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«Zwischen den Abfahrten in Val Gardena konnte ich dann den Schalter umlegen»

«Zwischen den Abfahrten in Val Gardena konnte ich dann den Schalter umlegen» «Zwischen den Abfahrten in Val Gardena konnte ich dann den Schalter umlegen»

Am Montagnachmittag konnte unsere Zeitung ein Gespräch mit Skirennfahrer Urs Kryenbühl führen. Der Unteriberger Speedspezialist erlitt am letzten Donnerstag beim Super-G in Bormio, ohne zu stürzen, eine Ruptur (Riss) des rechten vorderen Kreuzbandes.

KONRAD SCHULER

Wie zufrieden sind Sie mit dem bisherigen Saisonverlauf?

Urs Kryenbühl: Grundsätzlich bin ich sehr zufrieden. Es ging nach dem Sturz im Europacup Super-G in Saalbach vom 27. Januar 2022 stets Schritt für Schritt aufwärts. Der Heilungsverlauf ging immer in die richtige Richtung.

An den ersten Wettkämpfen dieses Winters ging ich nie ganz ans Limit. Ich getraute mich nicht, an die Grenzen zu gehen, obwohl ich es wollte. Zwischen den beiden Abfahrten in Val Gardena konnte ich dann den Schalter umlegen. Ich mutete mir zu, die Falllinie zu suchen und den schnellsten Weg zu finden, auch mit dem Risiko, die Ideallinie verlassen zu müssen. Die überraschend positiven Resultate der Abfahrten in Val Gardena mit dem 14. Rang und in Bormio mit dem 6. Rang waren die resultatmässig erfreuliche Ausbeute. Was ist dann am Donnerstag im Super-G, nur einen Tag nach dem hervorragenden sechsten Abfahrtsrang, geschehen? Ich hatte am Start wie am Vortag ein gutes Gefühl, ich war aus meiner Sicht auch gleich gut wie am Vortag unterwegs.

Nach rund 20 Fahrsekunden spürte ich in einer Linkskurve mehrere Schläge. Sofort merk-te ich, dass etwas nicht mehr gut ist. Ich konnte beim Abschwingen nicht mehr auf mein rechtes Bein stehen. Das rechte Knie schmerzte ziemlich stark. Zusammen mit dem Co-Trainer Erich Schmidiger und dem Arzt von Swiss-Ski wurde entschieden, dass ich vom Helikopter ins Zielgelände geflogen werden soll. Wie verliefen am Donnerstagnachmittag und -abend die Stunden danach? Meine Frau Nadine und ihre Schwester Fabienne waren an den Rennen von Bormio vor Ort. Ich wurde von ihnen im Auto direkt in die Klinik Hirslanden in Zürich gefahren. Mit hochgelagertem Bein hatte ich praktisch keine Schmerzen. Dr. Sandro Kohl, der letztes Jahr mein linkes Knie operiert hatte, mach-te ein MRI. Es war für ihn sofort klar, dass meine Verletzung ein klassischer Fall war.

Zu Hause schrieb ich dann abends zur Verarbeitung des Vorgefallenen erstmals nach 15 Jahren wieder ein Gedicht mit dem Titel «Oh Skirennsport, mein alter Kumpel!» Nach dem Niederschreiben des Textes hatte ich ein gutes Gefühl. Das Gedicht habe ich am Freitag via Instagram und Facebook verbreitet. Was lief in den letzten vier Tagen konkret ab? Es galt, regenerativen Dingen die Aufmerksamkeit zu schenken. Kühlen, Eisbaden, Magnetfeldtherapie und so weiter standen an. Zudem holte ich auch Ratschläge ein bei meinem Schwiegervater und Naturarzt Sepp Marty. Erfreulicherweise sind der Knorpel und der Meniskus nicht in Mitleidenschaft gezogen worden. Was geschieht nun in den nächsten Wochen? Ich habe nun auch mit René van Engelen, dem Physiotherapeuten unserer Speedgruppe, Kontakt aufgenommen. Es gilt, dem Körper Zeit und Ruhe zu lassen, um den Stress zu verarbeiten. Die Regeneration kann dabei mit verschiedenen Massnahmen unterstützt werden. Anfang Februar wird das nächste MRI gemacht. Danach werden die weiteren Massnahmen diskutiert und eingeleitet. Wie sieht Ihr eigener Blick in die weitere Zukunft aus? Ich bestreite sicherlich bis und mit den Weltmeisterschaften keine Wettkämpfe. Tendenziell neige ich dazu, in dieser Saison keine Rennen mehr zu fah-ren. Ich muss gut abwägen, welches der optimalste Weg in den nächsten Monaten sein kann.

Es ist auch offen, ob eine Operation nötig sein wird oder nicht. Von dieser Tatsache hängt es auch ab, wann ich wieder mit welchen Trainings einsteigen kann. Ich gebe alles, um wieder vollständig gesund zu werden. Wenn die Heilung gelingt, ist es mein Ziel, die Karriere fortzusetzen.

Wie beurteilen Sie Ihre jetzige physische Verfassung? Das rechte vordere Kreuzband ist gerissen. Ich habe aber nur geringe Schmerzen. Ich kann gehen und darf das Knie minimal belasten. Wichtig ist, dass ich gut auf den Körper höre. Wie beurteilen Sie Ihre jetzige psychische Verfassung? Ich fühle mich gut, ich bin gefasst, ich habe mich mit diesem Ereignis abgefunden und schaue bereits wieder positiv in die Zukunft. Im Gedicht habe ich geschrieben: Jetzt stehe ich da, mit erhobenem Haupt, bin positiv und gut gelaunt. Psychisch geht es mir bereits deutlich besser als in den Wochen und Monaten nach meinem folgenschweren Sturz im Januar 2022. Gibt es Wünsche seitens Urs Kryenbühl? Ich hoffe auf eine vollständige Heilung und im besten Fall auf eine Karrierefortsetzung. Falls das nicht eintrifft, gibt es im Leben noch andere wichtige Dinge. So habe ich ja beispielsweise im August meine langjährige Freundin Nadine geheiratet.

Urs Kryenbühl stand nach seiner erneut schweren Verletzung gefasst und mit Zuversicht Red und Antwort.

Foto: Konrad Schuler

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