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Ein Buch von Frauen über Frauen für Frauen – aber nicht nur

Die 114. Ausgabe der «Schwyzer Hefte» widmet sich unter dem Titel «Offägleit» Schwyzer Frauengeschichten. Das Heft ist ein reines Frauenwerk von Autorinnen über die Fotografin, Illustratorin bis zur Polygrafin.

HANS-RUEDI RÜEGSEGGER

Ein Frauenheft, oder ein Heft über Frauen – braucht es das im Jahr 2022 noch?», fragt Regierungsrätin Petra Steimen im Geleitwort der neuesten Ausgabe der «Schwyzer Hefte». Beim Blättern und Schmökern in «Offägleit – Schwyzer Frauengeschichte( n)» wird schnell klar: Es macht Spass, sich ins attraktiv gestaltete Buch zu vertiefen. Thematisch gliedert sich das Heft in die sechs Bereiche Politik, Bildung, Arbeit, Recht, Kultur und Religion.

Den Impuls für ein Frauenheft gab die Primarlehrerin und ehemalige Kantonsrätin Verena Vanomsen.«Eigentlich wollten wir anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums des Frauenstimmrechts im Kanton Schwyz die politische Gleichstellung der Frau in den Fokus stellen», sagt Claudia Hiestand, Redaktorin von «Offägleit »: «Wir sind aber schnell davon abgekommen und haben den Fächer geöffnet.»

Kultur macht den Anfang

So macht Autorin Silja Olivia Risi den Anfang und öffnet den Vorhang für weibliches Kulturschaffen. Lange Zeit waren Frauen im Bereich Kunst und Kultur unsichtbar. Die Autorin zeigt auf, dass Kunstschaffende wie beispielsweise die im Jahr 1901 geborene Bildhauerin Maria Luisa Wiget – die Pionierin mit Hammer und Meissel – immer im Schatten der männlichen Berufskollegen stand, aber auch, dass, wenn auch langsam, etwas Bewegung in die Kulturszene gekommen ist.

So kamen Tänzerin Nelly Bütikofer, Schriftstellerin Gertrud Leutenegger, Dirigentin Graziella Contratto oder Schauspielerin und Regisseurin Annette Wind-lin in den vergangenen Jahren in den Genuss von Anerkennungspreisen.

Trotzdem: Grafiken, die das Verhältnis von männlichen und weiblichen Kulturschaffenden, die in den vergangenen Jahrzehnten in den Genuss von Anerkennungsund Förderpreisen kamen, veranschaulichen, ist ernüchternd. Frauenporträt zu jedem Thema

Zu jedem Themenblock porträtiert Susann Bosshard-Kälin eine Frau. Beim Thema Kultur kommt Annette Windlin zu Wort: «Kultur ist ein Stiefkind im Kanton Schwyz», so ihr vernichtendes Urteil.

Tina Sarli, Lehrerin am Theresianum Ingenbohl und an der PHSZ in Goldau, die das Familieneinkommen verdient, während ihr Partner Hausmann ist und die gemeinsame Tochter betreut, sagt: «Das Ziel von Bildung müsste sein, eine Gesellschaft mitzugestalten, in der weder Frauen noch Männer in Geschlechterrollen gedrängt werden.» Pointiert äussert sich Schwester Jolenda Elsener, Seelsorgerin im Sterbehospiz St. Antonius in Hurden, zu Religion und Kirche: «Die Kirche von heute holt die Menschen schon lange nicht mehr dort ab, wo sie im Alltag stehen.» Rita Lüönd-Steiner, Geschäftsleiterin eines Transportunternehmens, zeigt, dass Chefinnen noch nicht wirklich alltäglich sind: «Anfänglich fragten die Kunden nach einem Mann im Betrieb, wenn sie mich sahen.» Irene Thalmann, die sich im Spitzensport und in der Politik engagierte, sagt: «Das Kämpferische spricht man uns Frauen ab, der Begriff ist in unserer Gesellschaft negativ behaftet.» Frauenpower im Fokus Ernüchternd ist der Beitrag «Bevormundet, ausgebürgert und gänzlich benachteiligt» von Kerstin Ochsner über die rechtliche Stellung der Frauen in der Vergangenheit. Auch wenn Mann und Frau heute rechtlich eigentlich gleichgestellt sind, wird Kriminalpolizistin Barbara Suter- Keller immer wieder mit Vorurteilen konfrontiert, wie in ihrem Porträt nachzulesen ist.

An «Offägleit» arbeiteten ausschliesslich Frauen mit. «Die Idee dahinter ist, die Geschichte der Frauen aus Frauensicht zu zeigen», so Claudia Hiestand. «Nicht zuletzt wollten wir Schwyzerinnen eine Plattform geben.» Die Autorinnen Susanna Bingisser, Susann Bosshard-Kälin, Angela Dettling, Claudia Hiestand, Andréa Kaufmann, Martina Kälin-Gisler, Kerstin Ochsner, Silja Olivia Risi und Michèle Steiner recherchierten, interviewten und verfassten die Texte.

Fabienne Kälin fotografierte die porträtierten Frauen. Die Illustratorin Nadia Knechtle entwarf das Titelbild. Und Corina Marggi, Polygrafin bei der Theiler Druck AG, war für das Layout verantwortlich.

Frauen sichtbar machen

Und was hat es mit dem Titel «Offägleit » auf sich? Wichtig für das Projektteam war, einerseits den Titel kurz und prägnant zu halten. Andererseits sollen Frauen sichtbar gemacht werden. «Wir legen offen, was Frauen für den Kanton Schwyz geleistet haben und leisten, aber auch wie es für Frauen war beziehungsweise ist, im Kanton Schwyz zu leben. Wir wollen ihre Lebenswirklichkeiten aufzeigen.» Wie stellte sich die Kulturkommission als Herausgeberin der «Schwyzer Hefte» zur Idee eines reinen Frauenheftes? Franz-Xaver Risi, Kulturbeauftragter des Kantons Schwyz, habe sofort Hand geboten, sagt Claudia Hiestand.

Das Buch von Frauen über Frauen soll nicht nur von Frau-en gelesen werden. «Es richtet sich an alle, Frauen, Männer, Jung und Alt», sagt Claudia Hiestand: «Es könnte auch in Schulklassen zu Diskussionen beitragen. Wir sind auch für Lesungen zu haben.» Um auf die eingangs gestellte Frage zurückzukommen: Ja, es braucht ein Heft über Frau-en. «Sichtbare Frauen prägen das Rollenbild», schreibt Regierungsrätin Petra Steimen-Rickenbacher.

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