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«Bei den Löhnen, die Staatsbetriebe zahlen, können wir einpacken»

«Bei den Löhnen, die Staatsbetriebe  zahlen, können wir einpacken» «Bei den Löhnen, die Staatsbetriebe  zahlen, können wir einpacken»

Nach bald zwölf Jahren steht für Heinz Steiner das letzte Jahr als Präsident des VSSM Kanton Schwyz, dem Verband Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten, an. Mit uns spricht er über die starke Auftragslage, aber auch die grossen Herausforderungen für die Schwyzer Schreinerbetriebe: Lieferschwierigkeiten, Teuerung und Fachkräftemangel.

ANOUK ARBENZ

Sie sind Präsident des VSSM Kanton Schwyz mit 84 Mitgliedern. Nächstes Jahr endet Ihre Amtszeit. Hätten Sie gerne weitergemacht? Das Präsidentenamt ist eine spannende Tätigkeit, ich bin immer gerne an die Sitzungen gegangen, aber es ist gut, dass es eine Amtszeitbeschränkung von zwölf Jahren gibt. Es braucht wieder einmal einen Wechsel. Ihre Verbandskollegen sind gleichzeitig auch Ihre Konkurrenten. Ist das nicht merkwürdig?

Ja, anfangs schon. Tagsüber kämpft man um denselben Auftrag und am Abend isst man zusammen. Durch die Gespräche und Diskussionen realisiert man dann aber, dass wir alle mit denselben Problemen zu kämpfen haben. Ausserdem gibt es auch Möglichkeiten, zusammenzuarbeiten. Wichtig finde ich, dass man gute Umgangsformen hat und Argumente sachlich vorbringt, denn nur so kommt man vorwärts. Wie läuft die Suche nach einer geeigneten Nachfolge? Wir sind dabei, die Liste der möglichen Kandidaten durchzugehen. Der Run ist natürlich nicht gross auf diesen Posten. Die Bereitschaft, etwas Zusätzliches zu machen, sinkt. Aber da finden wir schon jemanden.

Die Auftragslage ist stark für die Schreinerbetriebe. Können diese der Nachfrage noch nachkommen? Kaum, wir sind alle voll ausgelastet. Und es werden noch mehr Aufträge werden, denn bei Stammkunden kann man nicht einfach Nein sagen. Die Mitarbeitenden sind extrem gefordert. Das kann nicht ewig so weiter gehen. Irgendwann muss man ihnen Zeit geben, um sich zu erholen. Woher kommt dieser Boom?

Der Boom hat grundsätzlich mit der Pandemie angefangen. Die Leute sind in der Schweiz geblieben. Es wurde viel Zeit im Ferienhaus verbracht. Das Geld war da, also haben sich viele entschieden, in ihr Haus zu investieren – eine neue Küche oder neue Fenster zum Beispiel. Der Nachbar siehts und kommt auf dieselbe Idee. Ein weiterer starker Treiber ist das Thema Energiesparen. Dazu gehört auch die Dämmung und Isolation. Wenn das Ziel lautet netto Null bis 2050, muss noch einiges gehen. Da reicht es nicht, einfach ein paar Photovoltaik-Anlagen aufzustellen. Es braucht neue Gebäudehüllen, aber auch die Infrastruktur und die Technik muss sich wandeln. Der Druck in diese Richtung wird immer mehr steigen. Wer in einer älteren Wohnung lebt, zahlt zwar nicht viel Miete, dafür hohe Nebenkosten, weil sie energietechnisch nicht so effizient ist. Vermieter älterer Häuser kommen so unter Zugzwang und sagen sich: «Jetzt muss ich etwas machen, sonst muss ich zu einem Zins vermieten, der nicht mehr lukrativ ist.» Immer mehr Menschen möchten aber auch von sich aus ökologischer wohnen. Ja, hier läuft sehr viel. Selbst ältere Menschen und politisch Rechtsmotivierte kommen auf uns zu und sagen: «Wir wollen neue Fenster. Wir möchten auch unseren Beitrag leisten.» Auch der lokale Aspekt ist im Trend. Die Kunden sind bereit, etwas mehr Geld in die Hand zu nehmen, wenn das bedeutet, dass ihre Produkte lokal produziert werden. Leider gibt es Schreinerbetriebe, die das ausnützen und die Küche dann doch in Polen bestellen. Das darf natürlich nicht sein. Gehen Sie davon aus, dass der Bauboom anhalten wird? Davon bin ich überzeugt. Es braucht immer mehr Wohnraum. Ich hoffe, dass man künftig möglichst verdichtet bauen kann, um nicht noch mehr Land zu verlieren, aber ganz ohne wird es nicht gehen. Beim verdichteten Bauen sehe ich gerade für den Holzbau gute Chancen. Beton eignet sich dafür weniger, weil es zu schwer ist.

Ist das Naturprodukt Holz heute also relevanter als früher? Es hat stark an Bedeutung zugenommen, ja. Früher konnte man vielleicht ein Einfamilienhaus aus Holz bauen, ein Mehrfamilienhaus war aus Brandschutz- und Schallschutzgründen aber zu aufwendig. Heute können wir 100 Meter hohe Holzhäuser bauen. Gleichzeitig ist das Wohnen in einem Holzgebäude beliebt, weil es ein behagliches Raumgefühl vermittelt. Kein Wunder also, dass die Nachfrage nach Holz sehr gross ist. Lange Lieferfristen und hohe Preise sind das Resultat … Ja, und die Situation der Verfügbarkeit war schon vor dem Krieg angespannt. Die USA und China haben Europa viel Holz weggekauft. Die USA, weil Trump sich damals von Kanada lösen wollte, und China kauft sowieso alles ein, was es in die Finger bekommt. Mit dem Krieg beschleunigte sich das «Hamstern » noch. Ich muss heute fast neun Monate auf eine Bestellung warten und das Doppelte fürs Holz bezahlen. Gewisses Holz ist gar nicht mehr verfügbar, etwa Eiche aus der Ukraine. Haben wir denn in der Schweiz nicht genug Holz? Genug Holz schon, aber wir ha-ben zu wenige Sägereien. Diese brauchen relativ viel Platz. Heute ist es oftmals so, dass das Schweizer Holz im Ausland weiterverarbeitet wird und dann wieder zurücktransportiert wird. Das ist aber im Begriff, sich zu ändern. Das Bedürfnis nach einer lokalen Produktion steigt. Investitionen in neue Sägereien werden aber erst kommen, wenn man sich sicher ist, dass dieser Boom auch anhält. Da geht es um Millionen. Versucht man in Zeiten des Mangels, Holz zu recyceln? Aktuell noch nicht, weil es aufgrund der Bauweise zu aufwendig ist, das Holz von den anderen Materialien zu trennen. Es hat aber ein Umdenken stattgefunden: Heute überlegt man sich bereits bei der Gebäudeplanung, wie dieses an seinem Lebensende einfach wieder auseinandergebaut und ein Teil davon wiederverwendet werden kann. Das steckt aber noch in den Kinderschuhen. Verfügbarkeitsprobleme gibt es auch bei Maschinen und weiteren Materialien. Wie betroffen sind die Schreinereien davon? Genau. Eine Zeit lang waren zum Beispiel die Schubladenauszüge einfach nicht mehr verfügbar. Normalerweise hat man so 50 davon an Lager. Aus Angst, dass man diese bald nicht mehr bekommt, hat jeder 1000 statt 50 bestellt. So machte es «Schwups» und alle waren weg. Jetzt beträgt die Lieferfrist sieben Monate bei unverschämt hohen Preisen. Maschinenteile, Scharniere, Glas, Metall- und Elektroteile, LED – da ist überall Geduld gefragt. Das ist einerseits für den Kunden unerfreulich, auch wenn er in den meisten Fällen Verständnis zeigt, aber auch für uns mühsam, denn wir müssen ja erneut vorbeigehen, das kos-tet wieder.

Es scheint, als habe es die Schreinerin oder der Schreiner mit immer mehr Materialien und Fachbereichen zu tun. Stimmt dieser Eindruck? Das nimmt immer mehr zu, ja. Viele haben noch dieses klassische Bild des Schreiners vor Augen, der hinter der Werkbank im Sägemehl steht. Das ist völlig veraltet, denn der Holzanteil nimmt immer mehr ab. Schreiner arbeiten mit Farben, mit Glas, Elektrik, Metall, Stein und mit Kunststoff. Sie programmieren am Computer, kennen sich mit Lüftungssystemen aus, machen den Plan für den Sanitär und den Elektriker, koordinieren die Abläufe auf der Baustelle und so weiter. Das wird von ihm oder von ihr einfach erwartet. Für uns ist und wird es schwierig bleiben, gute Leute zu finden, die das alles bewältigen können. Wirkt diese grosse Verantwortung also eher abschreckend? Auf gewisse Leute schon. Manche Lernende sind eher introvertiert und träumen davon, mit Massivholz zu arbeiten, ihre eigenen Möbel zu kreieren. Und dann gibt es andere, die genau diese Vielseitigkeit des Berufs lieben, wenn kein Tag wie der andere ist. Mir ist wichtig, dass diese zwei Welten nicht auseinanderklaffen; dass nicht der eine plant und programmiert und der andere ist nur die Arbeitsbiene. Das wäre quasi eine Zweiklassengesellschaft innerhalb des Schreinerbetriebs. Schaffen es die Schwyzer Schreinerbetriebe, ihre Lehrabgänger zu halten? Das ist ein Problem. Dadurch, dass sich Schreiner mit so vielem auskennen, sind es gesuchte Leute. Staatliche Betriebe wie Schulen, Gemeinden oder der Kanton können höhere Löhne zahlen und attraktivere Arbeitsbedingungen bieten. Da können wir «zusammenpacken ». Wir bilden die Leute aus, investieren in sie, und dann sind es aber andere, die davon profitieren. Ich würde gerne mehr Lohn auszahlen, aber es geht einfach nicht. Man kann darüber diskutieren, ob wir die Preise anpassen müssten, aber ich bin überzeugt, dass die Staatsbetriebe dann einfach auch die Löhne anheben. Ausserdem können wir gegenüber dem Ausland nicht immer teurer werden. Wie versucht der Verband, diese Abwerbung zu verhindern? Man versucht, möglichst attraktive Arbeitsplätze anzubieten – mit Teilzeit- und Weiterbildungsmöglichkeiten, Teambuilding- Events. Ausserdem versuchen wir, den weiblichen Teil der Bevölkerung zur Schreinerei zu bewegen. Aktuell liegt der Anteil bei etwa 18 Prozent.

Wie sieht es mit Quereinsteigern aus?

Auch darüber diskutiert man im Verband. Die Frage ist, ob man einen vereinfachten Lehr-gang für Quereinsteiger anbieten möchte.

«Das verstaubte Image des Schreiners müssen wir loswerden.» «Ich sehe gute Chancen für die Schreinerbetriebe. Aber es braucht halt die Leute, die all diese Arbeiten ausführen.»

Heinz Steiner führt die Steiner Schreinerei Fensterfabrik AG in Trachslau. Foto: Anouk Arbenz

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