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Sanatorium der Welt

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BRIEF AUS AMERIKA

Nur wenige Einheimische wissen, dass Colorado am Ende des 19. Jahrhunderts und am Anfang des 20. Jahrhunderts viele Patienten mit Tuberkulose anlockte. Der Bundesstaat in der Mitte der USA war damals als «Sanatorium der Welt» bekannt: «Gehe in den Westen und lebe», hiess es.

Die schöne Landschaft, frische Luft und das trockene Klima wirkten scheinbar heilend. Es wird geschätzt, dass sechzig Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner im Jahr 1925 direkt oder indirekt wegen Tuberkulose in Colorado lebten.

Die heute seltene Krankheit war für die Bevölkerungsexplosion zuständig. Ganze Städte wurden um die Sanatorien her-um gebaut. In der heutigen Kleinstadt namens Hygiene baute im Jahr 1881 ein Pfarrer ein Hygiene- Haus mit 35 Privatzimmern. Seine Patientinnen und Patienten verbrachten täglich, unabhängig von der Wetterlage, zehn Stunden an der frischen Luft und ernährten sich von seltenen Pflanzen.

Die Patienten reisten aus der ganzen Welt an, und wohlhabende Leute finanzierten die Infrastruktur. Prominente Patienten brachten Kultur und Kunst mit nach Colorado. Aber nicht jeder konnte sich einen Aufenthalt in einer teuren Tuberkulose-Anstalt leisten. An der Ostküste organisierten Hilfswerke Reisen nach Colorado für die Armen: Sie gaben jedem Patienten eine einfache Fahrkarte nach Denver und schickten sie mit einem Früchtekorb in den Westen.

Das jüdische und das schwedische Spital nahmen diese Patienten kostenlos auf: Beide Spitäler existieren heute noch, und das jüdische Spital ist massgeblich an der Forschung von Lungenkrankheiten beteiligt. Damals gab es in Colorado überdurchschnittlich viele Ärzte, und bis zu einem Drittel der Todesfälle waren der Tuberkulose zuzuschreiben.

Auch Doc Holliday, Wyatt Earps Kumpan, reiste nach Colorado – nicht nur um den Mordvorwürfen nach der oft verfilmten Schiesserei in Arizona zu entkommen, sondern auch um sich von seiner Tuberkulose-Erkrankung zu erholen. Er starb in einem Hotel in Glenwood Springs, einer Stadt mit Thermalquellen mitten in Colorado.

Die Behandlungsmethoden waren nur mässig erfolgreich. Erst als im Jahr 1928 das Antibiotikum entdeckt wurde, konnten die Tuberkulose-Erkrankungen eingedämmt werden. Die frische Luft und die Höhe in Colorado verlangsamte aber die Verbreitung der Tuberkulose etwas.

Regula Grenier * Die Einsiedlerin Regula Grenier- Flückiger (*1973) zügelte im Jahr 2007 nach Denver im amerikanischen Bundesstaat Colorado, am Fusse der Rocky Mountains. Seit dem Jahr 2011 wohnt sie im Nachbarort Thorn-ton. Dort kamen im Jahr 2011 Sohn Cody Frederick und im Jahr 2015 Tochter Stephanie Nova zur Welt.

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