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«In der Tat ist das ein buchhalterischer Trick»

«In der Tat ist das ein buchhalterischer Trick» «In der Tat ist das ein buchhalterischer Trick»

VICTOR KÄLIN

Corona ist noch nicht vorbei. Derzeit beschäftigt sich die Politik vor allem mit den Corona- Schulden. Der Nationalrat will die Hälfte davon mit vergangenen Überschüssen aus dem ordentlichen Haushalt verrechnen. Der Abbau der anderen Hälfte soll bis 2031 mit dem Einsatz von strukturellen Gewinnen sowie Zusatzausschüttungen der Nationalbank erfolgen. Die «NZZ» schreibt, dass die Grosse Kammer zum Zauberstab greift … Es ist in der Tat ein buchhalterischer Trick, der aber rechtlich zulässig ist. Über allem steht die Schuldenbremse. Diese wurde 2004 eingeführt damit sich unser Land nicht zusätzlich verschuldet. Seither hat die Schweiz zirka 30 Milliarden Schulden abgebaut. Bei ausserordentlichen Situationen erlaubt es diese Bremse, sich zu verschulden, was aber in einer gewissen Zeit wieder abgebaut werden muss.

Ich habe für den Kompromiss gestimmt, die Hälfte der angehäuften Coronaschulden geplant bis 2031 abzubauen und die andere Hälfte mit den abgebauten Schulden zu verrechnen. Gegenüber dem Schuldenstand bei Einführung der Bremse nimmt die Verschuldung nicht zu. Damit wird das Ziel der Schuldenbremse eingehalten.

Nochmals Corona: Im Alltagsgeschehen ist Corona derzeit kein Thema. Wie sieht es im Bundeshaus aus? Im Bundeshaus gelten keine Schutzmassnahmen mehr. Der Betrieb läuft wie vor Corona. Es hat wieder eine grosse Menge Besucher und es finden ausserhalb des Bundeshauses über Mittag und am Abend viele Anlässe statt. Am Mittwochabend fand der beliebte Bier-abend statt, an der sogar Frau Bundesrätin Viola Amherd teilnahm.

Zurück in den Ratssaal: Nicht nur im Kanton Schwyz, auch auf Bundesebene laufen Jugendliche bei den Parlamentariern auf. Der Nationalrat hat entschieden, dass Jugendliche die Forderungen der Jugendsession auch künftig nicht in den zuständigen Parlamentskommissionen präsentieren können. Wie ist Ihre Meinung dazu? Wenn Jugendliche sogar in der Parlamentskommissionen das Recht erhalten, ihre Anliegen vertreten zu können, würde das den zeitlichen und thematischen Rahmen der Kommissionsarbeit sprengen. Es steht aber den Kommissionen frei, Jugendliche zu Anhörungen einzuladen. Ich meine das genügt. Ebenfalls abgelehnt hat der Nationalrat zwei parlamentarische Initiativen, die Ausländerinnen und Ausländern nach fünf Jahren in der Schweiz mehr Mitbestimmungsrechte gewährt hätten. Auch dieses Anliegen ist damit vom Tisch.

Ich bin der Meinung, dass der Weg zur politischen Mitbestimmung über die Einbürgerung gehen muss. Damit ist gewährt, dass sie über gewisses politisches Grundwissen verfügen. Der Nationalrat beschäftigt sich mit dem Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative. Die Umweltkommission will die Schritte zur Erreichung des Nettonull- Ziels ins Gesetz schreiben. Was mir als Finanzpolitiker Sorgen bereitet, ist nicht das Ziel, das ins Gesetz geschrieben werden soll, sondern die Finanzierung der Massnahmen. Es sollen zukünftig zirka 400 Millionen jährlich für den Ersatz von den fossilen Heizungen zur Verfügung gestellt werden. Beim abgelehnten CO2-Gesetz wäre die Finanzierung ausserhalb des ordentlichen Bundeshaushalts geregelt gewesen. Jetzt wird dieses Geld aus der allgemeinen Bundeskasse genom-men, was die Bundesfinanzen erheblich belasten und zu rigorosen Sparmassnahmen führen wird.

Blicken wir über das Bundeshaus hinaus: Gestern Donnerstag wurde die Schweiz für zwei Jahre in den Uno-Sicherheitsrat gewählt. Das Rendez-vous mit den Weltmächten fällt in eine angespannte Zeit. Befürworten Sie das Engagement der Schweiz in diesem Uno-Gremium?

Ich habe die Einsitznahme in den Sicherheitsrat nicht unterstützt und stelle die Wirksamkeit solcher Gremien infrage. Die Ukrainekrise beweist, dass solche Gremien nichts bewirken können. Auch im Rahmen der Neutralität wird – mindestens in der Politik – der Ukraine-Krieg betrachtet. Wie passen für Sie Kriegsmaterialausfuhr und Neutralität zusammen? Die gesetzlichen Grundlagen erlauben keine Ausfuhr von Waffen in kriegsführende Länder. Diese gesetzlichen Grundlagen müssten zuerst geändert werden. Aus meiner Sicht sind die Voraussetzungen, unter Notrecht gewisse Waffenausfuhr zu genehmigen, nicht gegeben. Die Neutralität muss unter den aktuellen Voraussetzungen neu definiert werden.

Ebenfalls im Fokus des Nationalrats steht das Embargogesetz. Thema in beiden Räten ist auch die Sperrung von Oligarchen- Vermögen. Wie weit kann oder sollte die Schweiz hier vorpreschen?

Die Schweiz hat konkret schon grosse Vermögenswerte von russischen Oligarchen gesperrt. Andere Länder, wie zum Beispiel die USA, sind hier eher symbolisch unterwegs. In Bern wird gemunkelt, dass die USA medienwirksam gewisse Yachten konfisziert, aber bei den Finanzvermögen nichts unternimmt.

Wie schätzen Sie die wirtschaftlichen Folgen des Ukraine- Krieges auf die Schweiz ein? Was droht unserem Land?

Die wirtschaftlichen Folgen des Krieges sind noch verkraftbar. Die Prognosen der Wirtschaftsfachleute sind unterschiedlich. Gegenüber anderen Staaten ha-ben wir die Teuerung noch einigermassen im Griff. Die Nationalbank macht einen guten Job. Doch jeder weitere Kriegstag schadet der ganzen Welt.

Alois Gmür

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