Veröffentlicht am

Das «Auffangnetz» der US-Notenbank hängt tiefer

Das «Auffangnetz» der US-Notenbank hängt tiefer Das «Auffangnetz» der US-Notenbank hängt tiefer

SZKB Standpunkt

In den vergangenen 40 Jahren erlitt der US-Aktienmarkt acht grosse Rückschläge von 20 Prozent oder mehr. In vier der acht Fälle betrug der Verlust zwischen 35 und 60 Prozent (Crash im Jahr 1987; Platzen der Technologieblase ab 2000; Finanzkrise ab 2007; Corona-Crash 2020). In den anderen vier Fällen endete der Rückgang ziemlich genau 20 Prozent unterhalb des vorangegangenen Höchststandes (irakischer Einmarsch in Kuwait 1990; Russlandkrise/LTCM 1998; Verlust des AAA-Ratings der USA 2011; Konjunkturschwäche 2018). Gemeinsam ist diesen vier Episoden, dass die amerikanische Notenbank Fed den Märkten zu Hilfe eilte: Sobald die 20-Prozent-Marke erreicht war, leitete die Zentralbank eine expansivere Geldpolitik ein. Dies stoppte die Abwärtsbewegung der Aktienkurse und trug wesentlich zur anschliessenden Erholung bei. Ähnlich wie eine Put-Option bewahrte die Fed also die Investoren vor grösseren Verlusten. Deshalb wird die Bereitschaft der US-Notenbank, die Märkte notfalls zu stützen, auch «Fed Put» genannt.

Sprung ins Jahr 2022: Mitte Mai notierte der S& P 500 Index rund 20% unterhalb des vorangegangenen Höchststandes. Kann somit auch jetzt mit rascher Hilfe der amerikanischen Notenbank gerechnet werden, falls die Aktienkurse weiter sin-ken? Wohl kaum. Denn die Kernteuerung notiert derzeit bei 4.9% – markant über dem Fed-Ziel von 2%. Gegen eine derart hohe Inflation hatten die Währungshüter seit den 1980er-Jahren nicht mehr zu kämpfen. Im Vergleich zu den vergangenen 40 Jahren hat die Fed deshalb deutlich weniger Spielraum, den Märkten mit billigem Geld zu Hilfe zu eilen. Solange kein klarer Rückgang der Inflation sichtbar ist, bräuchte es wohl viel, bis die Zentralbank eine geldpolitische Kehrtwende einleiten würde. Dennoch ist der «Fed Put» nicht völlig verschwunden. Denn in den USA ist der Aktienbesitz weit verbreitet, insbesondere auch zur privaten Altersvorsorge. Wenn die Aktienmärkte deutlich fallen, drückt das stärker als in Europa auf die Ersparnisse, den Konsum und die gesamte Konjunktur. Deshalb käme die Notenbank auch diesmal zu Hilfe, falls die Verluste zu gross würden. Nur bräuchte es dazu im Moment wohl mehr als die «typischen» 20 Prozent Rückschlag. Allerdings rechnen wir gegenwärtig nicht damit, dass die Aktienkurse nochmals deutlich sinken. Denn die Weltwirtschaft gleitet kaum in eine Rezession ab, und es sind schon recht viele Risiken in den Kursen eingepreist. Das «Auffangnetz» der Fed hängt derzeit also tiefer als in den vergangenen Jahren. Die Gefahr, dass es benötigt wird, dürfte aber gering sein.

REKLAME

Beat Pfiffner Leiter Research a.i.

Share
LATEST NEWS