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«Wir mussten grösser werden, um davon zu leben»

«Wir mussten grösser werden, um davon zu leben» «Wir mussten grösser werden, um davon zu leben»

Fränzi Taugwalder-Hubli aus Oberiberg erhält den 4. Schwyzer Tourismus-Award

Zum ersten Mal, seit es den Schwyzer Tourismus-Award gibt, ist eine Frau die Preisträgerin. Fränzi Taugwalder treibt mit ihren visionären Ideen die Region Ybrig an.

Herzliche Gratulation zum 4. Schwyzer Tourismus-Award. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?

Sehr viel! Das ist für mich ein emotionaler Award, weil er meine Arbeit genau auf den Punkt bringt. Eine sehr schöne Auszeichnung und eine Wertschätzung meiner Tätigkeit. Die Laudatio von Vendelin Coray hat mich sehr berührt. Der Award hat bei der Reception der Roggenstock Lodge einen tollen Platz gefunden. Ich habe schon viele positive Rückmeldungen erhalten – interessanterweise aus der ganzen Schweiz! Die Auszeichnung zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Wer ist Fränzi Taugwalder?

Ich bin ein grosser Familienmensch. Ich bin auf einem Bauernhof in einem Dreigenerationenhaus aufgewachsen und lebe noch heute in Gehdistanz zu meiner Verwandtschaft. Ich bin es gewohnt, in einem familiären Umfeld zu leben, wo die Türen immer offenstehen. Dieser familiäre Umgang beeinflusst auch den Führungsstil in unseren Unternehmen.

Andere 25-Jährige träumen von einer Weltreise, Sie haben die Leitung der Skischule Hoch-Ybrig übernommen. Wie kam es dazu? Es wurde uns in die Wiege gelegt. Von Klein auf war die Skischule ein Thema bei uns, da meine Eltern Skilehrer waren. Wir sind da automatisch reingerutscht – hatten jedoch immer die Wahl. Seit ich 18 Jahre alt war, jobbte ich neben der Handelsschule als Skilehrerin. Der damalige Skischulleiter Werner Reichmuth ist dann leider erkrankt. So habe ich mit 23 die Leitung interimsmässig übernommen. Es zeichnete sich dann aber ab, dass Werner sich nicht mehr erholen wird. Ich habe dann mit 25 die Skischulleiter- Ausbildung gemacht und offiziell die Leitung übernommen. So nahmen die Dinge ihren Lauf … Als Sie die Skischule übernahmen, zählte das Team gerade einmal 18 Wintersportlehrpersonen. Heute sind es 90. Eine beachtliche Leistung! Das war meine Ambition! Früher waren die meisten Lehrpersonen Bauern, die das nebenbei gemacht haben. Ich aber wollte davon leben können und daher mussten wir grösser werden. Wir arbeiteten früher noch ganz anders, es gab viele Zettel und nur einen Computer – das ist heute unvorstellbar! Schon bald ha-ben wir die Kinder mit dem Bus abgeholt und mit internationalen Schulen zusammengearbeitet. Auch haben wir den Gruppenunterricht früh grossgeschrieben und die Snowboardschule integriert. So konnte die Skischule stetig wachsen. Bald übernahm mein Bruder Hannes die Funktion als technischer Leiter, er ist auch ein wichtiges Puzzleteil zu unserem Erfolg. Ich habe heute ein super Team und eine hohe Qualität der Wintersportlehrpersonen.

War es immer klar, dass Sie in Oberiberg leben werden? Ihr Mann Alexander stammt aus Zermatt. Ich war nie wirklich weg, im Winter war ich immer in Oberiberg – ich musste ja! Aber wie gesagt bin ich ein absoluter Familienmensch und liebe meine Heimat. Ab und zu haderte ich schon mit der Situation. Dafür konnte ich im Sommer jeweils weg, leitete drei Jahre lang eine Skischule in Neuseeland und arbeitete auf verschiedenen Golfplätzen. Unter anderem in Zermatt, wo ich Alexander wieder traf. Kennengelernt haben wir uns als Nachwuchsskifahrer bei verschiedenen Rennen, haben uns dann aber aus den Augen verloren. Ich konnte ihn zum Glück nach Oberiberg ziehen.

Wie bringen Sie alle Ihre unterschiedlichen Tätigkeiten unter einen Hut? Das frage ich mich manchmal auch (lacht)! Es funktioniert dank einem sehr gut eingespielten Team und tollen Leuten, die meine Arbeit mittragen. Ich muss aber schon schauen, dass ich nicht ausbrenne. Die unendliche Erreichbarkeit ist heute manchmal schon auch belastend. Es sorgt auch für witzige Situationen. Einmal habe ich zum Beispiel im Hotel staubgesaugt – in den Skilehrerhosen. Da hat mich ein Gast angesprochen, wer ich denn sei und die-ser war sehr erstaunt, dass ich die Direktorin sei.

Sind Sie auch selber noch aktive Skilehrerin?

Leider nein, das geht nicht. Manchmal darf ich die jungen Skilehrer im Einstiegsunterricht unterstützen. Das mache ich nach wie vor sehr gerne. Und bleibt Ihnen überhaupt noch Zeit fürs Skifahren? Ja, logisch. Unbedingt! Als meine Jungs noch klein waren, gin-gen wir in jeder freien Minute auf die Skier. Jetzt immer noch, aber sie sind jetzt halt viel in der Schule. Oft nutze ich die «Zimmerstunde » zum Skifahren. Wir wohnen ja an der Piste.

Sie und Ihr Mann haben im Jahr 2017 das Müller’s Posthotel zusammen mit Ihrem Bruder und Ihrer Schwägerin übernommen und daraus die heutige Roggenstock Lodge entwickelt. Was haben Sie verändert und wie sehen die weiteren Pläne aus? Wir haben eigentlich alles auf den Kopf gestellt! Als erstes haben wir das Restaurant und die Reception komplett neu gemacht. Wir haben dann sukzessive die Zimmer renoviert im sogenannten Neubau. Der nächste Schritt steht nun mit dem Neubau des ursprünglichen Altbaus an. Diesen Teil möchten wir abreissen und im Jahr 2025 neu bauen. Und gleichzeitig den Wellnessbereich erweitern, den wir im Jahr 2020 neu erstellten.

Ihnen ist Regionalität besonders wichtig, wie äussert sich das in der Roggenstock Lodge? Wir versuchen, die Wertschöpfungskette möglichst regional zu halten. Von meinem Bruder Hannes, der den Bauernhof führt, beziehen wir sein Black Angus Fleisch für unser Restaurant. Ein weiteres Beispiel ist der Kaffee, den wir von «Drei Herzen» aus Einsiedeln beziehen. Aktuell näht Katja Leuzinger aus Oberiberg Kissen für die neuen Hotelzimmer. Wir schauen, dass wir alles, was irgendwie möglich ist, regional beziehen. Haben Sie kein Problem, Personal zu finden – sowohl in der Gastronomie wie auch in der Schneesportschule? Doch, das kennen wir auch. Durch Corona hat sich die Situation zusätzlich verschärft. Aber wir konnten alle Stellen beset-zen, es brauchte einfach etwas mehr Zeit. Sie vereinen unter der Roggenstock Lodge neben der Reception auch das Skischul- und Tourismusbüro. Wie kam es dazu? Als wir die Lodge kauften, war es klar, dass die Skischule umziehen wird. Und das Tourismusbüro muss am gleichen Ort sein, das macht für den Gast sonst keinen Sinn. Die Skischule hat einen Leistungsauftrag für den Betrieb des Tourismusbüros. Auch Oberiberg ist nicht mehr schneesicher. Sie setzen daher auch auf den Sommertourismus. Wie sieht das konkret aus? Natürlich ist schon der Winter unser Hauptgeschäft. Aber wir dürfen den Sommer, als wichtigen Punkt für den Ganzjahrestourismus, nicht vergessen. Auch als Arbeitgeber ist ein sicherer Ganzjahresjob ein entscheidender Faktor. Mit verschiedenen Gästeerlebnissen versuchen wir, gemeinsam mit der Gemeinde Oberiberg, der Hoch-Ybrig AG, der FSRY und dem Verkehrsverein Oberiberg/Unteriberg, um nur einige zu nennen, uns zu einem Ganzjahrestourismusort zu entwickeln. Mit dem Kabi-Bike-Park hat unsere Region im Jahr 2020 einen ersten Schritt gemacht. Dann kam der Kugelbahnweg hinzu und im letzten Jahr noch der Eibi’s Erlebnisweg. Ein nächstes Ziel ist die Realisation eines 15 Meter hohen Kletterturms, den wir im kommenden Jahr erstellen möchten. Alles, was wir machen, machen wir Hand in Hand mit den Partnerorganisationen. Mit unseren Angeboten möchten wir auch für die Einheimischen die Standortattraktivität erhöhen.

Was gefällt Ihnen an Oberiberg besonders?

Die Natur! «Äs isch eifach schön, da zsii!» Unsere Region ist so vielfältig, man kann Wandern, Biken, Skifahren und den wunderbaren Sihlsee geniessen. Unsere Heimat ist ein idealer Stand-ort: abgelegen und doch nah an den Städten.

Welches war bisher Ihr grösstes Herzensprojekt? Das ist «Hoch-Ybrig bewegt». Das Nachwuchsförderprojekt machen wir zusammen mit dem Hoch-Ybrig und dem Sportamt der Stadt Zürich. Wir ermöglichen zu einem sehr attraktiven Preis den Schulen der Stadt Zürich einen Tag im Schnee mit Ski- und Snowboardunterricht. Wir machen Kinder zu Wiederholungstätern und geben so unsere Tradition, das Kulturgut «Skifahren », weiter.

Wo sehen Sie sich und Ihre Umgebung in 10 Jahren? Was wünschen Sie sich für die Zukunft? Ich wünsche mir, dass in zehn Jahren alle unsere ambitionierten Ziele in unserer Region umgesetzt sind: Damit wir ein attraktives Sommer- und Winterangebot haben, auf dass der Gast das ganze Jahr über ins Ybrig kommt, um sich aktiv zu bewegen.

Foto: Angela Suter


Die Gewinnerin des 4. Schwyzer Tourismus-Awards Fränzi Taugwalder: «Es rockt, mit den Leuten im Ybrig zusammenzuarbeiten.» Foto: zvg

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