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«Die ganze Skiwelt staunt über die Region Schwyz»

«Die ganze Skiwelt staunt über  die Region Schwyz» «Die ganze Skiwelt staunt über  die Region Schwyz»

Osi Inglin hat als Skitrainer praktisch auf der ganzen Welt gearbeitet. Der Sattler ist nun zurück in der Schweiz. Er spricht über den schweren Verlust seiner Frau und wieso es in unserer Region so gute Skirennfahrerinnen gibt.

ROBERT BETSCHART

Sie sind in Sattel aufgewachsen, waren als Skitrainer aber auf der ganzen Welt tätig. Hört man deswegen kaum mehr den Schwyzer Dialekt bei Ihnen? Die letzten sechs Jahre habe ich praktisch nur noch englisch gesprochen. Zuletzt arbeitete ich in Kanada, Norwegen, Neuseeland und die letzten zwei Jahre in Finnland. Vielleicht habe ich darum praktisch keinen Dialekt mehr. Oder einen Mix aus vielen. Sie sprechen die vielen Länder an, in denen Sie schon gearbeitet haben. Wo war es am schönsten? Es ist immer das Gleiche: Je mehr du von der Welt siehst, desto mehr schätzt du später deine Heimat. Am Ende zählen für mich die persönlichen Begegnungen, die mir extrem in Erinnerung bleiben. Klar sieht man im Skizirkus wunderschöne Landschaften. Doch das haben wir in der Schweiz genauso. Ihre letzte Anstellung war bis im vergangenen Frühling diejenige als Cheftrainer in Finnland. Sie führten während zwei Jahren das finnische Ski-Herren-Nationalteam. Wie haben Sie diese Zeit erlebt? In Finnland sehnt man sich nach den Zeiten von Kalle Palander, dem mehrfachen Weltcupsieger und Weltmeister, oder Marcus Sandell zurück. Seit 2010 sind keine absoluten Topfahrer mehr in Sicht. Kaum ein Finne fährt mehr im Weltcup. Ich wuss-te, dass es drei, vier junge Athleten gibt, die Potenzial haben. Doch die Dichte im Weltcup ist wahnsinnig hoch, und es geht nicht von heute auf morgen, junge Fahrer an die Weltcupspitze heranzuführen.

Und weiter?

Diese Geduld hatte der Verband nicht. Man wollte schon an den Olympischen Spielen in Peking grosse Resultate sehen, das war schlicht unrealistisch. Sagen wir mal so: Die Träume, welche die Finnen im alpinen Skisport haben, stehen im Ungleichgewicht mit dem, was man dafür aufwenden müsste. Die finanziellen Mittel des finnischen Verbandes sind sehr, sehr bescheiden, obwohl sie mir versprochen haben, mehr zu investieren.

Wie äussert sich dieses kleine Budget der Finnen im Vergleich zu einer alpinen Skination wie der Schweiz? Es fehlt eigentlich überall. Angefangen bei der Betreuung. Einzelne Schweizer Athleten finden heute kaum mehr alleine einen Skilift. Schon von klein auf werden sie gecoacht, herumgefahren und von allen Seiten betreut. Bei den Finnen ist es anders. Sie sind sehr selbstständig und managen alles alleine. Der Betreuerstab war extrem klein. Die Athleten haben oft bei mir zu Hause gelebt. Ihre Frau verstarb vor rund einem Jahr. Hatte das einen Einfluss darauf, den Vertrag nicht zu verlängern und zurück in die Schweiz zu kommen? Nein. Meine Frau Corina hat mich aktiv unterstützt, den Job in Finnland anzunehmen. Sie hat als Therapeutin gerne mit den finnischen Athleten gearbeitet. Den Entscheid, den Vertrag nicht zu verlängern, habe ich noch zusammen mit ihr gefällt. Denn wenn du am Ende des Monats nicht weisst, ob dein Lohn ausbezahlt wird, fragt man sich schon, ob es noch das Richtige ist. Der Verlust Ihrer Frau muss sehr schwer sein? Angefangen hat es im Jahr 2006, als bei ihr ein Hirntumor festgestellt wurde, 2007 folgte die erste Operation. Danach lief es zehn Jahre sehr gut. In dieser Zeit haben wir zusammen sehr viel unternommen und erlebt. Sie war als Therapeutin stets an meiner Seite, hat beispielsweise auch Marco Odermatt sehr gut gekannt und mit ihm zusammengearbeitet, als er noch jünger war. 2016 mussten wir feststellen, dass der Tumor wieder zurückgekommen war, und es folgten weitere Operationen. Hadert man da nie mit dem Schicksal?

Wie soll ich sagen, trotz der vielen Rückschläge konnte Corina ihr Leben bis am Schluss auskosten und hatte immer Freude da-ran. Gleichzeitig haben wir nach der dritten Operation anhand der Gewebeproben erkannt, dass das Schicksal irgendwann hart zuschlagen wird. Innerhalb weniger Tage ging es ihr letztes Jahr dann plötzlich sehr schlecht, und sie durfte, ohne zu leiden, gehen. Sie selbst hat nie gehadert und auch auf dem Sterbebett ihren Humor nicht verloren. Vielleicht muss ich deshalb immer wieder lächeln, wenn ich an sie denke, und es ist nicht nur Traurigkeit über den Verlust, die hochkommt. Nun sind Sie zurück bei Swiss-Ski. Sie leiten interimistisch das Nationale Leistungszentrum NLZ Mitte in Engelberg. Eine Rückkehr zu Ihren Wurzeln?

Ja, kann man so sagen. Swiss-Ski hat mich kontaktiert, und ich habe diese Herausforderung sehr gerne angenommen. Als Leiter des NLZ Mitte bin ich zwar mehr für die Organisation zuständig, pflege aber an verschiedenen Skikursen immer noch einen nahen Kontakt mit den Nachwuchsathleten. Diese Arbeit ist auf ein Jahr befristet. Nach diesem Jahr werden Sie die unbefristete Stelle der Kommission für Wettkampforganisation KWO antreten. Was ist da Ihre Aufgabe? Meine Hauptaufgabe wird in der sogenannten Destinationsentwicklung liegen. Das heisst, dass ich dafür sorgen soll oder darf, dass die Qualität der Rennpisten in der Schweiz hochgehalten oder verbessert wird. Das fängt bei einfachen Nachwuchsrennen an und geht über FIS-Rennen bis hin zu Europacuprennen. Dazu kommen noch umfangreiche administrative Arbeiten wie das Rennlizenzwesen, die Swiss-Ski-Punkteliste und die Swiss-Ski-Wettkampfreglemente.

Warum ist das bei den Jungen schon so wichtig? Eine gute Rennpiste erhöht die Rennkompetenz der jungen Skifahrerinnen und Skifahrer. Das ist ein entscheidender Punkt in deren Entwicklung. Deshalb reizt mich die Aufgabe so sehr. Zudem beschäftigt mich dieses Thema schon seit Jahren. Ich war in der Schweiz wahrscheinlich der Erste, der spezielle Bewässerungsmethoden anwendete. Zudem war ich schon an verschiedenen Grossanlässen für die Qualität der Pisten zuständig.

Sie sind der Onkel der ehemaligen Weltklasse-Skirennfahrerin Fabienne Suter. Auch jetzt noch hat der Kanton Schwyz viele starke Skifahrer und vor allem Skifahrerinnen. Woher kommt das? Da staunt praktisch die ganze Skiwelt über die Region Schwyz beziehungsweise den erweiterten Talkessel. Dass diese Region immer wieder so starke Skirennfahrerinnen hervorbringt, kann wohl niemand genau erklären. Ich denke, es ist ein Mix: Einerseits wird bei den Clubs und später im RLZ sehr gut gearbeitet, andererseits sind die Skigebiete hier allesamt sehr skirennsportfreundlich.

Wie meinen Sie das?

Es werden überall noch Nachwuchsrennen ausgetragen, und vor allem wichtig aus meiner Sicht ist, dass die Pisten noch natürliche Übergänge haben und nicht alles mit dem Bulldozer künstlich platt gewalzt wird. Gerade für die technische und koordinative Entwicklung im Kindesalter sind derartige Lernumgebungen extrem förderlich. Sie arbeiten nun wieder in der Schweiz. Ihr Wohnort ist momentan Grüsch im Prättigau. Kehren Sie nun nach Sattel zurück?

Da mein Arbeitsort künftig in Bern sein wird, suche ich wohl dort etwas in der Nähe. Wenn ich etwas im Ausland gelernt habe, dann ist es, dass eine Fahrt von drei Stunden keine Weltreise ist. Ich werde sicher ab und zu in Sattel zu Besuch sein.

Osi Inglin ist in Sattel aufgewachsen, lebt momentan aber in Grüsch im Prättigau. Foto: Robert Betschart

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