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«Winterverluste bei den Bienen haben stark zugenommen»

«Winterverluste bei den Bienen  haben stark zugenommen» «Winterverluste bei den Bienen  haben stark zugenommen»

Ein Fünftel der Bienenvölker überlebte den Winter nicht. «Das ist der höchste Verlust seit zehn Jahren und ist dem kalten und nassen Frühling und Sommer 2021 geschuldet», sagt Martin Kälin, Bieneninspektor im Bezirk Einsiedeln.

MAGNUS LEIBUNDGUT

Wie viele Bienenvölker sind im letzten Winter eingegangen?

Den Winter überlebten 21,4 Prozent (Vorjahr 14,2 Prozent) der Bienenvölker schweizweit nicht. Das ist der höchste Verlust seit zehn Jahren und ist dem kalten und nassen Frühling und Sommer 2021 geschuldet. Im Bezirk Einsiedeln sind derweil im vergangenen Winter «nur» knapp 13 Prozent der Bienenvölker eingegangen.

Wieso halten sich die Winterverluste im Bezirk Einsiedeln in Grenzen? Der Grund hierfür liegt darin, dass rund um das Klosterdorf herum eine weniger intensive Landwirtschaft betrieben wird – im Vergleich zum Unterland. Aus diesen Gründen landen weniger Spritzmittel und Gifte in der Umwelt, die den Bienen naturgemäss sehr schaden.

«Im Bezirk Einsiedeln landen weniger Gifte und Spritzmittel in der Umwelt.»

Was sind die Gründe für den massiven Anstieg der Winterverluste?

Offensichtlich hängt es wie bei der schlechten Honigernte im letzten Jahr mit dem kalten und nassen Wetter zusammen. Auch der Polleneintrag für die Proteinversorgung der Bienen und speziell der Brut und der Königin wurde durch das schlechte Wetter im vergangenen Jahr vermindert. Dies führt zu einer Schwächung der Bienen. Generell nimmt das Nahrungsangebot für die Bienen ab, die Vielfalt an Pollen und Nektar sinkt. Dementsprechend leidet die Entwicklung der jungen Bienenvölker.

«Das Nahrungsangebot für die Bienen nimmt ab, die Vielfalt an Pollen und Nektar sinkt.»

Wie stark haben sich die Varroa- Milbe und deren Viren im Bezirk Einsiedeln verbreitet? Die Varroa-Milbe wurde in den 80er-Jahren aus China eingeschleppt und hat sich seither überall verbreitet. Diese Milbe ist gekommen, um zu bleiben: Die bringt man nicht mehr weg. Umso wichtiger ist eine gute Ausbildung der Imker: Nicht zuletzt dank dieser hält sich die Ausbreitung der Varroa-Milbe im Bezirk Einsiedeln in Grenzen. Das Laboratorium der Urkantone unterstützt die Imker in ihrer Arbeit und finanziert die Bekämpfung der Varroa-Milbe. Diese muss in Schach gehalten werden: Eine Übertragung und Ansteckung der Krankheit muss in jedem Fall verhindert werden. Stichtag ist heuer der 8. August, an dem die Imker aufgerufen sind, die Behandlung aufzunehmen.

Was bedeutet der Rückschlag mit den hohen Winterverlusten für die Imker nach einer rekordmässig schlechten Honigernte im letzten Jahr? Der heurige Frühling verläuft rekordverdächtig prächtig: Die Bienen fliegen dank des schönen Wetters aus wie verrückt. Dabei sollte die Witterung nicht zu heiss ausfallen, weil bei Hitze der Nektar in den Blumen und Blüten zu vertrocknen droht. Alles in allem wird die heurige Honigernte mit Bestimmtheit bes-ser als die letztjährige ausfallen. Was können Sie zur Nahrungsbasis der Bienen im Bezirk Einsiedeln sagen?

Die aus der schlechten Witterung im letzten Jahr resultierenden Folgen zeigen auf, dass die Nahrungsbasis der Bienen schmal ist. Besonders in den Sommermonaten finden sie auch in «normalen» Jahren wenig. Mit der gezielten Verbesserung des Blütenangebotes können solche Situationen für alle Bienen (Wild- wie Honigbienen) künftig entschärft werden. Just im landwirtschaftlich geprägten Bezirk Einsiedeln mit seinen viele Fettwiesen ist das Nahrungsangebot für die Bienen mager. Paradoxerweise ist denn die Nahrungsbasis in Städten wie Zürich besser, weil dort mehr Bäume und Blumen blühen. Mähen die Landwirte im Bezirk Einsiedeln die Wiesen zu früh? Auf grösseren Flächen oder auf regionaler Ebene können Ökowiesen gestaffelt gemäht werden: Zwei Drittel der Flächen ab dem 15. Juni und der Rest zwei Wochen später. Die Landwirte sind aufgerufen, vor dem Mähen die Bienenaktivität zu beobachten: Ist mehr als eine Biene pro zwei Quadratmeter auf dem Feld, sollte das Mähen möglichst verschoben werden. Ideal wäre, wenn die Bauern bei geringem Bienenflug mähen würden: Bei bedecktem Himmel, kühlen Temperaturen oder stärkerem Wind – oder vor 7 beziehungsweise nach 18 Uhr. So können Landwirte Bienen aktiv unterstützen und vor dem Mähtod retten.

«Die Varroa-Milbe ist gekommen, um zu bleiben. Die bringt man nicht mehr weg.»

Wie ist der Stand bei der Sauerund Faulbrut?

In der March, in Wangen, ist es zu einem Ausbruch der Faulbrut gekommen: Wie immer in solchen Fällen wurde ein Sperrkreis errichtet, die betroffenen Bienenstöcke sind abgetötet und verbrannt worden. Die Faulbrut der Bienen ist eine sehr ansteckende bakterielle Erkrankung der Bienenbrut. Die Krankheit betrifft nur Bienen: Sie ist für Menschen ungefährlich. Im Bezirk Einsiedeln ist die Sauer- und Faulbrut seit Jahren nicht mehr aufgetreten: Das hat just damit zu tun, dass sich die hiesigen Imker defensiv verhalten, wenig Handel betreiben und auf Import-/ Export-Geschäfte weitestgehend verzichten. Dank dieses Verhaltens werden auch kaum Krankheiten ins Klosterdorf eingeschleppt.

Das Nahrungsangebot ist im landwirtschaftlich geprägten Einsiedeln mager.»

Gibt es weitere Krankheiten, welche die Bienen heimsuchen?

Der Kleine Beutenkäfer ist ein gefürchteter Bienenschädling: Die ausgewachsenen Käfer und die Larven fressen Honig, Pollen und bevorzugt Bienenbrut. Beheimatet ist der Kleine Beutenkäfer in Afrika südlich der Sahara, von wo er sich nach Süditalien ausgebreitet hat. In der Schweiz ist noch kein Vorkommen gemeldet. Aber die Fälle in Süditalien sind alarmierend und verlangen auch von Schweizer Imkern erhöhte Aufmerksamkeit und die regelmässige Kontrolle der eigenen Bienenvölker. Hauptrisikofaktor für die Einschleppung des Kleinen Beutenkäfers in die Schweiz sind Importe von Bienen, Hummeln, Imkerei- Nebenprodukten sowie von gebrauchtem Imkereimaterial. Je nachdem wie die Ausbreitung in Italien weitergeht, könnte der Käfer auch auf natürliche Art in die Schweiz kommen. Falls er in Einsiedeln auftauchen sollte, müsste man mit schwerem Geschütz auffahren: Ein betroffener Stand müsste einen Meter rund um ein Bienenhaus herum abhumusiert und alles zusammen mit der Erde verbrannt werden. Wie wirken sich Pestizide auf die Bienen aus? Bienen reagieren auf Pestizide genau gleich wie die Menschen, wenn diese mit Gift kontaminiert werden: Sie werden krank davon. Dabei sind ja nicht nur Landwirte, sondern auch Gärtner und Hausbesitzer aufgerufen, möglichst auf Pestizide zu verzichten. Denn die Spritzmittel gelangen in den Boden und damit in den Kreislauf der Natur. Bis schliesslich Kühe, Schafe und Ziegen das vergiftete Gras fressen und wir die kontaminierte Milch trinken. Ist der Feuerbrand unterdessen gebannt? Um die Pflanzenkrankheit Feuerbrand bekämpfen zu können, wird das Antibiotikum Streptomycin eingesetzt, das schliesslich im Honig landet und diesen ungeniessbar macht. Weil der Feuerbrand vor allem Obstbäume befällt und diese auf einer Höhenlage von Einsiedeln nicht gedeihen, ist das Klosterdorf von diesem Problem befreit.

«Nicht zu übersehen ist, dass seit vielen Jahren ein grosses Insektensterben eingesetzt hat.»

Wie steht es um die Ausbildung von Jungimkern im Bezirk Einsiedeln?

Unsere Ausbildung steht auf einem hohen Niveau und ist bei jungen Leuten sehr beliebt: Derzeit haben wir elf Jungimkerinnen und Jungimker, die sich im ersten Kursjahr befinden. Es steht denn also gut um den Nachwuchs bei der Imkerei im Bezirk Einsiedeln: Fortlaufend findet eine Verjüngung statt. Vor zehn Jahren noch war man als Vierzigjähriger weitaus der Jüngste im Verein (lacht). Vielleicht mögen Filme wie «More than Honey» von Markus Imhoof dazu beigetragen haben, dass die Imkerei gerade bei jungen Leuten zum Trend geworden ist.

«Ein Bienenstich ist gesund. Bienengift ist ein wirksames Mittel gegen Krankheiten.»

Welche Herausforderungen kommen auf die Imkerinnen und Imker zu? Die Welt ändert sich fortlaufend – und mit ihr die Umstände auf diesem Planeten. Nicht zu übersehen ist, dass seit dreissig, vierzig Jahren ein grosses Insektensterben eingesetzt hat. Wer in den 70er- oder 80er-Jahren mit dem Auto unterwegs war, hatte im Sommer eine Windschutzscheibe voller Insekten. Heute gibt es keine Spur mehr davon. Bezüglich des Gedeihens der Bienen bin ich aber zuversichtlich: Ich glaube nicht, dass es zu einem grossen Bienensterben kommen mag. Die Bestäubung der Pflanzen verläuft weiterhin ungefährdet. Das ist nicht zuletzt dem Umstand zu verdanken, dass wir in einem privilegierten Land leben, in dem die Leute über viel Zeit und Geld verfügen – was hilft, eine Imkerei auf hohem Niveau betreiben zu können. Sind Sie auch schon einmal von einer Biene gestochen worden?

Oh ja, schon des Öftern. Ich deute dies als ein gutes Zeichen: Es weist darauf hin, dass die Bienen Kraft haben und «gwehrig» sind. Abgesehen davon ist ein Bienenstich gesund: Bienengift erweist sich als hochwirksames Mittel gegen Gelenkschmerzen und chronische Entzündungen.

Martin Kälin ist Bieneninspektor im Bezirk Einsiedeln: «Im Schnitt bringt ein Bienenvolk im Kanton Schwyz zwölf Kilogramm Honig pro Jahr ein.» Foto: zvg

Im Bezirk Einsiedeln sind im vergangenen Winter knapp 13 Prozent der Bienenvölker eingegangen. Schweizweit überlebte ein Fünftel der Bienenvölker den Winter nicht.

Foto: Apiservice

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