Veröffentlicht am

Jetzt fehlt nur noch die Wachsamkeit

Jetzt fehlt nur noch die Wachsamkeit Jetzt fehlt nur noch die Wachsamkeit

Die Steinhauerei des Klosters hat in diesen Tagen 13 neue Figuren auf die Arkaden gesetzt

36 Steinfiguren gibt es im Arkadenhalbkreis auf dem Klosterplatz. Mindestens ursprünglich. Doch jetzt fehlt nur noch eine.

VICTOR KÄLIN

Die beiden Kaiserstatuen Otto der Grosse und Heinrich II. sind die prominentesten Steinfiguren auf dem Klosterplatz. Wortwörtlich etwas im Schatten der beiden Statuen der Klosterwohltäter gibt es aber noch weitere 34 Figuren – mindestens auf den Plänen. In der Realität war das ganze Ensemble seit Jahren und Jahrzehnten selten einmal komplett. Witterung und Zeit haben an dieser exponierten Lage ihre Spuren hinterlassen.

Nur eine fehlt noch …

Doch wer dieser Tage auf dem Klosterplatz nicht nur Augen für den entstehenden Weihnachtsmarkt hatte, der sah, dass die Löcher in den Figurengruppen über den Arkaden von Tag zu Tag weniger wurden. Tatsächlich hat die klösterliche Steinhauerei 13 neue Skulpturen montiert! Verantwortlich waren Steinmetz Martin Rickenbacher als Leiter der Steinhauerei und dessen Mitarbeiter, Bildhauer Urs Hiestand. Seit Dienstag dieser Woche ist die Nordarkade wieder komplett; auf der Südseite fehlt exakt noch eine Figur. Sie steht derzeit in der Steinhauerei, ist aber dermassen beschädigt, dass sie ebenfalls kopiert werden muss. Und das braucht seine Zeit.

Es handelt sich um die allegorische Figur der Wachsamkeit, welche mit einer Henne abgebildet ist. Wie alle ursprünglichen Figuren geht auch dieses Original auf den international bekannten Bildhauer Johann Baptist Babel zurück (geboren 25. Juni 1716 in Pfronten-Ried; gestorben 9. Februar 1799 in Einsiedeln). Babel gilt als einer der Meister des schweizerischen Spätbarocks. Wann auf dem Einsiedler Klosterplatz auch die letzte Lücke geschlossen wird, lässt sich heute mit Bestimmtheit noch nicht sagen.

Auf jeder der Arkaden gibt es 14 Figuren: je fünf allegorische Figuren, fünf Vasen und vier Puten. Dazu kommen die beiden Kaiserstatuen, die beiden in die Wände eingelassenen Engel sowie vier Figuren auf den Pavillondächern.

Rückblick auf bewegte Zeiten Die Realisation der gesamten, heute bekannten barocken Klosteranlage war ein jahrzehntelanges Vorhaben. Es vergingen bereits viele Jahre der Planung, bis die Kapitelversammlung des Klosters im März 1720 be-schloss, mit dem Kirchenneubau zu beginnen. Die Grundsteinlegung erfolgte im Sommer 1721. Bis die neue Kirche geweiht werden konnte, sollten 14 weitere Jahre vergehen: Im Jahr 1735 war es dann am 3. Mai so weit.

Die Bautätigkeit war damit aber keinesfalls abgeschlossen. So dauerte es zum Beispiel weitere sieben Jahre, ehe 1742 das Kirchenschiff fertig erstellt war. Es folgten als weitere grosse Etappen das Ökonomiegebäude (1734 bis 1744), die Anlage des Konventgartens (1738), der Umbau des Chors (1746 bis 1750), der Westflügel (1756 bis 1758) oder der Bau des Marstalls (1764). In diese Zeitspanne fiel auch die Realisation des Klosterplatzes (1745 bis 1747).

«Umorientierung des Klosters» Die Platzanlage mit den Arkaden wurde durch den Klosterbaumeister Johannes Rueff errichtet. Den Figurenschmuck schuf Johann Baptist Babel in den Jahren 1749 bis 1751. Für diese Leistung zollt ihm Jeronimo Barahona, der klösterliche Werkstättenleiter, noch heute Respekt: «34 freistehende Figuren auf den Arkaden und zwei Wandengel in lediglich drei Jahren! Das ist beachtlich.» Nun ist der Figurenschmuck fast vollständig zurück an seinem angestammten Platz. An einem Platz, dessen Bedeutung Professor Werner Oechslin und Anja Buschow Oechslin in ihrem Buch «Kunstdenkmäler des Kantons Schwyz» (2003) wie folgt beschreiben: «Die architektonisch einmalige Anlage, in deren Mitte 1754 auch der Liebfrauenbrunnen versetzt wurde, nutzt meisterhaft die nicht einfache topografische Situation, vermittelt zwischen den Baulinien von Dorf und Kloster und empfängt den Besucher mit ihren beiden offenen Arkadenarmen.» Im Wissen, dass sich vor dem Neubau des barocken Klosters der Haupteingang auf der Nordseite in Richtung Brüel und Etzel befand, konstatierten die beiden Einsiedler Wissenschaftler tref-fend: Mit dem neuen Platz «war die Umorientierung des Klosters nach Westen und zum Dorf vollzogen und mittelbar der planerische und architektonische, für die bauliche Entwicklung des Dorfes wichtige Bezug hergestellt ».

Quellenangabe: «Die Kunstdenkmäler des Kantons Schwyz» Einsiedeln 1 (2003). Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte Bern. Autoren: Werner Oechslin, Anja Buschow Oechslin

Noch ein weiter Weg: Das von Johann Baptist Babel geschaffene Original der Wachsamkeit (rechts) und das im Entstehen begriffene Duplikat (links) in der Steinhauerei des Klosters. Selbst wenn es noch einige Zeit dauern sollte: Der Standplatz auf der Südarkade ist jedenfalls schon vorbereitet (unten).

Bildhauer Urs Hiestand mit einer von ihm geschaffenen Vase (oben) sowie Steinmetz Martin Rickenbacher (Leiter Steinhauerei, rechts) bei einem der letzten Arbeitsschritte.

Fotos: Victor Kälin

Share
LATEST NEWS