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«Auch als Schweizermeisterin ging ich am nächsten Tag normal arbeiten»

«Auch als Schweizermeisterin ging ich am nächsten Tag normal arbeiten» «Auch als Schweizermeisterin ging ich am nächsten Tag normal arbeiten»

Am Zürich-Marathon erlief die Einsiedler Läuferin Samira Schnüriger den Schweizermeister-Titel im Marathon mit einer Zeit von 2 Stunden 41 Minuten und 40 Sekunden. Der Einsiedler Anzeiger traf sich mit ihr zum Gespräch.

In diesem Jahr waren Sie am Zürich-Marathon die schnellste Schweizerin und damit Schweizermeisterin im Marathon. Dies ist nicht Ihr erster Titel. Welche Titel haben Sie schon gewonnen?

Im Jahr 2015 war ich bereits Schweizermeisterin im Halbmarathon und Marathon in der Kategorie U23. Vergangenes Jahr war ich Vize-Schweizermeisterin beim Halbmarathon und Marathon.

Welche Ambitionen im Lauf-sport hegen Sie noch für die Zukunft? Ein Ziel von mir ist es, an den Europameisterschaften teilzunehmen.

Wie sieht es mit einer Profikarriere aus?

Der Weg zum Laufprofi ist in der Schweiz schwierig. Ich weiss auch nicht, ob ich der Typ Mensch bin, um nur auf die Karte Sport zu setzen. Gerne arbeite ich und benutze dabei meinen «Kopf». Mein Laborberuf als Gesundheitswissenschaftlerin gefällt mir und ich will dies nicht missen. Aktuell arbeite ich 80 Prozent, werde aber ab nächsten Monat auf 60 Prozent reduzieren.

Die Laufsaison 2023 ist ja noch jung. Wie trainieren Sie im Winter? Gibt es eine alternative Sportart? Im Winter trainiere ich gleich wie im Sommer. Ich achte einfach auf schneefreie Wege. Während der Woche wohne ich in Dietikon und dort ist es mit dem Schnee nicht so schlimm. Zu Hause in Einsiedeln war der vergangene Winter auch nicht so schneeintensiv und Lauftrainings fast immer möglich. Wie sieht Ihr Training im Frühling auf den Beginn der Saison aus? Das Training für einen Marathon starte ich rund zwölf Wochen vor dem Wettkampf. Da laufe ich alle zwei Wochen einen «Longrun », die sind zwischen 32 und 39 Kilometer lang.

Bei einer so langen Vorbereitungszeit ergeben das aber nicht viele Läufe. Wie viele Marathons laufen Sie pro Jahr? Ich laufe jeweils einen Marathon im Frühling und einen im Winter. Das ist das normale Pensum eines Läufers/einer Läuferin. Welche Läufe sind in diesem Jahr noch geplant? Nach dem Zürich Marathon werde ich höchstwahrscheinlich noch den Marathon in Valencia (Spanien) laufen. Im Moment konzentriere ich mich auf 10-Kilometer- und Halbmarathonläufe, erst später bereite ich mich auf den Marathon in Valencia vor. Wie sieht Ihr Trainingsplan aus?

Montags trainiere ich oft 15 bis 20 Kilometer alleine. Diese laufe ich in der Region Einsiedeln, meistens irgendwo rund um den Sihlsee. Am Dienstag steht dann ein Dauerlauf von rund 60 bis 90 Minuten auf dem Programm. Da kommen zwischen 12 und 17 Kilometer zusammen. Am Mittwoch trainiere ich mit meinem Club, dem Leichtathletik Club LC Regensdorf, auf der Rennbahn. Je nachdem mit meinen Clubkameraden oder aber auch alleine in einem Sondertraining. Am Donnerstag und Freitag absolviere ich Dauerläufe. Am Samstag steht ein Intervalltraining mit meinem Club an. Einen Dauerlauf mache ich noch am Sonntag.

Wie sieht die Vorbereitung in der Woche vor einem Marathon aus? Da trainiere ich nur einige Tage vor dem Rennen einen «Wettkampfpace ». Dies bedeutet, ich renne sechs Kilometer mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 3 Minuten und 45 Sekunden pro Kilometer. Am Vorabend gönne ich mir normalerweise eine Pizza, um meine Energiereserven zu füllen. In Zürich beispielsweise hatten wir tags zuvor noch ein abendliches Athleten-Briefing. Danach wurde ein Essen offeriert. Leider war da aber keine Pizza darunter.

Wie läuft ein Rennen ab?

Die Läufer werden nach ihren Laufzeiten eingeteilt. Mein «Pacemaker» (Schrittmacher) und ich durften dank meinen erlaufenen Zeiten ganz vorne star-ten. In Zürich war es für mich wichtig, einen solchen dabei zu haben. Hätte ich keinen «Pacemaker

hätte ich grösstenteils alleine laufen müssen. Welchen Gedanken gehen Sie beim Laufen nach? (lacht) Mit einem «Pacemaker» denke ich eigentlich nichts! Er übernimmt für mich die Kopfarbeit. Er schaut, dass ich mein Tempo einhalte und die Verpflegungsposten ansteuere. Dort darf ich jeweils meine Getränke und Gels hinterlegen. Wenn es einfach nicht mehr geht … Über welche Techniken verfügen Sie, damit Sie doch weiterlaufen? Ich versuche mich abzulenken. Einfach ein kleines Ziel setzen und dann weiterschauen. So laufe ich von Kilometer zu Kilometer. Mit diesem Trick versuche ich, mit meinem Kopf den müden beziehungsweise schmerzenden Körper zu überlisten. Oft können die Läuferinnen und Läufer nach dem Zieleinlauf nicht mehr richtig gehen. Was ist da passiert? Sobald wir durch das Ziel kommen, gehen wir vom Laufen in das Gehen. Dies aktiviert andere Muskeln und darum sieht das am Anfang etwas «komisch» aus. Dies legt sich aber schnell und nach einem kurzen «Anlaufen » können wir wieder normal «gehen». Wie sah Ihr Programm aus nach dem Gewinn des Schweizermeistertitels?

Zum Glück erhielt ich ein Tüchlein und konnte mein Gesicht reinigen. Dann starteten die verschiedenen Interviews mit der Presse. Kaum waren die durch, ging es in den Sponsorentruck. Erst dann traf ich meine Kolleginnen und konnte mich umziehen für die Rangverkündigung. Am Abend bemerkte ich, dass ich noch irgendetwas es-sen muss. Mein Freund kaufte mir als Belohnung einen Donut für den Heimweg. Abends gab es dann aber noch ein «normales» Essen. Wie haben Sie sich nach dem Zürich-Marathon erholt? (lacht) Auch als Schweizermeisterin ging ich am Montag ganz normal arbeiten! Ich setze aber mein Training für mindestens eine Woche aus. Ab der zweiten Woche fange ich wieder mit einem leichten Lauf-training an.

Welches ist Ihr Lieblingslauf?

Berlin! Ich finde Berlin einfach eine coole Stadt.

Und auf welchen Lauf verzichten Sie gerne?

Jeden Lauf, der mir schlecht lief, bezeichne ich als schlechten Lauf. Mit der Zeit gewinne ich dann aber die Erkenntnis, dass es nicht am Lauf lag sondern an meiner Verfassung. Ich bin schlecht gelaufen und der Lauf an sich kann nichts dafür. Wie finanzieren Sie Ihre Leidenschaft?

Die Kosten trage ich alleine. Einzig erhalte ich durch meinen Sponsor «New Balance» die notwendige Sportausrüstung. Auch auf die Unterstützung vom Sportnahrungsmittelhersteller «Sponser » kann ich zählen.

Welche Tipps geben Sie jemandem, der mit dem Laufsport beginnen möchte? Die ganze Sache langsam angehen. Zuerst kleine Strecken langsam beginnen zu laufen. Nicht gleich von Anfang an schnell und viel laufen. Dann ist die Gefahr von Verletzungen am grössten. Und dann sich mit der Zeit immer steigern, etwas schneller und etwas weiter laufen.

Und was empfehlen Sie jemandem, der schon länger läuft? Ein erfahrener Läufer kann durchaus auch meine Vorbereitung für einen Marathon absolvieren. Sein Körper ist sich an das Laufen gewöhnt. Wie sieht in Ihren Augen die ide-ale Vorbereitung eines Hobby-Läufers, der beispielsweise auch im Winter sportlich aktiv ist, auf die anstehende Saison aus? Aufgrund des Wintersports ist sich der Körper Bewegung gewohnt. Beim Laufen werden einfach andere Muskeln benutzt. Und auch hier gilt es, dem Körper Zeit zu geben und sich an die neue Situation anzupassen. Welche Aufwärmübungen empfehlen Sie vor einem Lauf? (lacht) Mein Hauptaugenmerk liegt auf dem Empfang des GPS-Signals auf meiner Sportuhr. Ich selbst mache keine Aufwärmübungen. Meine Läufe beginne ich langsam und steigere mich, ich «rolle» mich ein. Welche Übungen empfehlen Sie nach dem Laufen? Nach dem Lauf mache ich vor allem «Stabi-Sachen». Dies sind Übungen, bei welchen ich meinen Rumpf stabilisiere. Auch die-ser muss trainiert werden, nicht dass ich da «falsch» laufe und für Verletzungen anfällig werde. Gibt es auch eine «faule» Samira Schnüriger? Ja, die gibt es. Allerdings, wenn ich nicht trainiere, steht auch bei mir der Haushalt auf dem Programm. Banale Sachen wie Abfall entsorgen, Wohnung putzen und Wäsche waschen. Dennoch versuche ich an «faulen» Tagen 10 bis 20 Minuten eine kurze Strecke zu laufen. Schnell merke ich dann, ob es etwas bringt oder ich besser nur eine kurze Strecke laufe. Aber die faule Samira zeigt sich erst, wenn die Trainings gemacht sind. Welches ist Ihr grösster Traum, den Sie sich in Ihrer Sportart noch erfüllen möchten! Gerne möchte ich für die Schweiz an einem internationalen Anlass starten. Was wollten Sie schon immer mal sagen? Wenn ich am Trainieren bin, hänge ich oft Gedanken nach. Häufig grüssen mich Leute und ich bemerke das zu spät. So grüsse ich nicht zurück. Ich mache dies also nicht bewusst.

Fotos: zvg


Bei den Rennen ist Samira Schnüriger fast immer vorne anzutreffen. Dank einer Reduktion ihres Arbeitspensums auf 60 Prozent wird sie sich künftig noch besser auf die Läufe vorbereiten können.

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