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«Einsiedeln ist nicht gebaut»

«Einsiedeln ist nicht gebaut» «Einsiedeln ist nicht gebaut»

Im Zuge der Nachfolgeplanung übernimmt die Föllmi AG Bauunternehmung die Mitarbeitenden und Aktivitäten der Sepp Kälin AG

Doris und Sepp Kälin stehen Red und Antwort über das 47-jährige Bestehen und das Ende ihrer Bauunternehmung: «Unternehmen finden nicht mehr so einfach einen Nachfolger wie in früheren Zeiten: Die Anforderungen sind gestiegen, die Verantwortung wird immer grösser.»

MAGNUS LEIBUNDGUT

Wie kommt das Ende Ihrer Bauunternehmung bei Ihnen an?

Am Anfang dieses Jahres war es sehr emotional, als absehbar wurde, dass nach 47 Jahren die Zeit gekommen ist, uns aus dem Geschäftsleben zurückzuziehen. Unterdessen sind wir ziemlich gefasst und können gut loslassen. Wir sind glücklich, dass wir gesund und munter sind. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Ihr Geschäft an ein anderes Unternehmen zu übergeben?

Im Jahr 2015 hat unser Sohn die Geschäftsführung übernommen. Aus gesundheitlichen Gründen von unserem Sohn hat sich dies geändert, und wir haben schliesslich nach einer anderen Lösung Ausschau gehalten. Bereits heute hat die Föllmi AG Bauunternehmung viele Mitarbeitende aus der Region Einsiedeln. Durch diese gemeinsame Lösung der in Familienunternehmen immer herausfordernden Nachfolgeregelung bleiben der Region wichtige Arbeitsplätze erhalten. Überdies freut sich die Föllmi AG Bauunternehmung, mit dem in Einsiedeln stark verwurzelten und in Egg wohnhaften Geschäftsführer Marcel Zehnder den Markt Einsiedeln weiter zu stärken. Wie ist es zur Zusammenarbeit mit der Föllmi AG Bauunternehmung gekommen? Dieses Jahr ist es zur Verschiebung eines grösseren Auftrags gekommen. In dieser Zeit konnten wir Leute an die Föllmi AG Bauunternehmung «ausmieten», weil wir zu wenig Arbeit hatten. Wir würden denn eher von einem Zusammengehen statt von einer Übernahme sprechen. Unsere Werkstatt, das Magazin und das Büro bleiben derweil in unserem Besitz: Auf diesem Areal planen wir eine Überbauung mit einem Zehnund einem Fünffamilienhaus. Wieso tun sich vermehrt Betriebe mit einer Nachfolgeregelung schwer?

Unternehmen finden nicht mehr so einfach einen Nachfolger wie in früheren Zeiten: Die Anforderungen sind gestiegen, die Verantwortung wird immer grösser – und auch der Zeitaufwand zum Führen eines Betriebs nimmt stetig zu. Hinzu kommt der überhandnehmende Fachkräftemangel: Dieser wird nicht zuletzt dadurch verursacht, dass immer weniger Betriebe bereit sind, Lehrlinge auszubilden. Wir sind stolz darauf, dass wir insgesamt über achtzig Lehrlinge ausgebildet haben.

Wie ist die Geschichte Ihres Unternehmens verlaufen?

Im Jahr 1975 haben wir die Firma gegründet – mit einem klar umrissenen Ziel: Zu bauen mit grosser und ganzer Leidenschaft. Zehn Jahre später waren wir bereits 15 Leute gewesen. Gegen Ende der 80er-Jahren haben wir nach einer Firmenübernahme mit 54 Mitarbeitern den Höhepunkt erreicht. Mit dieser Übernahme hatten wir nun eine Werkstatt, das Magazin und ein Büro. Fortan ging es bezüglich Anzahl Mitarbeiter wellenmässig mal rauf, mal runter. Grundsätzlich hat sich der Konkurrenzdruck in der Baubranche in der letzten Zeit massiv verschärft: Es gibt mehr grössere Baufirmen als früher, die den kleinen und mittleren Bauunternehmungen das Wasser abgraben und das Leben schwer machen. Zugenommen hat auch der Druck, für die Angestellten fortlaufend ausreichend Arbeit organisieren zu können – gerade im Winter.

Bleiben Sie der Föllmi AG Bauunternehmung in beratender Funktion erhalten? Eingegangene Verträge und alle bestehenden Verpflichtungen werden selbstverständlich von der formell weiterbestehenden Sepp Kälin AG mit Unterstützung von Partnern oder direkt von der Firma Föllmi AG Bauunternehmung wahrgenommen. Während dieser Zeit und bis auf Weiteres stehen wir unseren langjährigen und geschätzten Kunden wie auch der Föllmi AG Bauunternehmung beratend zur Seite. Auf der faulen Haut werden wir nicht liegen: Wir haben nun Zeit und Musse, uns neu zu erfinden. Von einem Eintritt in den Ruhestand kann wahrlich keine Rede sein. Welche Höhepunkte haben Sie erlebt? Wir freuen uns, einiges in Einsiedeln gebaut und bewegt zu haben. Zu unseren wesentlichen Projekten gehören die Wave-Überbauung, das Nussbaum-Projekt an der Eisenbahnstrasse, die Überbauung Utoplatz neben dem Migros-Gebäude, das Haus, in dem die Kantonspolizei Schwyz untergebracht ist, Schulhäuser in Euthal, Trachslau und Gross, der Benziger Park und die Eubach-Überbauung in Euthal.

Wie hat sich die Art der Aufträge im Lauf der Zeit verändert?

Der Termindruck ist gestiegen: Alles muss schnell gehen in der heutigen Zeit. Erwartet wird längst, dass auch im Winter bei Schnee und Kälte gebaut wird. Früher hatten wir es meist mit Architekten zu tun – neuerdings steht eher die Zusammenarbeit mit Bauleitern im Vordergrund. Das kann dann zum Problem werden und die Projekte verkomplizieren. Eine spezielle Herausforderung stellt die verdichtete Bauweise dar, die andere und durchaus interessante Lösungen erfordert. Ein Zehnfamilienhaus zu planen bringt viel mehr Anforderungen mit sich, als ein Einfamilienhaus zu bauen.

Kommen jetzt schwierigere Zeiten auf die Baubranche zu, weil der Bauboom abflaut? Die Corona-Pandemie und der Krieg gegen die Ukraine haben zu Lieferengpässen geführt: Alles wird teurer, Baumaterialien erst recht, die Preise steigen sukzessive an. Dies kann zu Verschiebungen von Bauprojekten führen. In der Tat sind in den vergangenen Jahren eher wenig Wohnungen in Einsiedeln gebaut worden. Hingegen kann man durchaus von einem Bauboom in diesem Jahr in Einsiedeln sprechen, der sich auf Industrie- und Gewerbebauten bezieht. Der Kanton Schwyz erlebt in diesem Jahr insgesamt einen Bauboom. Dieser wird durch die Energiemangellage noch verstärkt: Energetisch optimierte Häuser rücken in den Fokus. Ist das Klosterdorf nicht schon längst gebaut? Einsiedeln ist nicht gebaut. Es gibt Viertel im Klosterdorf, in denen viele alte Häuser stehen, die man abbrechen und an deren Stelle man neue Gebäude bauen könnte. Einsiedeln hat sich durchaus verändert und ist in letzter Zeit grösser geworden: Es sind zahlreiche Auswärtige neu hinzugezogen. Einsiedeln will derweil nicht eine Stadt mit 20’000 Einwohnern werden: Das Klosterdorf möchte ein Dorf bleiben. Abgesehen davon stösst Einsiedeln aufgrund des nur beschränkt zur Verfügung stehenden Baulands an seine natürlichen Grenzen. Was schätzen Sie am Klosterdorf im Speziellen? Einsiedeln verfügt über ein lebendiges Dorfleben, das durch viele Vereine bereichert wird. Die Zusammengehörigkeit ist gross. Zudem ist Einsiedeln sehr attraktiv, weil es von schönen Naherholungsgebieten wie dem Sihlsee, dem Hoch-Ybrig und den Mythen umgeben ist. Kommt hinzu, dass Einsiedeln mit dem Zug gut erreichbar ist von den umliegenden Zentren. Wie kommt bei Ihnen die Politik an, die im Bezirk Einsiedeln betrieben wird?

Wie allerorten nimmt leider auch im Bezirk Einsiedeln eine beamtengesteuerte Verwaltung überhand. Alles wird sehr schwerfällig, es wimmelt von Spezialisten. Einige wenige sind lösungsorientiert und kompetent unterwegs. Was würden Sie in Angriff nehmen, wenn Sie selbst Mitglied im Einsiedler Bezirksrat wären? Wir würden versuchen, die überbordende Bürokratie herunterzufahren. Muss bei öffentlichen Bauprojekten zwingend immerzu ein Wettbewerb lanciert werden? Bei einem Projektwettbewerb ist es oftmals so, dass einfach das schönste Projekt gewinnt – ohne dass auf den Preis und die Kosten geachtet wird. Im schlimmsten Fall kommt es so heraus, wie bei den Schulhäusern in Euthal und Trachslau, wo schliesslich nicht sehr zweckmässige Bauten hingestellt worden sind. Sehr fragwürdig ist das Verhalten des Bezirksrat in Sachen Sporthalle: Dass dieser nun ein eigenes Projekt aufgleisen will, um dasjenige der Genossenschaft Sporthalle Allmeind zu torpedieren, kommt nicht gut an und ist Ausdruck von einer schlechten Politik. Der Bezirksrat hat den Entscheid der Sporthalle hinausgezögert bis das Projekt Einsiedlerhof unter Dach und Fach war. Nun kommt er mit einer fragwürdigen Variante von einer Turnhalle.

Viele Senioren in der Schweiz ziehen nach der Pensionierung in ein wärmeres Land. Haben Sie jemals ans Auswandern gedacht?

Oh, nein. Das kommt für uns gar nicht infrage. Uns gefällt es viel zu gut im Klosterdorf, als dass wir unseren Ruhestand irgendwo sonst auf der Welt verbringen möchten.

«Auch in Einsiedeln nimmt eine beamtengesteuerte Verwaltung überhand.» «Sehr fragwürdig ist das Verhalten des Einsiedler Bezirksrats in Sachen Sporthalle.»

In der Bauunternehmung von Sepp Kälin waren in den letzten zwei Jahren noch 27 Mitarbeiter beschäftigt. Die Föllmi AG Bauunternehmung hat allen Fachleuten ein Stellenangebot unterbreitet und ihnen so die Möglichkeit geboten, weiter in der Region in einer hier verwurzelten Familienunternehmung ihrer Leidenschaft, dem Bauen, nachzugehen.

Foto: zvg

Die Einsiedler Doris und Sepp Kälin ziehen sich langsam, aber stetig aus dem Geschäftsleben zurück.

Foto: Magnus Leibundgut

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