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Die (fast) unglaubliche Geschichte eines Hauses

Die (fast) unglaubliche Geschichte eines Hauses Die (fast) unglaubliche Geschichte eines Hauses

«Die Geschichte eines Hauses ist die Geschichte seiner Bewohner, die Geschichte seiner Bewohner ist die Geschichte der Zeit (…)» (Wilhelm Raabe). Ein Rückblick aus Anlass des Abbruchs des «Einsiedlerhofs».

Das Kloster benötigte für die Ausübung seiner Herrschaftsrechte bis 1798 eine Stiftskanzlei. Dieser stand ein Kanzler vor, ein besoldeter weltlicher Beamter, der erstmals 1495 Erwähnung fand. Er galt als die rechte Hand des Fürstabtes und nahm auch repräsentative Funktionen wahr.

Ein unbeliebter Kanzler und ein «Gspänst» Im Juli 1748 liess das Kloster auf der damaligen «Furren» neben dem Gasthaus zu den «Drei Königen » einen Bauplatz abstecken, um für den damaligen Schwyzer Kanzler Karl Dominik Jütz (1697– 1767, Amtsjahre 1733–1755) ein neues stattliches Kanzlerhaus zu erstellen. Der dominante, ursprünglich zweigeschossige Bau mit einem hohen und für Einsiedeln ungewöhnlichen Mansarddach erhielt bereits vor seiner Fertigstellung die Bezeichnung «des Kanzlers neuer Palast».

Jütz bezog es erst am 4. Dezember 1750 und war nicht zufrieden. Er beklagte sich über die nach wie vor bestehende Feuchtigkeit, die der Gesundheit seiner Kinder schade. Später erklärte er, dass es im Haus auch spuke und «Gspänst und Ungeheuer» dort umgehen; auch seine Ehefrau verbreitete diese Gerüchte. 1755 demissionierte er, um das Landesstatthalteramt im Alten Land Schwyz annehmen zu können.

Jütz war ein im Konvent nicht beliebter Kanzler, weil er sich in Angelegenheiten eingemischt habe, die nicht in seinen Kompetenzbereich gehört hätten, so der damalige Stiftsstatthalter Pater Michael Schlageter in seinem Diarium.

Ein verlumpter Kanzler

Die Nachfolge von Jütz als Kanzler trat 1755 der Schwyzer Thomas Anton Fassbind (1717–1780) an. Diesem wurde attestiert, bislang nur eine rein militärische Karriere hinter sich gebracht und keinerlei Erfahrungen im Bereich der Schriftführung und Herrschaftsverwaltung zu haben. Nichtsdestotrotz wurde ihm aber eine zufriedenstellen Amtsführung im Kanzlerhaus attestiert. Als gleichzeitig tätiger Soldunternehmer und Kaufmann verschuldete sich Fassbind jedoch, verlumpte und floh 1763 vor seinen Gläubigern ins Rheintal, nach Tirol und bis nach Venedig. Ein gefangengenommener Kanzler und Poltergeister Von 1763 bis 1773 übte der Schwyzer Felix Ludwig Weber (1713–1773) das Kanzleramt aus. Seine Amtszeit fällt in die Zeit des sogenannten «Einsiedler Handels», einer Revolte zwischen Einsiedlern und dem Fürstabt, bei der eine von ihm als Kanzler aufgesetzte Schutzschrift für letzteren eine umstrittene Rolle spiel-te. Der Kanzler wurde in Schwyz in Gefangenschaft gesetzt, kam aber bald wieder frei, nachdem der politische Wind in Schwyz gekehrt hatte.

Ab März 1772 machten sich im Kanzlerhaus Kratzgeräusche und sonstiges Getöse bemerkbar. Die elfjährige Tochter des Kanzlers, Carolina, berichtete von einem Geist, der ihr abwechslungsweise als Hund, Katze oder Mensch begegnete. Das Mädchen wurde dabei zerkratzt und zeigte Bisswunden. Es wurden Exorzisten auf den Platz gerufen und die Ereignisse führten im Dorf zu allgemeiner Angst und Verunsicherung. Ein beigezogener Geistlicher vermochte den Geist schliesslich als Poltergeist zu entlarven, dem mit offener Verachtung oder gar Aggression zu begegnen sei. Das zeitigte Erfolg, denn danach kam es nur noch zu einzelnen Vorkommnissen, bis sie nach und nach bis Juni 1773 ganz ausblieben. Einsiedler Lückenfüller und letzter Willensvollstrecker Nach dem Tod von Kanzler Weber hielten zunächst «keine gefällige Subjecta» um die verwaiste Stelle an. Zwischen 1773 und 1776 überbrückte der Einsiedler Augustin Gyr die Vakanz. Warum er nicht zum Kanzler erwählt wurde, bleibt unklar.

1776 übernahm ein Sohn von alt Kanzler Karl Dominik Jütz, nämlich Joseph Anton Jütz (1743– 1795), Schwyz, das Kanzleramt. Er arbeitete zu allgemeiner Zufriedenheit bis zu seinem Tod im Jahr 1795. Die Nachfolge trat seiner Bruder Karl Dominik Jütz (1751– 1808) an, der zuvor dreimal in Schwyz Landammann gewesen war. Der Einfall der Franzosen in die Schweiz bereitete seinem Amt jedoch ein frühes Ende. Im Kanzlerhaus mussten Vorbereitungen für die Flucht des Konvents getroffen worden sein. Mit dem Einmarsch der Franzosen in Einsiedeln am 3. Mai 1798 kam dann das Ende der fürstäbtlichen Kanzlei. Besatzer, Befreier, Chirurgen und Schülerinnen Das Kanzlerhaus blieb in der Folge weitgehend leer beziehungsweise dürfte abwechslungsweise zunächst von den Franzosen, danach von Österreichern, die im Juni 1799 Einsiedeln befreiten, in Beschlag genommen worden sein. Um diese Zeit hatte sich zeitweise offenbar auch der Klosterarzt Nikolaus Meinrad Benedikt Bodenmüller (1760–1846) aufgehalten.

Mit der französischen Invasion hatte die weltliche Herrschaft des Klosters aufgehört. 1808 verkaufte das Kloster das ehemalige Kanzlerhaus daher an Dr. Josef Anton Fuchs (1787–1866) vom «Storchen». Von 1812 bis 1862 amtete dieser als Klosterarzt. Während seiner Zeit beherbergte das Haus von 1836 bis 1844 die erste Mädchenschule, die von zwei Schwestern aus Rappoltsweiler im Oberelsass geführt wurde. Schreiner, Ratsherr, Wirt, Lederhändler und Schausteller 1861 verkaufte Dr. Josef Anton Fuchs das alte Kanzlerhaus an Bezirksammann Anton Reichlin von Schwyz. Dieser wiederum veräusserte es 1862 an Ratsherr Sales Fuchs (1814–1871), Einsiedeln. Fuchs war ein geschickter Schreinermeister und ein «einsichtiger und energischer Beamter », der 1857 bis 1861 bereits den Bau des neuen Spitals (später Kinderheim, Dorfzentrum) wesentlich mitgeprägt hatte.

1862 präsentierte im Haus ein B. J. Frölich sein «Optisches Cabinet ». 1864/65 tätigte er eine Aufstockung des von ihm erworbenen Kanzlerhauses um ein Geschoss und ersetzte das bisherige Mansarddach mit einem flachen Satteldach. Auf dem Dachaltan prangte 1865 in der Folge erstmals die Aufschrift «Einsiedlerhof » für das neu betriebene Gasthaus.

Der «Einsiedlerhof» beherbergte nun aber nicht nur Pilger und Wallfahrer, sondern es wurden auch Zimmer an Gewerbetreibende vermietet, so zum Beispiel von 1864 bis 1870 an den Lederhändler J. J. Burghardt. Nach dem Tod von Sales Fuchs wurde der Gastwirtschaftsbetrieb aufgegeben und 1873 erfolgte ein Ausverkauf des sämtlichen Inventars.

Ein «Schlossherr» Von den Erben des Sales Fuchs und vom Kloster konnte Nikolaus Benziger (1830–1908), seit 1860 Teilhaber der katholischen Verlagsanstalt der «Gebr. Karl und Nikolaus Benziger», den «Einsiedlerhof» 1873 mitsamt Umschwung kaufen. Als Unternehmer mit zeitweise 900 Angestellten, amtierender Regierungsrat (1872–1874), späterer Nationalrat (1883–1905) und Ständerat (1905–1908) baute er den «Einsiedlerhof» für sich, seine Kinder und seine zahlreichen Gäste zu einem repräsentativen Wohnhaus um. 1877 folgte ein tiefer gelegener, zweigeschossiger Ausbau im Westen, an den ein grosser, reich gestalteter Garten anschloss. Das nun vornehm wirkende Gebäude wurde in der Folge auch «das Schloss» genannt.

Der Schweizerische Buchdruckerverein wie auch der Schweizer Pius-Verein, die katholische Spitzenorganisation, hielten 1878 und 1885 ihre Sitzungen und Verhandlungen im Gebäude ab. 1893 wurde zusammen mit auf Besuch weilender Herren der Amerikanerhäuser von Benziger zu Ehren des amerikanischen Nationalfeiertages im Garten «venetianische Nächte» mit Lampions, Feuergarben und Raketen gefeiert.

Die Ehefrau von Nikolaus Benziger, Meinrada Benziger-Benziger (1835–1908), war ihrerseits von 1882 bis 1908 eine engagierte Präsidentin des mildtätigen Frau-en und Töchtervereins.

Ein streitbarer Geist, eine Damenpension … Nach dem Ableben seines Vaters übernahm Sohn Charles Benziger (1860–1941) den «Einsiedlerhof ». Er war seit 1887 Chef des technischen Büros im Einsiedler Stammhaus von Benziger. Leutselige und heitere Umgangsformen seien ihm im Verkehr mit seinen Untergebenen abgegangen, las man in seinem Nekrolog.

Unglücklich und prägend war denn auch seine Rolle im Buchdrucker- Streik in Einsiedeln 1899/1900, der schweizweit für Aufsehen gesorgt hatte. Unstimmigkeiten auch mit seinen Geschäftspartnern führten 1911 schliesslich zu seinem Austritt aus der Firma und dem Verkauf seiner Firmenaktien. 1912 wanderte er mit seiner Ehefrau Mina Benziger-Gottfried (1859–1947) und seinen Kindern nach Mexiko aus. «Die Firma Benziger in Mexiko », titelte der Einsiedler Anzeiger am 26. Juli 1911: Die Kinder Otto und Franziska hatten in Mexiko- Stadt bereits die Gründung einer neuen Marianischen Buchhandlung in die Wege geleitet.

Während der Ortsabwesenheit, welche weitgehend in die Zeit des Ersten Weltkriegs fiel, wurde dem «Marienheim», das damals unter der Leitung des Schweizerischen Katholischen Mädchenschutzvereins stand, gestattet, auf zwei Etagen eine Damenpension mit zwölf Betten einzurichten und zu führen. Sohn Nico Benziger (1885–1963) kehrte bereits 1913 nach Einsiedeln zurück und bezog bis 1922 wieder eine Wohnung im «Einsiedlerhof ». Charles und Mina Benziger-Gottfried und der jüngste Sohn, Gottfried (1898–1971), kehrten 1923 nach Einsiedeln zurück.

Verschiedene Räumlichkeiten im «Einsiedlerhof» blieben vermietet. 1921 gibt Gärtner A. Lay das Haus als Zustelladresse an, 1924 logierte auch eine Frau Steinauer darin, bis zu ihrem Tod 1928 Louise Liebich-Bünzli, der Kirchenmaler und Vergolder Hermann Liebich sowie Witwe Armida Rickenbach- Vernasconi. Die Vermietung der Zimmer und Wohnungen im «Einsiedlerhof» verlief rege, teils offenbar aber auch schleppend, wie zahlreiche und wiederholte Inserataufgaben im Einsiedler Anzeiger in den 1930er-Jahren belegen.

Eine Hühnerzucht

1928 begann Sohn Gottfried mit dem Aufbau einer Hühnerzucht im Garten des «Einsiedlerhofs». 1929 soll er bereits zirka 1000 Stück Federvieh gehalten haben und ab 1932 warb er regelmässig unter seiner Firma «Benziger’s Leghorn Farm» für den Verkauf von Trinkeiern und Brathähnchen. Kriegswirtschaftliche Massnahmen in Bezug auf den Eierverkauf bewegten ihn 1943 schliesslich zur Aufgabe des Betriebes. Er zog nach Brunnen und errichtete dort eine neue Geflügelfarm; das Hühnerhaus im «Einsiedlerhof» verkaufte er auf Abbruch.

Im Zuge der Begradigung der Eisenbahnstrasse für die schweren Etzelwerk-Transporte erfolgte 1934 ein erstes Fällen von Bäumen im «Einsiedlerhof»-Areal gegen das Haus «Halde» hin, 1942 fiel dann das ganze Wäldchen. Die Stiftung Jugendkirche, ein Redaktor, ein Arbeitersekretär Schon seit 1906 trug man sich mit dem Gedanken des Baus einer Jugendkirche in Einsiedeln. Bis Mitte der 1930er-Jahre konnte ein Baufonds von über 500’000 Franken geäufnet werden und 1939 nahm die Umsetzung des Projekts ihren Anfang. Die Standortfrage blieb – auch kriegsbedingt – bis 1942 jedoch offen.

Mit Charles Benziger konnte bis zu seinem Tode 1941 keine Einigung bezüglich eines Stand-orts auf dem «Einsiedlerhof»-Areal gefunden werden. Seine Witwe und die Kinder zeigten sich offener und verkauften das gesamte «Einsiedlerhof»-Areal im Juli 1942 an die neu gegründete Jugendkirchenstiftung. 1946 konnte mit dem Bau begonnen und die Jugendkirche 1949 eingeweiht werden. Sehr früh wurde aber darauf hingewiesen, dass der «Einsiedlerhof » für die Jugendkirche eine Belastung darstelle und wurde der Bezirksrat wiederholt für einen Kauf angefragt. Dieser lehnte jedes Mal ab, weil er keine Bedürfnisse habe.

1947 verstarb Mina Benziger-Gottfried. Mit ihr zog die letzte Hausherrin aus dem «Einsiedlerhof » aus. Das Gebäude war während der ganzen Zeit weiterhin genutzt. 1941 hatte Dr. Josef Fraefel sein Advokaturbureau in diesem eingerichtet und betrieb hier 1946 sogar sein Büro als Redaktor des Einsiedler Anzeigers. Im Hause wohnten unter anderem auch noch Berta Fraefel-Jetzer, Bankverwalter Cyrill und Anna Kälin-Blunschy, Arbeitersekretär Fritz Husi, Witwer Mathias Birch-ler Zehnder oder auch die Familie vom «Schäfle»-Coiffeur und Sänger Willy Heckmann.

Schwestern auf Erholung, Pilger und Pensionäre Am 31. März 1950 fand die Stiftung Jugendkirche mit dem Kranken- und Wochenpflegeverein Zug der Schwestern-Genossenschaft Liebfrauenhof schliesslich einen Käufer für den «Einsiedlerhof» beziehungsweise die vom Areal abparzellierte Fläche von zirka 4000 Quadratmetern. «Es wird dort eine Pflegestation und nachträglich voraussichtlich ein Heim errichtet werden», hiess es am 11. April 1950 im Einsiedler Anzeiger. Unter der Pflege der Schwestern vom Liebfrauenhof fanden, nach vorgenommenen Restaurationsarbeiten, ab 1952 ältere Leute Aufnahme und Pilger eine Herberge.

Zwei Jahre später wurde im ehemaligen Turnkeller des «Einsiedlerhofs » eine Jugendherberge eingerichtet. 1959 wurde für das Erholungsheim mit grossem Schlafsaal, schönen Zimmern mit fliessendem Wasser, guter Küche für Feriengäste und Pilger sowie auch Dauerpensionären geworben. Zu letzteren gehörten je länger je mehr hauptsächlich ältere Ehepaare und insbesondere Witwen.

1959/60 erfolgte eine umfassende Aussenrenovation des «Einsiedlerhofs » mit Anbau von grossen Terrassen auf der Südseite und einem neuen Treppenhaus sowie einem Lift auf der Nordseite. Bezirk Einsiedeln, Patienten und Behinderte Wenn man sich vor Augen hält, dass sich 1973 im «Einsiedlerhof » vom ersten bis zum dritten Stock 33 Zimmer mit fliessendem Wasser und total 45 Betten befanden und im vierten Stock auch noch zehn Zimmer vorhanden waren, erstaunt es nicht, dass eine Auslastung schwierig war. Im April 1973 war noch von sechs im «Einsiedlerhof » ansässigen Dauermietern die Rede.

Dies, und nachdem im Bezirk Einsiedeln bereits 1969 von einem akut werdenden Problem eines Altersheimes und einem entsprechendem Landinteresse die Rede war, bewog die Schwestern 1972 zu einem Verkauf der Liegenschaft.

1970 entsprach es übrigens allgemeiner Erkenntnis, dass die seinerzeitige Interesselosigkeit des Bezirks am Kauf des «Einsiedlerhofs » ein «Kapitalfehler» war. Bereits 1960 war das Grundstück für den Standort eines neuen Postgebäudes oder – man staune – eines «schönen, städtebaulich in den Platz sich einordnendes Rathauses» im Gespräch. Aufgrund der Verkaufsabsichten der Schwestern begannen 1972 auch die Diskussionen um die künftige Nutzung des «Einsiedlerhofs ». Da das Gesellenhaus im selben Jahr schliessen musste, wurde der Einbau eines Saales geprüft, die Erstellung eines Hallenbades, aber «Auch für die ‹Aktion Pfarreiheim› gäbe es bestimmt noch Platz genug.» An der Bezirksgemeinde vom 27. April 1973 wurde der Kauf der Liegenschaft «mit grosser Mehrheit» an die Urnenabstimmung vom 20. Mai 1973 überwiesen. Das Gebäude sollte im bisherigen Rahmen als Altersheim weitergeführt werden, und gleichzeitig die Idee geäussert, an Stelle der Jugendherberge im zweiten Stock neu einen Kindergarten einzurichten. Die weitgehende Zerstörung des Krankenhauses durch einen Brand am 9. Mai 1973 war in der Folge entscheidend für die Abstimmung, denn man konnte nun auf die im «Einsiedlerhof» zur Verfügung stehenden Pflegeplätze schlecht verzichten. Das Volk stimmte dem Kauf am 20. Mai 1973 mit über 87 Prozent Ja zu.

Der Bezirksrat erwog in der Folge die Errichtung eines «Spitalprovisoriums » auf der Liegenschaft mit Varielbauten und Einbezug des «Einsiedlerhofs» für die Spitalversorgung, als Personalunterkunft und Pflegeheim. Bereits am 22. Juli 1973 fasste die Bezirksgemeinde an der Urne mit klarem Mehr den notwendigen Baubeschluss und am 27. September des gleichen Jahres konnte das Notspital auf dem «Einsiedlerhof »-Areal bezogen werden. Es bot Platz für 40 bis 50 Patienten und 10 Säuglinge. Erst am 2. April 1979 konnte dieses dann in das neu erbaute Regionalspital gezügelt werden. Die bisherigen Varielbauten wurden der Stiftung «Invalidenwerkstatt Schwyz» zwecks Angliederung eines Wohnheims an die Invalidenwerkstatt vermietet. Dieses Wohnheim war dann vom 1. Juni 1979 bis 2007 in Betrieb.

Schauspieler, Willerzeller Schüler und Berufsberater Mit der Inbetriebnahme des neuen Regionalspitals stand der «Einsiedlerhof » dem Bezirk wieder für andere Zwecke zur Verfügung.

Offenbar zeigte das Notariat Interesse an Räumlichkeiten und der Bezirksrat unterbreitete den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern am 30. November 1980 ein Kreditbegehren für den Umbau des Erdgeschosses im «Einsiedlerhof» für das Notariat. Die Vorlage erlitt aber deutlich Schiffbruch.

Der Welttheatergesellschaft wurde der «Einsiedlerhof», soweit dieser nicht anderweitig belegt war, zur Benützung als Garderobe während der Spielperiode 1981 erstmals zur Verfügung gestellt. Auch das Nähatelier mit der Kostümbildnerin hatte sich im Haus eingerichtet. Aufgrund des Schulhausumbaus in Willerzell wurden im «Einsiedlerhof» vorübergehend auch die Willerzeller Schüler untergebracht und unterrichtet.

Am 1. März 1982 eröffnete im «Einsiedlerhof» die kantonale Berufsberatung ihre Regionalstelle unter der Leitung von Berufsberater Hans Iten. Sie blieb bis Ende 2022. Flüchtlinge, Schulverwalter, Militär und Kindergärtler Am 28. November 1982 erlitt ein weiterer Planungskredit für den Neubau des «Einsiedlerhofs» eine Abfuhr an der Urne. Vorgesehen gewesen wären neue Räumlichkeiten für die Bezirksverwaltung, ein Behindertenwohnheim, die Wohnung für einen Abwart sowie eine öffentliche Zivilschutzanlage.

Aufgrund der herrschenden Wohnungsnot erklärte sich der Bezirksrat 1983 bereit, für die seit 1980 in Einsiedeln weilende vietnamesische Flüchtlingsfamilie Phan im «Einsiedlerhof» eine Wohnmöglichkeit zu schaffen.

1984 wurden die Schulen Einsiedeln neu organisiert. Der neu gewählte Schulverwalter Josef Fanchini trat sein Amt am 1. August 1984 an. Ab dem Schuljahr 1985/86 waren Schulverwaltung, Schulsekretariat und Lehrmittelverwaltung im «Einsiedlerhof » untergebracht. Seit 1989 wurde im Haus auch eine Kindergartenabteilung geführt. Bis 1996 nahm überdies der Logopädische Dienst des Kantons Schwyz seinen Dienst im «Einsiedlerhof» auf. Das Militär nutzte 1989 und 1990 seinerseits Räumlichkeiten im Haus.

Schützen, Asylbewerber und Logopäden 1992 reichte Hansruedi Humm zwei Initativbegehren für einen Neubau der Liegenschaft «Einsiedlerhof » ein: das erste sah eine gemischte Nutzung für Schulverwaltung, Bezirksbibliothek, Bezirksarchiv und Pfarreizentrum beider Konfessionen vor; das zweite verlangte die Erstellung eines Hallenschwimmbades. Sowohl Bezirksrat als auch die Bezirksgemeinde lehnten beide Anliegen letztlich ab.

Im Juni 1993 zogen auch noch die Schützen vorübergehend in den «Einsiedlerhof» ein: Sie hat-ten in diesem das Rechnungsbüro des 36. Schwyzer Kantonal-Schützenfestes untergebracht.

Nach dem Auszug der BSZ aus dem ehemaligen Notspital nutzte der Bezirk dieses ab August 1999 neu als Asylbewerberunterkunft. 2007 waren in dieser noch 15 Asylsuchende untergebracht. Die Gebäulichkeiten wiesen aber erhebliche Schäden auf und das Dach war undicht. Ende August 2007 wurde das ehemalige Notspital definitiv geräumt und stillgelegt.

Eine Retterin, behütete Kinder und eine Gebetsgruppe «Glück im Unglück im Einsiedlerhof » titelte der Einsiedler Anzeiger am 3. September 2002, weil eine Angestellte zufälligerweise einen Brandherd im Haus entdeckt hat-te. Manch einer hätte sich gewünscht … 2002 vermochte der Blauring das Gebäude einer zusätzlichen Nutzung zuzuführen: Während des 10-Uhr-Sonntagsgottesdienstes in der Jugendkirche bot er zwischen 2002 und 2019 regelmässig einen Kinderhütedienst «Villa Kunterbunt» im Kindergarten des «Einsiedlerhofs» an. Ab 2015 nutzte auch die kroatische Gebetsgruppe «Put Kriza-Svi za Ivana » den Raum. Die Fragen, was mit dem «Einsiedlerhof » geschehen soll, wurden nun drängender. Der Bezirksrat beschloss 2002, dass für die Liegenschaft ein Investor gefunden werden soll, dem das Areal für einen Neubau im Baurecht abgegeben werden kann. Das Vorgehen geriet ins Stocken und wurde sistiert, weil man die Grundlagen der Dorfkernplanung abwarten wollte.

Neuer Schwung kam 2007 in die Diskussion mit dem Vorschlag der Swiss Performance Resort für die Errichtung eines Vier-Sterneplus- Hotels auf dem Areal «Einsiedlerhof ». 53,6 Prozent der Stimmberechtigten stimmten der notwendigen Umzonung des Areals in die «Dorfkernzone mit spezieller Auflage I» zu. Zu einer Abstimmung über das Hotelprojekt kam es jedoch aus verschiedenen Gründen nicht.

Schulverwaltung, Logopäden, Berufsberater und Kindergärtler sowie die Welttheatergesellschaft kümmerte dies nicht weiter. Letztere nutzte für ihre Spielperiode 2007 erneut den «Einsiedlerhof» und richtete im Untergeschoss die Abendmaske ein.

Autor und Illustrator, Schafe und Ponys Das Tempo der Ideen verschärfte sich, als der Bezirksrat 2011 bekannt gab, die Liegenschaft nicht mehr verkaufen, sondern nur noch im Baurecht abgeben, jedoch an einer Hotelnutzung festhalten zu wollen.

Eine Initiantengruppe um Richard Schönbächler sah in einer gemischten Nutzung des Areals die Lösung. Am 6. Dezember 2012 reichte sie eine entsprechende Initiative ein. Bruno Frick und Mitunterzeichner konterten am 28. März 2013 mit einer Initiative, welche auf der Liegenschaft altersgerechte Wohnungen, ein Hallenbad und ein Pfarreizentrum vorsah. Der Bezirksrat lehnte beide Initiativen ab und für sein eigenes Hotel-Projekt formierte sich auch noch ein «Pro-Komitee».

Trotz des Widerstands von Richard Schönbächler gelangte am 9. Februar 2014 zunächst nur seine Initiative zur Abstimmung. Sie scheiterte knapp mit 51,1 Prozent Nein gegen 48,9 Prozent Ja. Nicht besser erging es in der Folge der Initiative Frick, welche in der Abstimmung vom 18. Mai 2014 trotz massiver Propaganda und resolutem Kampf mit bloss 27,7 Prozent Zustimmung absackte.

Ruhiger nahm es wiederum die Welttheatergesellschaft, welche den «Einsiedlerhof» und so-gar Teile des ehemaligen Notspitals bereits für ihre dritte Spielperiode 2013 als Requisitenlager und Garderobe nutzte. Gleichzeitig liess man auf dem Areal fried-lich Schafe und Ponys weiden; auf der Westseite konnte man angelegte Gemüsegärten bewundern.

Nicht aus dem Konzept brin-gen liessen sich auch Autor Paul Jud und Illustrator Toni Ochsner, welche 2014 im ehemaligen Notspital die Vernissage ihres neues Werkes feierten.

Musikschulleiter und Iron-Biker Im Herbst 2014 kam es bei den Schulen zu Veränderungen: Neu hatte sich der Musikschulleiter im «Einsiedlerhof» eingerichtet und war die Schulverwaltung ins Alte Schulhaus gezügelt. 2018 befanden sich im Haus die Lehrmittelverwaltung, der ICT-Support der Schulen und die Musikschule sowie der Kindergarten. Weil die räumliche Situation für den kantonalen schulpsychologischen Beratungsdienst im «Einsiedlerhof» nicht mehr als zumutbar erachtet wurde, zog dieser 2019 aus.

Für den Bezirksrat war der Weg damals politisch frei für sein Hotelprojekt. Das Drei-Sterne-plus-Hotel der Generalunternehmung Eberli Entwicklungen AG/Losinger Marazzi AG scheiterte an der Abstimmung am 28. Februar 2016 jedoch spektakulär: 78,2 Prozent lehnten den Baurechtsvertrag ab. Im Oktober 2018 erfolgte nach abgeschlossener Asbestsanierung der Abbruch des Notspitals. Zuvor konnte aber noch das Iron-Bike-Rennen der Kinder durch das Areal geführt werden. Danach wurde es vom Bezirk umzäunt und nach Bedarf als Parkplatz genutzt. Im Dezember 2020 präsentierte der Bezirksrat das Siegerprojekt «Trias» von Investor Halter AG und pool Architekten. Das Projekt sah drei Gebäude vor, nämlich ein Verwaltungszentrum, ein Wohn- und Geschäftshaus sowie ein Pfarreiheim; verbunden wurden diese mit einer gemeinsamen Tiefgarage, die gegen 80 neue, öffentliche Abstellplätze beinhaltete. Die Stimmbevölkerung hiess diese Sachvorlage am 27. November 2021 bei einer Stimmbeteiligung von gut 70 Prozent mit 5062 Ja gegen 2763 Nein überraschend deutlich gut.

Kleine Künstler und Flohmarktbesucher

Aufgrund des bevorstehenden Baubewilligungsverfahrens räumte der Bezirk die von ihm benutzten Räumlichkeiten in der ersten Jahreshälfte 2022 und zügelte ins Alte Schulhaus und an die Nordstrasse. Bevor die Kindergärtler aber gingen, verwandelten sie das ehemals ehrwürdige Kanzlerhaus im Juli 2022 noch in ein Farben- Paradies und eine eigentliche Kunstausstellung.

Während der Chilbitage war auch noch ein Flohmarkt zu Gast. Die Einsiedler Feuerwehr nutzte die Liegenschaft im November 2022 noch ein letztes Mal zu Übungszwecken. Mindestens drei Mal hatte der «Einsiedlerhof» davor schon «in Flammen» gestanden. Ende Dezember 2022 zog der letzte Mieter aus: sinnigerweise der Kanton mit seinem «BIZ Einsiedeln», der Berufs-, Studienund Laufbahnberatung.

Abbruch Anfang Juni 2023 Im Verlaufe des Sommers 2023 werden «Einsiedlerhof» sowie «Kanzlerhaus» nach 275 Jahren turbulenter und lebendiger Geschichte abgebrochen. Das neue Verwaltungszentrum wird dann definitiv auch kein «Geisterhaus» mehr sein.

Eine ausführlichere Fassung mit Quellenverzeichnis erscheint in den Mitteilungen des Historischen Vereins des Kantons Schwyz im Herbst 2023

Einsiedlerhof.


1870: Werbekarte von Sales Fuchs für sein Hotel des Ermites, beziehungsweise

1900: Das Schloss von National- und Ständerat Nikolaus Benziger mit Anbau und schöner Gartenanlage. Dahinter das Alte Schulhaus.

1930: Das Areal Einsiedlerhof, links mit noch alter Strassenführung und im Garten die Hühnerzucht von Gottfried Benziger.

1970: Der Einsiedlerhof als Erholungsheim und nach dem Anbau der Terrassen südseits und dem Treppenhaus nordseits.

2017: Das Areal Einsiedlerhof mit dem ehemaligen Notspital, das nach dessen Aufgabe vielfältig genutzt wurde. Fotos: zvg

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