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Jüngste Bankchefin: «Jeder Schritt raus aus der Komfortzone erfordert Mut»

Jüngste Bankchefin: «Jeder Schritt raus aus der   Komfortzone erfordert Mut» Jüngste Bankchefin: «Jeder Schritt raus aus der   Komfortzone erfordert Mut»

Florina Fässler aus Unteriberg ist 32-jährig und leitet in Einsiedeln eine Filiale der Schwyzer Kantonalbank.

Bestimmt haben Sie schon immer gern gerechnet.

Tatsächlich, in Mathe war ich schon immer stark. Anders war es bei den Fremdsprachen … Deshalb verbrachte ich später ein Jahr im Welschland, um ein bisschen aufzuholen. Dann war Ihre Karriere als Bankerin also schon früh programmiert?

Nein, das war nie so geplant. Als Mädchen faszinierte mich der Beruf der Tierärztin. Auch Floristin war mal ein Thema, aber vermutlich nur, weil es zu meinem Namen gepasst hätte (lacht). Ich absolvierte das KV bei einer Versicherung und stieg danach in die Bankenbranche ein. Der Job ist für mich zu einer absoluten Herzensangelegenheit geworden. Nun ja, das Geschäften auf einer Bank scheint doch eher eine trockene Materie zu sein … Ich sehe das ganz anders! Der Beruf fasziniert mich, weil ich die Menschen in ganz verschiedenen Lebenssituationen begleiten und auf ihre Bedürfnisse eingehen kann. Mein Alltag ist sehr vielseitig. Was verbindet Sie heute noch mit Ihrer Heimat im Ybrig? Die Natur, meine Familie und die Bodenständigkeit der Menschen. Ich bin in Unteriberg aufgewachsen und wohne heute noch dort. Meine Herkunft hilft mir bei meiner täglichen Arbeit sehr. Seit Januar führen Sie die Bank in Einsiedeln. Mit 32 Jahren sind Sie die jüngste Bankchefin im Filialnetz der Schwyzer Kantonalbank. Wie macht man so schnell Karriere? Es stimmt, bei den Beraterbanken bin ich die Jüngste. Es gibt aber überall junge Kolleginnen und Kollegen, die in Leitungsfunktionen einsteigen. Innerhalb der Schwyzer Kantonalbank haben die Mitarbeitenden sehr viele Chancen, sich weiterzuentwickeln. Und auch ich durfte innert kurzer Zeit eine starke Entwicklung genies-sen. Das Bankgeschäft habe ich von Grund auf kennengelernt, ich bekam Einblick in die verschiedenen Sparten der Bank und konnte schon früh Lernende begleiten. Da merkte ich, dass ich mich auch in Richtung Führung entwickeln möchte. Also war Einsiedeln der nächste logische Schritt? Ich musste mich wie alle andern auch auf diese Stelle bewerben. Jede neue Herausforderung, jeder Schritt raus aus der Komfortzone erfordert Mut. Aber das grosse Vertrauen, das in mich und in mein Team gesetzt wird, erleichterte mir diesen Schritt. Sind Frauen eigentlich die besseren Bankberaterinnen als Männer? Das würde ich so nicht behaupten. Wir müssen unseren Kundinnen und Kunden auf Augenhöhe begegnen und ihre Sprache sprechen. Das Geschlecht spielt dabei nicht die entscheidende Rolle. Welche Frage hören Sie von Ihren Kunden und Kundinnen am häufigsten? Wie entwickeln sich die Zinsen in den kommenden Jahren? Und: Wie sicher ist mein Kapital bei Ihnen? Und welche Antwort geben Sie darauf? Das Thema Sicherheit wird bei uns sehr gross geschrieben. Wir gehen keine risikoreichen Geschäfte ein, sind im Kanton stark verwurzelt und geniessen bei der Bevölkerung ein starkes Vertrauen. Im direkten Kontakt und in der persönlichen Beratung sind wir nahe bei unseren Kundinnen und Kunden. Das war besonders in den letzten paar Monaten sehr wichtig. Und bei der Zinsfrage? Beim aktuellen Anstieg können wohl viele Kunden ihren Traum vom Eigenheim vergessen. Die Preise für Wohneigentum sind tatsächlich stark gestiegen, auch in unserer Region. Aber es gibt immer wieder Möglichkeiten, sich den Traum vom Eigenheim zu verwirklichen. Wir rechnen bei der Tragbarkeit vorsichtig und erarbeiten für unsere Kundinnen und Kunden massgeschneiderte Lösungen. Die Inflation schreitet still und leise voran. Müssen Ihre Kunden bereits den Gurt enger schnallen? In den Kundengesprächen hören wir einerseits, dass diese Entwicklung den Leuten Sorgen bereitet. Andererseits geht es uns in der Schweiz nach wie vor wirklich sehr gut. Wir zeigen den Kundinnen und Kunden auf, was sie tun können, damit sie nicht so stark von der Inflation getroffen werden. Geld, das nur auf dem Konto liegt,macht in dieser Situation wenig Sinn, es verliert laufend an Wert. Inzwischen haben die meisten gemerkt, dass man etwas aus seinem Kapital machen muss.

Und Sie, sind Sie eher die eifrige Sparerin oder gehen Sie gern ein Risiko ein? Ich habe mein Geld zum grössten Teil investiert. Ich baue mein Vermögen mit einem Fondssparplan systematisch auf. Das funktioniert seit Jahren sehr gut. Wichtig ist – das erlebe ich auch, wenn es um meine eigenen Finanzen geht –, an der persönlichen Strategie festzuhalten und bei Turbulenzen nicht gleich die Nerven zu verlieren. Frauen sind bei Anlagethemen in der Regel vorsichtiger. Gerade darum dürfen auch wir Frauen mal mit einem gewissen Teil unseres Vermögens Mut zeigen und gewisse Risiken eingehen. Braucht es Sie und Ihre Mitarbeitenden künftig überhaupt noch? Macht die Digitalisierung einen Bankschalter nicht unnötig? Ich bin überzeugt, dass wir in Zukunft beides brauchen: schnell verfügbare, einfache digitale Angebote und Menschen in der Beratung, die vernetzt denken und auf die Kundschaft eingehen können. Die Schwyzer Kantonalbank hat bereits innovative digitale Beratungsunterstützungen, wir möchten mit den neusten Technologien mithalten.

Wichtig ist aber, dass wir im Wandel der Zeit alle Alterssegmente ansprechen. Besonders bei uns in Einsiedeln wird der Schalter nach wie vor sehr rege benutzt. Auch wenn es beim Banking um Zahlen geht, ist dies oft auch mit sehr vielen Emotionen verbunden, welche in einem persönlichen Gespräch viel stärker berücksichtigt werden können. Vertrauen ist im Bankgeschäft ein entscheidendes Kriterium, und das können wir nur als Menschen aufbauen.

Doch genau dieses Vertrauen hat in den letzten Wochen arg gelitten. Was ist der Unterschied zwischen dem Paradeplatz und Einsiedeln? Wir haben keinen Sprüngli, dafür die Bäckerei Schefer und den Goldapfel! (lacht) Anders gefragt: Trifft die CS-Krise auch Sie? Natürlich berührt mich das. Wenn ich nur schon daran denke, mit welchen Unsicherheiten die Mitarbeitenden der CS jetzt umgehen müssen. Ausserdem kann es schon sein, dass das Image unseres Berufsstandes leidet. In meinem Alltag merke ich aber, dass unsere Kunden sehr gut differenzieren können. Umso wichtiger ist es, dass wir hier vor Ort präsent sind. Heisst das, dass die Kantonalbank von der Krise bei den Grossbanken profitieren konnte?

Das ist schwierig zu beantworten. Das Vertrauen, das unsere Kunden in unsere Bank haben, kann man sich ja nicht innert weniger Tage mit einem Fingerschnippen herzaubern. Dieses Vertrauen baut man sich während Jahren auf.

Was halten Sie von der Boni-Kultur in der Bankenbranche?

In einem liberalen Markt sollen die Unternehmen ihre Vergütungssysteme selber definieren können. Wenn die Aktionäre damit nicht einverstanden sind, können sie das in die richtigen Bahnen lenken. Der Besitzer der Schwyzer Kantonalbank ist der Kanton. Und da kann man wirklich davon ausgehen, dass unser Vergütungssystem die richtigen Anreize setzt. Derzeit wird der Ruf laut, die Boni gleich ganz abzuschaffen. Wäre das eine gute Idee? So einfach ist dies nicht zu beantworten, jede Firma kennt doch irgendeine Art, ihre Mitarbeitenden am Erfolg zu beteiligen, wenn das Geschäft gut läuft. Aber es stimmt, ein solches System kann auch auf die andere Seite kippen, wenn es extrem ausgestaltet ist. Wenn jeder nur noch für seinen eigenen Erfolg schaut, kann das ein Team kaputtmachen. In einer solchen Kultur wäre ich am falschen Ort, ich bin keine Einzelkämpferin.

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