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«Wir sind nicht nur aus Spass dabei»

«Wir sind nicht nur aus Spass dabei» «Wir sind nicht nur aus Spass dabei»

Amy Baserga blickt auf die erste vollständige Biathlon-Weltcupsaison zurück

Bevor Amy Baserga mit ihrem selbst umgebauten Camping-Bus in die wohlverdienten Ferien reiste, schaute sie auf ihre BiathlonWeltcupsaison zurück.

Kurz bevor es in die wohlverdienten Ferien geht, hat Amy Baserga Zeit, auf die vergangene Weltcupsaison zurückzublicken. Einmal mehr ein Jahr, das für die Einsiedlerin nicht ohne gesundheitliche Probleme über die Bühne gegangen ist. «Wenn ich die ganze Saison so anschaue, dann kann ich sagen, dass ich mehrheitlich gute Resultate liefern konnte und zufrieden sein muss.» Die 22-Jährige hat sich immer unter den Top-30 klassiert, dies bei ihrer ersten vollständigen Weltcup-Saison. «Ausser Oslo, da habe ich es vergeigt, da schaue ich drüber hinweg. » Nach den sehr guten Resultaten im vorletzten Winter waren die Erwartungen an Amy Baserga sehr hoch. «Damals habe ich einen riesigen Sprung gemacht, im letzten Winter wurden die guten Resultate schon fast zur Selbstverständlichkeit. » Keine einfache Situation für die bis anhin erfolgsverwöhnte Baserga. Zudem ist zu bedenken, dass die Einsiedlerin mit 22 Jahren immer noch sehr jung ist, um regelmässige Spitzenplätze zu beanspruchen.

Staffel als Höhepunkt

Ohne zu zögern kommt Amy Baserga auf die gemeinsamen Rennen mit Niklas Hartweg zu reden. «Da haben wir zusammen etwas sehr Cooles erarbeitet, das war sehr emotional.» Sie spricht die Podestplätze in der Single-Mixed-Staffel an. «Das waren die ganz grossen Highlights meiner Saison.» Auf der Pokljuka im Januar lief das junge Schweizer Duo 50 Sekunden hinter Norwegen und nur acht Sekunden hinter Frankreich auf den dritten Platz und setzte eine erste Duftmarke im internationalen Biathlon. Auch an den zweiten Rang im März, 17 Sekunden hinter Norwegen in Nove Mesto, erinnert sie sich sehr gerne. Das waren Erfolge, die international für Aufsehen gesorgt haben.

Weniger Beachtung auf Spitzenebene hat die Silbermedaille an der EM in Lenzerheide bekommen. Da waren die beiden als Favoriten an den Start gegangen. «Das war nur schon wegen des Heimpublikums einmalig», erinnert sich Baserga. Für eine persönliche Genugtuung hat auch die Tatsache gesorgt, dass sowohl Hartweg als auch Baserga das Heimrennen mitten in einer intensiven Trainingsphase gelaufen waren. Etwas, was für ein Rennen alles andere als optimal ist. «Auch wenn wir nicht in Bestform antra-ten, holten wir das Optimum heraus. Das macht mich ziemlich stolz und hat demonstriert, wozu wir in der Lage sind.» Weiter hat dieses Rennen Amy Baserga aufgezeigt, dass ein gutes Resultat auch an einem Tag möglich ist, wo nicht alles optimal zusammenstimmt. Das ist gut für den Kopf und die Motivation. Auch wenn in Lenzerheide bei anderen Nationen nicht die erste Garde am Start war, in Nove Mesto war sie es alleweil. Viel Selbstvertrauen getankt

So steht Amy Baserga am Ende der Saison mit drei Medaillen da. «Damit darf ich auf jeden Fall zufrieden sein.» Die guten Resultate in der einfachen gemischten Staffel führt die Einsiedlerin auch auf das Selbstvertrauen hin, das sowohl sie wie auch Niklas Hartweg an diesen Rennen an den Tag zu legen vermögen. «Wir spürten jeweils, dass es funktioniert. Wir vertrauen uns blind.» Auch wenn es einem der beiden einmal nicht gut läuft, wird nicht gehadert und alles hinterfragt. Der andere zieht den Karren wieder aus dem Dreck. «Dieses Wissen macht uns auch so stark.» Ein Fact, dem Swiss-Ski bei der WM in Oberhof nicht Rechnung getragen hat. «Die Schweiz stellte bislang immer ein Duo mit der aktuell besten Läuferin und dem bes-ten Läufer zusammen. Andere Nationen glauben immer an das gleiche Duo, wie etwa Österreich, das jahrelang mit Maria Theresa Hauser und Simon Eder ein Kultduo erfolgreich auf die Strecke geschickt hat. Baserga/Hartweg ha-ben ebenfalls das Potenzial, ein solches Kultduo zu werden. Etwas, was mehrfach auch aus der internationalen Berichterstattung herauszuhören ist. Ob Swiss-Ski dem Rechnung tragen wird, wird sich in Zukunft weisen. Die Situation, dass die Schweiz regelmässig je fünf starke Athletinnen und Athleten an den Start stellen darf, ist neu. Der Umgang damit will auch auf Verbands- und Trainerebene erst gelernt sein.

Hohe Erwartungen

Zurückkommend auf die hohen Erwartungen, die nach dem erfolgreichen Weltcup-Debut in der Saison 21/22 aufgekommen sind, sagt Baserga: «Ja, es ist tatsächlich so etwas wie ein Hype um mich he-rum entstanden.» Gleichzeitig waren aber auch viele neue Gesichter im Schweizer Team da, die für Furore gesorgt haben. Amy Baserga war oft die Schweizerin mit den besten Resultaten, es kam das «Best Talent Sport» dazu. Baserga war praktisch über Nacht überall bekannt. Im letzten Winter ging das nicht mehr so weiter. Auch andere Schweizer Athletinnen konnten wieder ihr Leistungsvermögen abrufen, waren oft besser platziert als die Einsiedlerin. Ein Umstand, der im Biathlon sportlich völlig normal ist. «Alle jungen Schweizer Biathlon-Talente, die nun im Weltcup starten, sind sehr ambitioniert, wollen gut sein. Auch das hat im letzten Winter sehr viel Aufmerksamkeit erregt.» Der Fokus konnte im Biathlon also besser verteilt werden. «Wir sind nicht nur aus Spass dabei, wir wollen zur Spitze gehören.» Für Baserga war es mit der grossen Aufmerksamkeit im Winter zuvor ein angenehmer Einstieg in den Weltcup. «Vieles ist jedoch nicht nach Plan verlaufen. Ich habe mich nie richtig fit gefühlt, konnte wenig das Schiessen zeigen, das ich eigentlich wollte. » Sie bekam nie das Gefühl, ein richtig «geiles Rennen» zu laufen. Etwas, das sie im Juniorenalter immer wieder gehabt hat, etwas, was süchtig macht. Die Suche nach dem «guten Gefühl».

Das hat ihr im letzten Sommer ziemlich zu schaffen gemacht. Oft hat sie sich gefragt: «Wie kann ich dieses gute Gefühl zurückholen? » Das Gefühl, am Tag X genau das aus sich herausholen, wozu sie sich imstande fühlt. Das ers-te Rennen in Kontiolahti im letzten November konnte darauf auch keine Antwort geben, sie fühlte sich wieder krank. Erst auf der Pokljuka kam sie dem guten Gefühl wieder auf die Spur. Ein 14. Platz im Sprint mit null Fehlschüssen zeigte ihr auf, wo sie wirklich stand, wozu sie in diesem Moment fähig war. «Genau dafür habe ich jahrelang gearbeitet, deshalb liebe ich diesen Sport.» So hat sie endlich wieder gespürt: «Ich habe dieses gute Gefühl für den Wettkampf immer noch in mir drin.» Das gab so richtig Selbstvertrauen. Gerne möchte sie dies in Zukunft regelmässig wiederholen. Auch wenn Baserga noch jung ist, sie weiss genau, dass Biathlon eine Sport-art ist, die sehr brutal sein kann. «An einem Tag bist du an der Weltspitze dabei, am nächsten Tag läufst du auf Rang 70.» Das passiert vielen Athletinnen und ist irgendwo auch normal.

«Als Bilanz kann ich sagen, dass ich es im letzten Winter geschafft habe, zwei bis drei Rennen so zu laufen, wie ich mir das vorstelle und wie es mein Leistungsvermögen zulässt.» Anfang Jahr war sie vor allem mit den Leistungen im Schiessstand sehr zufrieden, am Schluss der Saison eher mit der Laufleistung. «Mein Ziel ist es nun, in der nächsten Saison beides zu kombinieren. Dann sind meine persönlichen Erwartungen noch etwas höher als bis-her. » Dass dies möglich ist, hat ihr die Saison von Niklas Hartweg aufgezeigt. «Unglaublich, was da passiert ist», staunt auch Baserga und freut sich für den Wollerauer. «Wir alle dürfen einfach nicht voraussetzen, dass es immer so weiter geht, auch Niklas nicht.» Das gilt auch für die anderen Athleten. «Die Saison zuvor war Quentin Fillon Maillet das Mass aller Dinge, ist über jede Strecke geflogen. Diese Saison war alles anders, niemand weiss wieso.» Deshalb wurde er auch ziemlich heftig kritisiert. In diesem Winter war es Johannes Thingnes Bø, der praktisch unschlagbar war. Ob das nächstes Jahr auch so sein wird, das weiss niemand. Diese Tatsache mache Biathlon auch für die Athleten so spannend.

Dem Bauchgefühl vertrauen

Amy Baserga freut sich auch für das ganze Team, dass es im letzten Winter mit vielen guten Resultaten für die Schweiz weiter aufwärts gegangen ist. «Alle haben zum guten Schweizer Eindruck etwas beigetragen, das ist sehr wichtig, das gab uns einen rich-tig guten Schwung.» Gesamtheitlich gesehen sei es eine richtig gute Saison für den Schweizer Biathlon gewesen, so Baserga weiter. «Wichtig ist, dass wir uns für die Zukunft nicht allzu viel Druck aufsetzen, denn wir sind immer noch die Schweiz.» Ein Land mit wenig Biathlon-Tradition, was Spitzenplätze und Anzahl Athletinnen und Athleten anbelangt. «Wir müssen die Freude an dem, was wir tun, behalten.» Die Freude am Biathlon nach dieser Saison, auch wenn sie keinen Ausreisser noch oben in den Einzelrennen gebracht hat, ist bei Amy Baserga weiterhin gross. Gerne möchte sie mit einem immer wieder gehörten Argument aufräumen. «Ja, ich bin etwas grösser und schwerer als andere Athletinnen. Auf meine Leis-tung hat das wenig Einfluss. Die kleineren Läuferinnen haben dafür kürzere Beine. Die Loipe ist für alle schwer zu laufen. Denise Herrmann, welche gleich schwer und gross ist wie ich, ist auch mit hoher Startnummer aufs Podest gelaufen. Da müssen wir einfach die Mentalität ändern.» Zudem gilt es, Biathlon zu geniessen, das ist Baserga wichtig. «Für mich ist es auch einmal wichtig, am Tag X nach Gefühl zu laufen und die Statistiken auf der Seite zu lassen.» Dann, so Baserga, «zeige ich oft ein gutes Rennen». Biathletin Amy Baserga ist mit der letzten Saison zufrieden. Besonders die drei Podestplätze in der Staffel bleiben in Erinnerung.

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