und gestalte mit meinen Mitarbeitenden den besagten Unternehmenserfolg. Bei aller Entscheidungskompetenz und Führungsverantwortung ist es wichtig, achtzugeben und sich immer wieder selber zu reflektieren. Wichtig ist es, Menschen im Umfeld zu haben, die einem den Spiegel hinhalten und auch ein unbequemes Feedback geben. Ist in Ihrem Betrieb Burnout ein Thema? Es kommt auch bei uns vor, dass Mitarbeiter sich zu stark verausgaben. Wir haben festgestellt, dass oftmals nicht die Arbeit der primäre Grund darstellt. Oft sind es Persönlichkeitsmerkmale kombiniert mit anspruchsvollen persönlichen Lebensumständen. Die Arbeit verstärkt dann die bereits kräftezehrende Lebenssituation. Wenn ich wahrnehme, dass es einem Menschen nicht gut geht, dann spreche ich dies an. Ich habe als Arbeitgeber diesbezüglich ja auch eine Verantwortung. Auch ich bin mir bewusst, dass wichtig ist, sich selber und der eigenen Gesundheit gegenüber Verantwortung zu übernehmen. Ich persönlich achte darauf, dass ich ausreichend Schlaf finde und viel Zeit mit der Familie verbringen kann. Sicherlich verhelfen Sport und Beziehungspflege mit Freunden zu einem Ausgleich zum oftmals stressigen Arbeitsleben, und Musse ist für mich ebenfalls bedeutend. Ich arbeite in einem 90-Prozent-Pensum. Das ist für mich – neben dem Umstand, dass ich zum Familienleben beitragen kann – auch eine wichtige Prävention.

Wie wird sich die Finanz- und Bankwelt in der Zukunft entwickeln?

Technologien, Digitalisierung und künstliche Intelligenz werden die Zukunft entscheidend prägen. Ein Grossteil der Kundinnen und Kunden sind sich längst gewohnt, die alltäglichen Bankgeschäfte bequem von zu Hause aus zu erledigen. Filialen spielen vor allem für die Beratung der Kundschaft eine wich-tige Rolle: Mit 22 Filialen sind wir bestens vertreten im Kanton Schwyz – Kundennähe ist und bleibt uns wichtig, weil sie einem echten Bedürfnis unserer Kundschaft entspricht. Welche Chancen geben Sie der UBS? Festhalten möchte ich: Es ist traurig und für den Finanzplatz ein herber Schlag, was mit der CS passiert ist. Die UBS ist als verbleibende international tätige Grossbank für den Finanzplatz Schweiz wichtig. Wie sie es schaffen wird, sich national und international zu etablieren, wird die Zukunft zeigen. Halten Sie es für möglich, dass sich weltweit wieder eine Finanzkrise ereignen könnte wie im Jahr 2008? Die Welt lebt auf Pump, viele Staaten sind stark verschuldet. Oft verschuldet sich ein Staat noch mehr, um die bestehende Schuldenlast zu finanzieren. Auch private Haushalte leben zum Teil über ihre Verhältnisse. Wer kommt schliesslich für diese Verschuldung auf, und wie kann ein Weg zur Reduktion der Schulden aussehen? Das ist eine global ungelöste Frage. Wir wünschen uns alle, dass es nur stetig aufwärts geht und es keine Krisen gibt. Wenn uns die Vergangenheit eines lernt, dann, dass Krisen seit jeher dazugehören.

Wohin bewegt sich die Welt?

Wir leben in unruhigen Zeiten: Klimawandel, erstarkende Autokratien, Kampf um die Rohstoffe und Kriege bedrohen die Welt. Längst ist klar geworden, dass ein endloses Wirtschaftswachstum an seine Grenzen stösst. Gefragt ist, wie ein zukünftiges Modell aussehen könnte, das nicht auf einem reinen Wirtschaftswachstum beruht. Zudem muss die demografische Entwicklung berücksichtigt werden, und bei der Erarbeitung der Lösungsoptionen muss die Nachhaltigkeit integraler Bestandteil sein. All diesen Herausforderungen zu begegnen, stellt ein überaus schwieriges Unterfangen dar, und es braucht echte Bereitschaft, Offenheit, einen wertstiftenden Dialog und letztendlich konsequentes Handeln. Aus meiner Zeit an der ETH habe ich gelernt, dass auch komplexe Problemstellungen lösbar sind. Das gibt mir Zuversicht.

Share
LATEST NEWS