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«Eine Solarpflicht für alle Neubauten ist ein absoluter Schwachsinn»

«Eine Solarpflicht für alle Neubauten  ist ein absoluter Schwachsinn» «Eine Solarpflicht für alle Neubauten  ist ein absoluter Schwachsinn»

VICTOR KÄLIN

Da war eine Volksinitiative gegen neue Kampfjets hängig, doch die Schweiz besiegelte den Kauf über 36 Stück des US-Kampfjets F-35. Ist das einer direkten Demokratie wie der Schweiz würdig? Am 27. September 2020 hat das Schweizer Stimmvolk entschieden, dass neue Kampfjets gekauft werden sollen. Nun hat eine Gruppe von Armeeabschaffern eine neue Initiative gestartet, um den Kauf zu verhindern. Der Krieg in der Ukraine zeigt uns auf, wie schnell und wie nahe plötzlich der Krieg sein kann. Die Beschaffung der neuen Kampfjets weiter zu verzögern, wäre absolut fahrlässig. Der oberste Energiedirektor der Schweiz schlägt Alarm. Rober-to Schmidt befürchtet, dass die Landesregierung die Stromkrise verschläft – und fordert sie auf, sofort einen Krisenplan zu erstellen und die Strommangellage auszurufen. Wie sehen Sie die ganze Sache? Eine Vorbemerkung, Roberto Schmid (Mitte VS) war es damals, der den Vorstoss zum übereilten Ausstieg aus der Kernenergie eingereicht hat. Ohne diesen Vorstoss wären wir heute gar nicht in dieser misslichen Lage. Nun gibt es grosse Unternehmungen in der Schweiz, die heute bereit wären, mit ihren Notstromgruppen Strom ins Netz einzuspeisen. Dazu braucht es aber eine Änderung der Luftreinhalteverordnung. Leider macht hier Bundesrätin Sommaruga nicht vorwärts. Nur zur Klärung: Diese Notstromaggregate erbringen die Leistung eines AKW Gösgen. Damit wäre ein rechter Teil des fehlenden Stromes abgedeckt.

Strom kann man sparen – oder zusätzlich produzieren. Der Ständerat will zusätzlich zum Nationalrat eine Solarpflicht für neue Gebäude und erleichterte Bewilligungen für Photovoltaik- Grossanlagen auf freien Flächen in den Bergen. Ist das für Sie ein Ansatz in die richtige Richtung? Die Pflicht für alle Neubauten ist ein absoluter Schwachsinn. Und ein massiver Eingriff in das Eigentum. Es bringt nichts, alle Häuser mit einer solchen Anlage auszurüsten. Häuser, die im Winter im Schatten stehen, bringen der Stromlücke nichts, kosten aber den Hauseigentümer sehr viel. So wird der Traum der eigenen vier Wände bald nur noch für reiche Leute möglich.

Gegen Solarprojekte in den Bergen habe ich grundsätzlich nichts dagegen, wenn die Grundeigentümer und die Standortgemeinde einverstanden sind. Noch wichtiger wäre aber, beim Grimsel endlich vorwärts zu machen. Die Staumauer sofort erhöhen. Das wäre relativ schnell umsetzbar und bringt sehr viel Strom. Das Parlament will den Ersatz von fossilen Heizungen und Gebäudesanierungen zusätzlich mit 200 Millionen Franken pro Jahr unterstützen. Dagegen kündigt die SVP das Referendum an. Unterstützen Sie dieses?

Das neue Gesetz ist ein regelrechtes Stromfressergesetz. Und völlig unverantwortlich. In der heutigen Zeit, in der wir zu wenig Strom haben, möchte eine Mehrheit im Parlament funktionierende Ölheizungen durch Wärmepumpen ersetzen. So brauchen wir noch mehr Strom. Zuerst müssen wir uns Gedanken machen, wo wir künftig den Strom herbekommen. Und dann uns verabschieden von den Fossilen. Heute wird genau das Gegenteil gemacht. Deshalb sind wir aktuell in dieser misslichen Lage. Das Parlament diskutierte am Mittwoch über verschiedene Massnahmen in der Energiekrise. Zur Sprache ka-men nebst Vorschlägen zur Versorgungssicher-heit auch die Erhöhung der Kaufkraft. Ist der Bund zur schwindenden Kaufkraft tatsächlich gefordert?

Der Bund hat Möglichkei ten, in der aktuellen Lage die Kaufkraft der Menschen zu erhöhen. Die SVP hat dazu verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt. Zum Beispiel ein Verzicht auf die Mineralölsteuer. Damit würde das Benzin günstiger. Ein weiterer Vorschlag war der Abzug der Krankenkassenprämie an der direkten Bundessteuer. Unverständlicherweise wurden diese Vorschläge abgelehnt.

AHV-Rentnerinnen und -Rentner sollen nach dem Willen des Nationalrats im kommenden Jahr den vollen Teuerungsausgleich erhalten. Zudem soll der Bund seinen Beitrag an die Prämienverbilligungen für 2023 vorübergehend um 30 Prozent erhöhen. Sind Sie ebenfalls auf die-ser Linie? Bei der AHV habe ich den Teuerungsausgleich auf den Mischindex unterstützt. Der Bund wird ab dem Jahr 2025 ein Defizit von gut 7 Milliarden haben. Es wird zu riesigen Sparprogrammen kommen. Die Erhöhung der Prämienverbilligung führt zu einer massiven Mehrbelastung der Staatsrechnung von 1 Milliarde, was zu Steuererhöhungen führen wird. Dies konnte ich nicht unterstützen. Mit Zusatzausschüttungen der Schweizerischen Nationalbank und Überschüssen aus dem ordentlichen Bundesbudget sollen die ausserordentlichen Corona- Schulden von 26 Milliarden Franken abgebaut werden. Entspricht der Entscheid des Nationalrats auch Ihrem Willen?

Die Coronaschulden sollen ordentlich abgebaut werden und nicht mit finanztechnischen Tricks. Die Nationalbank braucht in der aktuellen Lage das Geld selber und kann keine Ausschüttungen machen. Dies ist eine reine Augenwischerei. Die SVP will, dass der Bundesrat den Schutzstatus S innerhalb der Ukraine regional differenziert anwendet. Für viele Ukrainer sei eine sichere Rückkehr in ihre Heimatregion im Westen, im Zentrum oder im Norden der Ukraine möglich, behauptet die Fraktion. Ist das nach der Teilmobilmachung durch den russischen Präsidenten immer noch der Fall? Der Bund rechnet mit einer Zunahme der Zuwanderung um 200’000 Menschen im Jahr 2022. Die kleine Schweiz kann nicht alle aufnehmen. Deshalb muss genau hingeschaut werden. Die Menschen sollen hier Schutz bekommen, wenn sie aus dem Kriegsgebiet der Ukraine kommen. Es muss nun alles unternommen werden, dass die-ser Krieg beendet werden kann. Der Bundesrat präsentierte zwei Varianten zur künftigen Dienstpflicht. Bei der einen würden der Zivildienst und der Zivilschutz zusammengelegt, bei der anderen die Dienstpflicht auf Frauen ausgeweitet. Das Geschäft kommt zwar erst noch in den Nationalrat; doch wie ist Ihre Meinung zur zukünftigen Dienstpflicht? Ich bin für die Variante Zusammenlegen des Zivildienstes und des Zivilschutzes. Eine Dienstpflicht für die Frauen würde eine Änderung der Verfassung bedeuten.

Und zum Abschluss noch eine Frage ausserhalb der Traktandenliste: Ist der Ukraine-Krieg in Bundesbern auch persönlich ein Thema? Diskutieren die Parlamentarier über die Geschehnisse?

Ja, klar beschäftigt uns das Thema sehr stark, vor allem wegen der Teilmobilisierung der Russen.

Marcel Dettling

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