«Es gibt kein Zurück in die gute alte Zeit»
Die katholische Kantonalkirche Schwyz befasst sich mit Perspektiven der Kirchenentwicklung. Kürzlich zeigte Eva Baumann in Einsiedeln auf, dass es zur Bewältigung der aktuellen Krisen der Landeskirchen einen Paradigmenwechsel und viel Mut zum Aufbruch braucht.
FRIEDA SUTER
Eine Auslegeordnung über die Veränderung der katholischen Kirche des Kantons Schwyz im vergangenen Jahrzehnt sorgt aktuell für Aufsehen. Arnd Bünker, Leiter des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts (SPI), stellte im Oktober in einem Webinar eine entsprechende Präsentation vor, die inzwischen auf der Homepage der Kantonalkirche aufgeschaltet ist.
Der Frage «Wie weiter» widmete sich am Freitag Eva Baumann- Neuhaus (wissenschaftliche Projektleiterin am SPI in St. Gallen) vor Mitgliedern der katholischen Kirchenräte, des Kantonskirchenrats, Seelsorgern und weiteren Interessierten.
Keine Wunder und kein Rezept
«Wir beobachten, was sich tut, und wo die Brennpunkte sind. Doch es gibt keine Wunder und keine Rezepte zur Veränderung», so die Referentin. Deutlicher Mitgliederschwund, weniger aktive Kirchenmitglieder und ein weitgehendes Fernbleiben der jüngeren Generationen sind, kurz zusammengefasst, die grössten Probleme der Schweizerischen Landeskirchen.
Die Ursachen dafür machte Eva Baumann-Neuhaus zum einen in den Veränderungen der Gesellschaft aus. Die Säkularisierung, Individualisierung und Pluralisierung aller Lebensbereiche betreffe nebst den Kirchen auch Parteien und Vereine.
Zum anderen kämen Kommunikationsdefizite zwischen Innen und Aussen sowie Vertrauensverlust (Macht, Hierarchie, Diskriminierung, Missbrauchsskandale et cetera) als «hausgemachte Probleme» der katholischen Kirche dazu.
Nur Teil der Geschichte «Die Krise ist nicht die ganze Geschichte», mahnte die Referentin. Und: «Die Menschen sind nicht weniger auf Sinn angewiesen als früher und ihre Tranzendenzoffenheit ist gross.» Relevant für die Zukunft der Kirche sei, dass das Evangelium für die Menschen erfahrbar verkündet und gelebt werde, fuhr Eva Baumann-Neuhaus fort. Denn: «Es gibt kein Zurück in die gute alte Zeit.» Doch wo ansetzen? Es gebe für den anstehenden Paradigmenwechsel keine Modelle, die man kopieren könne. Es brauche qualitativ gute Angebote, Zuverlässigkeit in der Krise, glaubwürdiges Reden und Handeln, eine Feedbackkultur und vor allem Teilhabe und Beteiligung aller.
«Ein Miteinander-Modus ist das Gebot der Stunde», sagte die Referentin. Konkret sieht sie Familien als einen wichtigen Teil der Glaubensvermittlung. «Die ersten Lebensjahre der Kinder sind prägend, denn die Eltern vermitteln Inhalt und Bindung», sagte sie.
«Die Kirche der Zukunft braucht eine Vision» Aufs Ganze bezogen sagte Eva Baumann-Neuhaus: «Die Kirche der Zukunft braucht eine Vision. Dann Mut zum Aufbruch, zum Abschied und auch zum Scheitern. Es braucht Erprobungsräume, Perspektivenwechsel, allenfalls eine Umleitung von Finanzen oder neue Quellen – vor allem aber einen langen Atem.» Nicht alles sei machbar, aber vieles – bis hin zum Überdenken der kirchlichen Berufsbilder – sei gestaltbar.
Das Thema bleibt aktuell
Rege Diskussionen und viele Fragen zeigten auf, dass noch viel zu tun ist. Lorenz Bösch, Präsident des kantonalen Kirchenvorstands, hatte zu Beginn des Anlasses aufgezeigt, dass die Kantonalkirche schon seit einiger Zeit nach Perspektiven für die Entwicklung der Kirche sucht.
«Wir suchen nach einer Strategie und haben das Thema bereits in beiden Dekanaten besprochen », führte er aus. Man wolle Verantwortung übernehmen und auf eine neue lebendige Kirche hinarbeiten. Innovativ sein könnte heissen, gewisse Aufgaben übergeordnet anzugehen oder Fragen an die Staatskirche zu stellen.
Mitglied, aber unsichtbar Einblicke in die Kirchenstatistik des Kantons Schwyz zeigen eine jährlich ansteigende Zahl der Kirchenaustritte. Waren es vor zehn Jahren noch rund 500 pro Jahr, stieg die Anzahl auf 1063 im Jahr 2019 und auf 1142 im Jahr 2020. Rund die Hälfte davon sind Frauen.
Verärgerung über die Position der Kirche und fehlender Glaube sind die meistgenannten Gründe für die Austritte. Die Kirchensteuer wird seltener genannt. Der grösste Teil der als Katholiken registrierten Menschen bleibt Mitglied der Kirche, ist aber unsichtbar.
Klar sind auch die Zahlen bei den Taufen und kirchlichen Trauungen: Nur noch 48 Prozent der katholischen Eltern lassen ihre Kinder taufen. Nur noch 19 Prozent der katholischen Paare schliessen den Bund der Ehe in der Kirche.
Mehr Details sind auf der Home-page www.sz.kath.ch zu finden.
Eva Baumann-Neuhaus zeigte im SJBZ in Einsiedeln Perspektiven der Kirchenentwicklung aus wissenschaftlicher Sicht auf.
Foto: Frieda Suter