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Die Schwyzer sahen das grosse Geld und betrieben Raubbau am Wald

Historische Serie des Staatsarchivs «Wetter und Klima im Kanton Schwyz»: Über Generationen hinweg wurde im Kanton Schwyz viel Holz geschlagen. Abnehmer fanden sich in Zürich und Luzern. Doch irgendwann rächte sich dieser Raubbau.

Der Wald und die Ressource Holz spielten in der Geschichte des Kantons Schwyz durchgehend eine zentrale Rolle. In Zeiten von starken Regen- und Schneefällen verhindert der Wald in den Gebirgen das Abrutschen von Hängen und reduziert das Risiko von Lawinenbildung. Darüber hinaus diente er der Schwyzer Bevölkerung über Jahrhunderte als wertvoller Energiespender für die Wärmeerzeugung in kalten Wintern oder bestimmte Handwerksbetriebe.

Zusätzlich reinigt der Wald die Luft und bindet CO2. Mit der zeitweilig zu intensiven Nutzung wurde dieser Lebensraum, der einst wohl gegen zwei Drittel des heutigen Kantonsgebiets abdeckte, massiv zurückgedrängt. Erst die Forstgesetzgebung aus dem Jahr 1876 brachte den Turn-around.

Einwanderer haben tüchtig Wald gerodet Der Herkunftssage nach sollen die aus Schweden eingewanderten Schwyzer im Talkessel zunächst einmal tüchtig Wald gerodet haben. Auch die Namensforschung bringt die indogermanische Wurzel des Namens Schwyz, «sueid», in einer Deutungsvariante mit einer waldfreien Zone oder einem Gelände, das durch Feuer gerodet wurde, in Verbindung.

Gemäss dem Schwyzer Namenbuch bedeutet «sueid» jedoch vielmehr «hell, glänzend». Eher als eine Brandrodung weist der Name auf die unbewaldete Gegend des Talkessels von Schwyz mit dem hell leuchtenden Flussgelände der Muota hin.

Auch der Begriff der «Waldstätte » darf als Beleg für die einst umfangreichen Waldgebiete in den Ländern Uri, Schwyz und Unterwalden gelten. Und die Bezeichnung «Waldstatt» für die seit dem späten 14. Jahrhundert zum Alten Land Schwyz zugehörige Landschaft Einsiedeln bezog sich ebenfalls auf den regionalen Waldreichtum.

Stumme Zeugen hiervon sind auch die zahlreichen spätmittelalterlichen und neuzeitlichen Holzbauten, welche sich bis heute im Schwyzer Talkessel erhalten haben und europaweit einzigartig sind. Immerhin benötigten die Bauherren für ein Haus das Holz von gegen hundert Bäumen.

Verbote erlassen – wegen drohenden Holzmangels Der Ressource Holz wurde im spätmittelalterlichen Schwyz grosse Bedeutung beigemessen. Aufgrund des grossen Bedürfnisses nach Holz, etwa für die Köhlerei, musste drohendem Holzmangel sogar vorgebeugt werden. So erliess der Schwyzer Landtag am 24. Juni 1339 einen Waldbann mit Blick auf die Köhlerei im Gebiet zwischen Mythen, Wasserscheide Sihl/Muota und Muota. Dies ist ein Hinweis, dass die Herstellung von Holzkohle im besagten Gebiet für manches Gewerbe wie Schmiede, Töpfer, Kalkbrenner et cetera ein einträgliches Nebengewerbe dargestellt haben dürfte.

Inwieweit das Verbot aller-dings Wirkung gezeigt hat, muss an dieser Stelle offenbleiben. Jedenfalls wurde rund hundert Jahre später (im Jahr 1424) für das gesamte Land Schwyz erneut ein Rodungsverbot für Eichenholz, das aufgrund seiner Härte bei Köhlern beliebt war, erlassen.

Allerdings dürfte der Eichenbann aus dem Jahr 1424 auch in einem anderen Zusammenhang erlassen worden sein, nämlich wegen des städtischen Holzbedarfs. Vermutlich gelangte bereits im 14. Jahrhundert Innerschweizer Holz in die Städte Zürich und Luzern. Beide Städte vermochten aufgrund ihrer Grösse den eigenen Holzbedarf (sei es als Energieträger oder als Werkstoff) nicht mehr aus den eigenen Waldgebieten zu decken.

Für Schwyz wurde Holz somit zum immer bedeutender werdenden Exportgut und stell-te – insbesondere vom ausgehenden 16. bis ins 19. Jahrhundert – einen nicht unbedeutenden Einnahmeposten in der Landesrechnung dar. Holztransport über die Seen

Aufgrund der geografischen Lage war der Länderort Schwyz prädestiniert für den Export von Holz. Mit Flössen wurde es auf den Gewässern (Sihl, Alp, Steiner Aa, Muota, Wägitaler Aa) zum Zürich- respektive Vierwaldstättersee spediert und von da weiter in Richtung der städtischen Zentren. Die Stadt Zürich wurde via Sihl und Zürichsee insbesondere vom 16. bis ins 19. Jahrhundert mit Schwyzer Holz versorgt. Besonders intensiv rode-ten die Schwyzer sodann seit Ende des 16. Jahrhunderts im Ybrig, wo sie Weidland gewinnen wollten.

Der Landammann und der Rat von Schwyz unterbreiteten der Stadt Zürich ein umfangreiches Holzangebot, mit dem sich die Schwyzer verpflichteten, jährlich 12’000 bis 15’000 Stück Holz zu liefern. Jedes Holzstück sollte rund zwei Meter lang sein und mindestens neun Zoll (22,86 Zentimeter) Durchmesser haben. Holzstücke dieser Grösse liessen sich auf der Sihl denn auch ohne grössere Probleme transportieren.

Die Schwyzer schritten gründlich zu Werke, schlugen – den Profit vor Augen – wahllos Holz im besagten Gebiet und liessen es den Fluss hinunter. Selbst Mahnungen der Stadt Zürich, der es allmählich selber unheimlich wurde, fanden bei den Schwyzer Holzhackern kein Gehör, sodass es in den darauffolgenden fünfzig Jahren zu eigentlichen Waldniederlegungen kam.

Schwyzer sollten für Schäden aufkommen Eine erste, teure Quittung für ihr Treiben bekamen die Schwyzer im Jahr 1619, als in einer Sommernacht aufgrund starker Regenfälle die hochfliessende Sihl mit einer enormen Holzmenge in Richtung Zürich schoss. In die-ser Situation war der Auszug der Hölzer in Zürich nicht mehr zu bewältigen – und die nachstossenden Holzmassen schichteten sich meterhoch auf, bis schliesslich die Wuhr unter gewaltigem Krachen brach und das «Holz unzählbarlich» gegen Baden weiter floss. Mit den hierauf folgenden Forderungen von Zürich nach Begleichung der Schäden taten sich die Schwyzer schwer.

Gleichwohl fanden die Holzlieferungen an die Stadt ihre Fortsetzung, auch indem ganze Wälder an die Stadt Zürich verkauft wurden, etwa im 17. und bis ins 18. Jahrhundert. Zürich war nicht nur Abnehmer von Holz aus dem inneren Kantonsteil. Auch aus der March (zum Beispiel dem Wägital) wurde Holz bis nach Zürich gehandelt.

Produktion von Glas Auf grosse Holzmengen angewiesen war auch ein spezielles Gewerbe, das in der Neuzeit zeitweise im Ybrig und im Alptal betrieben wurde: Die Produktion von Glas.

Die Glashütte Iberg, seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Betrieb, gehörte der Familie Reding. Sie befand sich im noch heute Glastobel geheissenen, waldigen Talgrund der Minster. Die Motivation für die Gründung einer Glashütte dürfte in der grossen Nachfrage nach Glasfenstern gelegen haben. Der Standort war durch den grossen Holzbedarf für die Herstellung von Glas gegeben. Ab dem Jahr 1733 bestand während dreissig Jahren auch eine Glashütte in Alpthal in der Nähe des Dörfli auf der östlichen Alpseite beim Butzitobelbach.

Die Forsten gehen «dem Ruin entgegen» Die Abholzung der Schwyzer Wälder über Generationen hinweg sowie weitreichende rechtliche Bestimmungen, welche die Holznutzung regelten, setzten den Schwyzer Wäldern im späten 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts regelrecht zu.

Im «Helvetischen Almanach für den Kanton Schwyz» aus dem Jahr 1807 wurde denn auch warnend festgehalten, dass in der March und den Höfen Holzmangel herrsche, während die meis-ten anderen Gegenden des Kantons noch über reichlich Holz verfügten. Allerdings sei der Holzaufwand in dem Ländchen, im Verhältnis seiner geringen Grösse und Bevölkerung, ungemein gross. Die Forsten würden «stark ihrem Ruin entgegengehen». Neues Forstgesetz erlassen

Schweizweit verheerende Überschwemmungen im 19. Jahrhundert, die mit dem Raubbau an den Wäldern in Verbindung gebracht wurden, führten sodann zur nationalen Forstgesetzgebung aus dem Jahr 1876. Von nun an durfte (und darf) nicht mehr Holz genutzt werden als nachwächst – und die Waldfläche der Schweiz darf nicht verkleinert werden. Seither hat sich die Schweizer Waldfläche wieder vergrössert.

Der Kanton Schwyz verabschiedete bereits am 1. Dezember desselben Jahres als erster Kanton der Schweiz die kantonale Ausführungsbestimmung. Heute beträgt der Waldanteil an der Kantonsfläche gut dreissig Prozent.

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