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Wenn andere noch schlafen …

Wenn andere noch schlafen … Wenn andere noch schlafen …

3.00 bis 5.00 Uhr: Zu Besuch in einer Backstube – Text und Fotos: Werner Bösch

«Brötli backen, wenn andere noch schlafen …»: Werner Bösch weiss nun, was es heisst, nebst anderem auch noch 1000 Sandwiches herzustellen.

2.58 Uhr: Das Quartier an der Kornhausstrasse liegt noch im Schlaf, während in der 2008 bezogenen Backstube der Firma Schefer fleissige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereits hellwach ihrer Arbeit nachgehen. Marcus, ein Bäcker aus Trübbach SG, empfängt mich gut gelaunt; nach einstündiger Autofahrt ist er seit 1.45 Uhr als Teil des Produktionsteams im Einsatz: Zusammen mit dem fröhlichen Teammitglied Daniela werden 100 Ruchbrot-Pfünderli und 55 Achteli bereitgestellt, deren Teig vor zwei Stunden gefertigt worden ist. Ich staune, wie die Arbeit speditiv und trotzdem genau ausgeführt wird. Marcus meint: «Macht Spass, in einem derart toll eingerichteten, modernen Betrieb arbeiten zu können. » Auf dem Weg zur Spedition, wo Angela seit gut 30 Minuten konzentriert die Bestellungen sortiert und mir erklärt, dass um 5.30 Uhr die erste Lieferung in die Höfe erfolgt, treffe ich auf Naim, der heute Morgen die fünf Backöfen «händelt» und gerade 200 Hamburger-Brötchen in das 235 Grad heisse Gerät schiebt, wo sie 12 Minuten verweilen werden. Den feinen Buttergipfeli nebenan bleiben noch fünf Minuten; beim Anblick läuft mir das Wasser im Mund zusammen.

* Zurück bei den Bäckersleuten vom Produktionsteam: Nicole und Jacqueline sind sich einig: «Zum Glück gibt es bei uns viel Handarbeit!» Mit unübersehbarem Geschick formen sie die Teige für das moderne 72-Stunden- Brot. An Weihnachten, so die Fachfrau mit einem 50-Prozent- Pensum, werde punkto Arbeitsintensität der Peak erreicht. Wenn dann Leute zum Beispiel krankheitsbedingt ausfallen, könne es mitunter recht stressig werden. Die kompetente Firmenleitung um Raffael Schefer jedoch sei ein grosses Plus. So könne vieles abgefedert werden. Überhaupt wird die «Chef-Etage» in hohen Tönen gelobt. * Draussen ist es noch immer dunkel. Ich verschiebe mich in die Abteilung, wo jetzt, um 3.30 Uhr, den Sandwiches zu Leibe gerückt wird. Corina – ihr Lieblingssandwich ist das Paillasse mit Salami – beginnt mit dem Aufschneiden der Bürli und dem Bestreichen mit Butter. Jeder Handgriff sitzt, alles geht schnell und präzise. Ich staune: 1000 (!) Sandwiches sollen es heute Morgen sein, mit dabei das aktuelle Monats- Sandwich mit Schinken und Käse, «verpackt» in ein Laugen-Tessinerli. Ich frage Corina, ob die frühe Tagwache Probleme mache. «Nein, ich habe mich längst daran gewöhnt. » Salome, die im gleichen Raum allerfeinste Canapés und belegte Brötchen herzaubert und am Ende des ers-ten Lehrjahres steht, ist heute um 3 Uhr gar mit dem E-Bike von Bennau zur Arbeit gefahren. Chapeau! Ab und zu kann sie mit der sympathischen Esther aus Steinerberg «mitriite». A propos Sandwiches: Ein beachtliches Sortiment davon ist bei Ladenöffnung um 5.45 Uhr im Geschäft am Sennhofplatz bereits erhältlich.

* 4.10 Uhr: Seit zehn Minuten steht jetzt auch «Tagesbäcker» Linus im Einsatz. Seine Schicht dauert bis 13 Uhr. Jacqueline meint, herzhaft lachend: «Er isch en dienige Kerli!» Und eben die-ser Linus zückt den Meter, um damit das 1,5 Meter lange Partybrot zu vermessen. Zwei solche Brote sind für den Nachmittag bestellt. Eine gute Stunde nach dem Formen des Teigs werden die Brote von Naim in den Ofen befördert.

* In der Konditorei sind aktuell drei Angestellte beschäftigt. «Am Freitag ist jeweils Wähentag, das war schon immer so», gibt man mir zu verstehen. Entsprechend gross ist dann das Angebot mit den verschiedensten Fruchtsorten wie Kirschen oder Aprikosen und Äpfel. Auch allerfeinste Erdbeertörtchen, 55 an der Zahl, nehmen dank Sarah mehr und mehr Gestalt an. Wer gern Süsses mag, wäre hier bestens aufgehoben! Bevor ich in der Spedition das Verladen der Fertigprodukte verfolge, mache ich einen Umweg via Weggli-Produktion: 360 sind es heute.

* 5.00 Uhr: Ich treffe Bäcker-Konditor Peter Marty, den Allrounder. Nach seiner 5.30-Uhr-Tour wird er als Tages- und Lebkuchenbäcker im Einsatz stehen. Oder Andi: Er übernimmt die «Znünitour 2»: Sie führt nach Bäch, Freienbach, Pfäffikon und Altendorf, wo in den Industriegebieten Sandwiches, Brote, Süssigkeiten und Getränke für die Pause angeboten werden. «Ein Bedürfnis! », meint Andi. Die Sandwich-Abteilung arbeitet inzwischen mit zwölf Händen, bald dürfte die 1000er-Marke erreicht sein. Schon jetzt können sich die Konsumenten auf ein tolles Ess-Vergnügen freuen! Bevor ich meinen Besuch beende, zeigt mir Daniela, wie man mit fünf Teigsträngen einen Zopf formt. Ich staune abermals! Und sie könnte es gar mit zehn. Ich müsste schon bei zwei kapitulieren!

Ein Riesenkompliment an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denen ich zu früher Stunde über die Schultern schauen durfte. Ich empfinde grosse Bewunderung. In der Dämmerung nach 5 Uhr verlasse ich die Backstube. Auf dem kurzen Heimweg stelle ich mir vor, wie «sinnvoll» es wäre, könnten doch alle Konsumentinnen und Konsumenten der vielen, mit grossem Herzblut gefertigten Produkte einmal sehen, wie diese zwischen Mitternacht und Morgengrauen hergestellt werden. Wie vieles in unserer Konsum-Gesellschaft ist auch das selbstverständlich geworden!

Vielfach wird in Zweierteams gearbeitet, hier mit Marcus und Daniela.

Für die Erdbeertörtli werden frische, süsse Früchte verwendet.

Mit geschickten Händen entstehen allerfeinste Sandwiches.

Naim, heute der «Ofenmeister», zeigt das 1,5 Meter lange Partybrot.

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