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Urs Kryenbühl muss erneut für längere Zeit pausieren

Ruptur des rechten vorderen Kreuzbandes erlitten

Am letzten Donnerstag hat sich der Speedspezialist aus Unteriberg ohne Sturz eine Ruptur (Riss) des rechten vorderen Kreuzbandes zugezogen.

KONRAD SCHULER

Männiglich war einen Tag nach seinem erstaunlichen sechsten Abfahrtsrang in Bormio gespannt, wozu er in der zweiten Speeddisziplin fähig ist. Die Schweizer Mannschaft hatte mit einem hervorragenden Ergebnis vorgelegt. So konnte auch vom Unteriberger durchaus ein gutes Ergebnis erwartet werden.

Nach wenigen Fahrsekunden sah man als Fernsehzuschauer Urs Kryenbühl neben der Strecke stehen. Er hielt sich das rechte Knie. Die Untersuchungen in der Klinik Hirslanden förderten noch am Donnerstagabend die schlechte Diagnose zutage.

«Nicht schon wieder!», dachten wohl alle Skifans. Kryenbühl soll vorerst konservativ regeneriert werden. Ob er diesen Winter noch Wettkämpfe bestreiten wird, ist eher fraglich, tendenziell wohl kaum zu erwarten. Verarbeitung in einem Gedicht

In einem Gedicht verarbeitete der Athlet selber ebenfalls noch am Donnerstagabend ein Stück weit zumindest seinen erneuten Rückschlag. Er sprach quasi mit seinem Kumpel, dem Skirennsport. «Ich weiss, oh Skirennsport, mein alter Kumpel, es ist oft schön mit dir, aber manchmal auch etwas dunkel. Zu die-ser Stund fühlt es sich an wie Nacht, haben zusammen geweint, zusammen gelacht, einiges durchgemacht, aber auch das eine oder andere Wunder vollbracht», schrieb er.

Tatsächlich ist seine Unfallakte ziemlich lang. Aber immer wieder hat sich Kryenbühl bis anhin aufgerichtet. Er selber berichtete im letzten Sommer über seine Unfallakte mit dem Titel «Berufsrisiko»: «Jede Verletzung stellte mich vor eine neue Herausforderung und forderte viel Geduld. Jedoch kann ich sagen, dass ich an diesen Situationen auch wachsen konnte, auch wenn dies in diesem Sinne natürlich nicht nötig gewesen wäre. Letztlich ist es für mich be-sonders wichtig zu sehen, dass ich es immer wieder geschafft habe, mich zu rehabilitieren, immer dran zu bleiben, nie aufzugeben und mich zurückzukämpfen. » Da passe doch der Spruch ganz gut, «wenn man mir mit meinen 173 Zentimeter Grösse sagt, dass ich ein kleines Stehaufmännchen sei».

Lange Unfallakte Am 26. Februar 2015 stürzte Kryenbühl in einem Europacup Super-G im italienischen Sella Nevea. Beim linken Oberschenkel waren alle drei Sehnen der hinteren Oberschenkelmuskulatur am Sitzbeinhöcker abgerissen. Das bedeutete das Saisonende. Damit verpasste er seine letzten möglichen Junioren- Weltmeisterschaften, an denen er Podestanwärter gewesen wäre. Auch konnte er seinen Abfahrts- Schweizermeistertitel vom Vorjahr nicht verteidigen.

Am 1. Dezember 2018 stürzte er im Super-G in Beaver Creek auf einer seiner Lieblingsstrecken. Eine leichte bis schwere Gehirnerschütterung, ein Riss am Innenband des linken Knies sowie eine starke Prellung am rechten Schienbein zwangen ihn zu einer Wettkampfpause von fast zwei Monaten. Das war zu einer Zeit, als Kryenbühl daran war, im Welt-cup in beiden Disziplinen so rich-tig Fahrt aufzunehmen.

Der nächste Rückschlag erfolgte am 22. Januar 2020 im Training zur Lauberhornabfahrt. Kryenbühl landete im Netz und zog sich einen Riss am Syndesmoseband zu. Diese Verletzung erlitt er kurz nach seinem sensationellen 2. Platz in der Abfahrt von Bormio. Zwei Monate Pause waren die Folge.

In Erinnerung geblieben ist sein fürchterlicher Sturz vom 22. Januar 2021 beim Zielsprung auf der Streif in Kitzbühel. Eben erst hatte sich Kryenbühl in der Weltspitze etabliert mit zwei dritten Abfahrtsrängen und den Plätzen acht und elf im Super-G. Kryenbühl zog sich einen Kreuzbandund Innenbandriss am rechten Knie zu. Dazu kamen eine Gehirnerschütterung sowie ein Schlüsselbeinbruch an der rechten Schulter. Dieser fatale Sturz bedeutete das Saisonende.

Ebenfalls in Erinnerung geblieben ist sein schwerer Sturz am 27. Januar 2022 am Europacup Super-G in Saalbach-Hinterglemm. Der Unteriberger erlitt eine schwere Beckenverletzung, eine sogenannte Symphysensprengung. Wieder war die Saison gelaufen, nachdem er sich in die erweiterte Weltspitze zurückgekämpft hatte.

Jeweils brüsk gebremst Auffallend an den fünf Stürzen und der neuesten Verletzung ohne Sturz ist, dass Kryenbühl immer wieder brüsk gebremst wurde, als er jeweils drauf und dran war, einen weiteren Karriereschritt nach vorne zu tun.

Jedes Mal wurde er bei seinen Anstrengungen brüsk gebremst. Er liebt vor allem technisch anspruchsvolle Strecken wie Bormio, Kitzbühel, Beaver Creek, Kvitfjell oder Garmisch-Partenkirchen. Auf eher flachen Pisten ist er gegenüber einigen seiner Konkurrenten eher benachteiligt. Ob er mit seiner eher geringen Körpergrösse und seinem eher geringen Körpergewicht hie und da mehr Risiko eingehen muss als andere Abfahrtscracks, ist nicht schlüssig nachzuweisen. Er selber sagte aber in den letzten Jahren immer wieder: «Wenn ich nicht hundertprozentig einsatzbereit bin und nicht bereit bin, volles Risiko zu gehen, brauche ich gar nicht zu starten. Dann habe ich schlicht keine Chance.» In seinem Gedicht ist aber eine erneute Kampfansage auszumachen. So schrieb er seinem Kumpel, dem Skirennsport: «Ich bleibe dabei, oh Skirennsport, bleibe positiv wie so oft.» Und weiter unten: «Ich zeig es dir, schau nach vorne und setze auf vertraute Heilmethoden.»

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