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Remo Imhof haut nichts um

Remo Imhof haut nichts um Remo Imhof haut nichts um

Der Riedter im Dienste des Skiclubs Einsiedeln sprang in diesem Jahr in die Weltcupelite

Der Muotathaler Remo Imhof verblüfft die Skisprung-Welt. Aus dem Nichts sprang der 19-Jährige in die Weltelite. Hinter ihm liegt eine turbulente Kindheit. Nicht selten beschwerten sich andere Eltern über ihn.

Wer ist hier zu Hause? In der linken Zimmerecke steht ein Schlagzeug. Auf dem Schreibtisch liegen Papiere für einen Sprachaufenthalt, und auf dem Wandschrank thronen drei Kuhglocken. Musiker, Schwinger oder Student? Richtige Antwort: Ein Skispringer. Es sind die heiligen vier Wände von Remo Imhof. Im Haus seiner Eltern erholt sich der Muotathaler von den turbulenten letzten Monaten.

Innerhalb kürzester Zeit sprang der 19-Jährige von der Bedeutungslosigkeit in die Welt-elite. Superstars wie Markus Eisenbichler und Halvor Egner Granerud wurden auf ihn aufmerksam. «Ich erhielt Gratulationen und Tipps», erzählt Imhof am Esstisch. An der WM im Februar landete er auf den Rängen 41 und 44. Wenig später segelte er im Weltcup auf Platz 17. Noch Ende Januar hätte das kaum einer für möglich gehalten.

Startschuss an der Junioren-WM Imhof, der im TV bei seiner Grossmutter das Skispringen entdeckte, mühte sich im zweitklassigen Continental Cup (COC) ab. Dank eines achten Ranges an der Junioren-WM sicherte er sich das Ticket für die Elite-WM. Die Initialzündung. Wenig später jubelte er über Platz zwei im COC in Klingenthal.

«Plötzlich hat alles gepasst. Das Selbstvertrauen, das Mate-rial, die Technik, die Bedingungen. » Doch hinter seiner Leistungsexplosion steckt noch weit mehr: Unter anderem ein Gespräch, welches ein paar Jahre zurückliegt.

Herbst 2019. Imhof geht es richtig schlecht. Auf der Schanze will nichts gelingen. Daneben hadert er mit der schulischen Leistung. Der Übergang ins Gymnasium in Einsiedeln misslang. «Ich trainierte sechsmal in der Woche, gleichzeitig sollte ich mit mehr und schwierigerem Schulstoff klarkommen? Keine Chance.» Als fauler Schüler weiss er nicht einmal, wie man für eine Prüfung lernt. Ein Teamkollege bekam das Gleiche zu hören. Er schmiss hin – und Imhof? «Ich nutzte die Worte als Motivation.» Zwei Jahre später schloss er mit Einsiedeln ab. Er wechselte an die Sportschule nach Engelberg. Dort fühlt er sich bestens aufgehoben. Auch seine drei Geschwister Mauro (18), Anja (13) und Linda (12) sind Skispringer. Aber nicht nur das verbindet sie, wie Imhof verrät: «Wir sind alle sehr stur.» Keine Diskussion bei der Schlagzeug-Frage Beispiel gefällig? Als die Frage aufkommt, wann er sein Schlagzeug aufgrund des Lärms benutzen darf, lautet die Antwort: «Immer. Ich spiele dann, wann ich will.» Am liebsten musiziert er an der Fasnacht, als Tambourspieler in einer rund zwanzigköpfigen Gruppe. Das dürfte in Zukunft jedoch schwierig werden. «Wenn ich mich im Weltcup etabliere, bin ich um die Fasnachtszeit meist im Ausland.» Ein Luxusproblem.

Seine forschen Aussagen überraschen. Wirkt der 1,68 Meter kleine Imhof doch meist eher zurückhaltend. Sein schmaler Körperbau unterstützt diesen Eindruck. Teilweise überlegt er lange, sucht nach den richtigen Worten. So auch, als er nach seiner Schulzeit gefragt wird.

Der Exot auf dem Fussballplatz Zuerst erklärt Imhof stolz, dass er als einziges Kindergartenkind mit den Fünft- und Sechstklässlern in der Pause Fussball spielen durfte. Wie es dazu kam? «Einmal bin ich mitten ins Feld gestanden und habe gefragt, ob ich mitspielen darf. Das hat ihnen wohl imponiert. Zudem ging ich nicht weinend zu den Lehrern, wenn mich ein Ball getroffen hatte.» Und was geschah sonst noch auf dem Pausenplatz? Seine Stimme wird leiser. Die Situation scheint ihm unangenehm. «Ich gehörte in der Schule zu den Kleinsten», beginnt er zu erzählen. Oft wurde er auf seine Grösse reduziert. «Du kleiner Zwerg», brüllte vor allem ein Mitschüler immer und immer wieder. Mobbing? Nein, so weit will er nicht gehen.«Klar hat es geschmerzt, aber ich wusste mich zu wehren. Manchmal entgegnete ich: ‹Dafür kann ich besser Fussball spielen und bin nicht einmal im Fussballklub.›» Seine direkte Art kam nicht bei allen gut an. Auch, weil es oft nicht beim verbalen Schlagabtausch blieb.

Eltern aus anderen Klassen klingelten an seiner Haustür. «Manchmal prügelten wir uns», gibt Imhof zu. Und stellt sogleich klar: «Meistens konnte ich gewinnen. » Ab der 4. Klasse flachte der Konflikt ab. Noch heute geht er keiner Uneinigkeit aus dem Weg. «Die Fäuste brauche ich nicht mehr, mein Mundwerk ist gut genug.» Abenteuer in Paris steht bevor Dieses wird in den nächsten zwei Wochen auf die Probe gestellt. Es geht nach Paris. Sprachaufenthalt. «Mein Französisch ist sehr bescheiden.» Freiwillig macht Imhof das nicht. Es handelt sich um ein Projekt der Sportschule. Am liebsten wäre er zu Hause. Ferien im Ausland will er nicht. «Ich reise das ganze Jahr. Nach der Saison geniesse ich das schöne Muotatal.» Eine Frage bleibt: Was machen die drei Kuhglocken auf seinem Wandschrank? «Das sind Pokale vom Glockenspringen in Einsiedeln.» Mit Schwingen hat er nichts am Hut. Sein Herz schlägt fürs Eishockey. «Der EV Zug ist mein Verein.»

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