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Cholera – das «Ofäturli» aus dem Wallis

Cholera – das «Ofäturli» aus dem Wallis Cholera – das «Ofäturli» aus dem Wallis

Antonia Birchlers Cholera ist garantiert nicht ansteckend, aber verführerisch

Käse und Gumel sind beliebte Zutaten für so manches deftige Wintergericht. Sie sind und waren lebenswichtige Nahrungsmittel in allen Schweizer Berggegenden, nicht nur in unserer Region. Daraus sind typische Speisen entstanden: Was für Einsiedeln das Ofäturli, ist fürs Wallis die Cholera.

GINA GRABER

Man hört es sofort: Antonia Birchler ist keine Hiesige. Noch nach über vierzig Jahren in der «Üsserschwyz» spricht sie behäbigen Walliser Dialekt. Heimweh habe sie nach so langer Zeit nicht mehr, sagt sie. Und wenn es sie doch hin und wieder ins heimatliche Binntal zieht, hat sie einen festen Rückzugsort in ihrer Ferienwohnung im ehemaligen Elternhaus: «Dort ist mein Kraftort.» Wie bei Heidi und dem Alpöhi

An diesem Kraftort im Weiler Imfeld ist sie mit acht Geschwistern aufgewachsen: «Wir waren elf Personen in drei Zimmern, so einfach wie bei Heidi und dem Alpöhi», erinnert sie sich. Die Bergbauernfamilie versorgte sich auf gut 1500 Metern über Meer selbst, in schneereichen Wintern war die Strasse hinunter ins Goms bis zu sechs Wochen unpassierbar. Da war ein rechter Vorrat an Käse, Kartoffeln, Lagergemüse und -obst sowie Grundzutaten wie Mehl und Fett lebensnotwendig. Kein Wunder, haben Walliser Köchinnen schon in früher Zeit aus diesen Zutaten die herrliche Spezialität Cholera kreiert.

Cholera: Legende und Wahrheit Cholera ist ein seltsamer Name für ein Gericht. Die Legende erzählt, die Seuche Cholera habe im Wallis gewütet, die Menschen hätten in der langen Quarantäne aus ihren Vorräten diesen Kartoffel- Käsekuchen gebacken und ihm den Namen Cholera gegeben – aber dies ist eben nur eine Legende. Vielmehr geht der Name mit grosser Wahrscheinlichkeit darauf zurück, wie die Cholera früher zubereitet wurde: im Ofen auf oder neben der heissen Kohle, der «Chola», ganz ähnlich wie unser Ofäturli.

Wie bei jedem regionalen Gericht gibt es auch bei der Cholera Nuancen in der Zubereitung. Bei manchen Varianten gehört Lauch dazu, den Antonia Birch-ler aber weglässt: «Mein Rezept stammt ursprünglich von meiner ‹Groossmüeter› Melanie», erzählt sie. Anders als ihre Gross-mutter gibt Antonia Birchler aber eine weitere Schicht Kartoffeln auf den Raclettekäse, damit Käse und Teigdeckel beim Backen keine unschönen Blasen bilden. Für ihre Cholera bevorzugt sie Kuchenteig, den sie selbst herstellt – als typische Walliserin gibt sie einen Schuss Weisswein dazu statt Wasser.

Genuss ist wichtig, auch beim Abnehmen Antonia Birchler bezeichnet sich selbst als «Fleischtiger», mag am liebsten Gegrilltes. Sie möchte aber auch die vegetarische Cholera nicht missen. «Kartoffeln würde ich auf jede einsame Insel

Antonia Birchler-Volken

Antonia Birchler (64 Jahre) ist als viertjüngstes von neun Kindern im Binntal, einem Seitental des Goms, aufgewachsen. Mit ihrem Mann Hubi lebt sie seit 1981 hier in der Region, zuerst in Gross, nun seit vielen Jahren in Willerzell. Ursprünglich im grafischen Gewerbe tätig, erwarb sie mit dreissig Jahren das Diplom zur Ernährungsberaterin HF. Die vielseitige Frau amtierte von 1998 bis 2010 unter anderem als SVP-Bezirksrätin. Seit August 2021 ist sie pensioniert. In ihrer Freizeit ist sie gerne sport-lich in der Natur unterwegs, begleitet wird sie dabei von ihrer Border-Collie-Hündin Zora.

mitnehmen», schwärmt sie. Als Ernährungsberaterin kennt sie die kulinarischen und auch die gesundheitlichen Vorzüge der Gumel bestens. Lange Jahre hat sie in ihrer Praxis Menschen mit Ernährungsproblemen beraten, von Schlankheitsdiäten hält sie gar nichts: «Weniger und ausgewogen essen ist das Einzige, was langfristig zum Idealgewicht führt», ist sie überzeugt. Dabei darf der Genuss nicht zu kurz kommen: «Wer keine Freude am Essen hat, der wird nicht glücklich, und das ist ungesund.» Antonia Birchler hat Freude am Kochen und Essen, das schätzt auch ihr Mann Hubi. Seinetwegen ist sie vom Oberwallis an den Sihlsee ausgewandert: «Er war in Fiesch im Militär, ich habe mich verliebt – und wo die Liebe treibt, ist kein Weg zu weit», lacht sie und nimmt einen herzhaften Bissen von ihrer ofenfrischen Cholera.

«Wer keine Freude am Essen hat, der wird nicht glücklich, und das ist ungesund.»

Antonia Birchler, Geniesserin

Gelungen! Antonia Birchler präsentiert die ofenfrische Cholera. Fotos: Gina Graber

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