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Für viele unbekannte Tontrouvaillen

Für viele unbekannte Tontrouvaillen Für viele unbekannte Tontrouvaillen

Zahlreiche spezielle Sammelobjekte von Kari Hensler wecken die Neugier des Betrachters

Zum Glück hat der Anfang letztes Jahr verstorbene Kari Hensler seine unzähligen Einsiedler Sammelstücke sozusagen immer angeschrieben und mit Zusatzinformationen ergänzt. Wer sonst würde beispielsweise heute noch wissen, was ein Pfingstgugger ist?

MARLIES MATHIS

Sein Fundus ist enorm, und selbst für den grössten Teil der (jüngeren) Einsiedler würden etliche der von Kari Hensler, zum Tell, gesammelten Objekte wohl ein Rätsel aufgeben. Hätte er denn diese nicht angeschrieben und jeweils mit einigen interessanten, zusätzlichen Informationen verse-hen. So aber kann man zum Glück von noch so aussergewöhnlichen und unbekannten Gegenständen den Namen erfahren und lesen, wozu diese dienten und aus welcher Zeit sie stammen.

Im Museum Fram sind jeweils etliche dieser einzigartigen Sammelstücke ausgelegt und werden nach und nach digital katalogisiert und im Archiv aufbewahrt. Ein Beispiel sind die sogenannten Pfingstgugger und – schellen, die von einheimischen Hafnern bis etwa 1930 geformt und roh gebrannt wurden. In den 1935 publizierten volkskundlichen Aufzeichnungen des Einsiedlers Martin Gyr werden einige aufschlussreiche Hinweise dazu überliefert.

Da wird berichtet, wie in Einsiedeln jeweils am Morgen des Pfingstsonntags die Hafner vor dem Rathaus einen Stand aufstellten und für je einen Batzen der Jugend «Gugger» und «Schälle » feilboten. Weiter vermerkte er dazu, dass sich gegen Mittag überall im Dorf herum Gugger und Schellen hören liessen.

Der Pfingstgugger – eine Gefässpfeife Der Pfingstgugger ist ein Instrument in Form einer Art Fässchen von rund sechs Zentimetern Höhe und fünf Zentimetern Breite und mündet in einem Ende in eine etwa ein Zentimeter grosse Öffnung. Die gegenüberliegende Seite ist flach und mit einer Stimmritze versehen.

Beim Spielen dieser Gefässpfeife wird die gerade Tonwand an die Unterlippe gelegt, während sich die Oberlippe über die Spaltöffnung wölbt. Die Stimmritze presst den Atemstrom zusammen, bringt ihn zum Schwingen und in einem warmen Ton zum Klingen. Wird das eine Griff-loch geschlossen, erhält man einen um eine Terz tieferen Ton. So erzeugen die Gugger zwei Töne, die mit dem natürlichen Ruf des Kuckucks genau übereinstimmen und so damals den Sommer einläuteten.

Diese gebauchte Pfeife wurde vor rund hundert Jahren hauptsächlich von den Knaben geblasen, und die Mädchen schlugen vorwiegend die Pfingstschelle an, beides symbolische Zeichen des Frühlings. Auch die Glocke aus gebranntem Ton und dem mit einer Schnur befestigten Klöppel war viel mehr als Kinderspielzeug denn als Wallfahrtsandenken gedacht, habe aber wohl ursprünglich auch als Wetterglöcklein gedient.

Selbst für das Jugendfest 1926 wurden extra solche Pfingstgugger hergestellt, verziert, glasiert und beschriftet. Der letzte einheimische Hafner, der solche produzierte, war Lorenz Merz, der 1946 verstarb. Auf dessen Totenbildchen ist denn auch ein Regal voller Glocken und Pfeifen zu sehen und darunter ist zu lesen: «Dini töinigä Guggärä und Pfingstäschälla sind jetz verklunge …».

Aus der Versenkung geholt Erfreulicherweise hat dann aber der Einsiedler Töpfer Willi Auf der Maur später diese Tradition wieder aufgenommen und ebenfalls solche Pfingstgugger produziert, wenn auch in neuer und schlankerer Form und er hat sie im Vergleich zu früher alle glasiert. Entdeckt habe er diese vor vielen Jahren in einer kleinen Ausstellung in einem Schaukasten von Kari Hensler, wie er auf Nachfrage erzählt. Da sei natürlich seine Neugier als Keramiker geweckt gewesen, und im Gespräch mit «Tälle-Kari» habe er einiges darüber erfahren. Ausserdem habe er dazumal einen Artikel von Wernerkarl Kälin (WKK) dazu im Einsiedler Anzeiger gelesen.

Da dieser Pfingstgugger etwas ganz typisch Einsiedlerisches gewesen sei, sei ihm dann die Idee gekommen, den geladenen Gästen anlässlich der Einweihung seines Töpferei- Geschäfts im Jahr 1968 einen solchen, der mit dem Eröffnungsdatum graviert war, zu schenken. So kam diese Pfingstpfeife weit herum, wurde doch auch der Lehm, den die Ziegelei der Familie Auf der Maur in der Region Einsiedeln förderte, in alle Ecken der Schweiz geliefert, und viele dieser Kunden waren an der Einweihung in Einsiedeln dabei.

Mit diesem Lehm habe er übrigens schon als Kind «eifach öppis umeknättet», erzählt Willi Auf der Maur lachend. Dabei muss er beim Modellieren anscheinend schon in jungen Jahren Talent an den Tag gelegt ha-ben, sonst hätte Marie Gyr-Lienert, eine Verwandte des Einsiedler Autors und Dichters Otto Hellmut Lienert, ihn wohl nicht gedrängt, Töpfer zu werden. Und diese Leidenschaft hat ihn während seiner Lehre in Kreuzlingen, seiner Meister-Ausbildung im Keramik-Handwerk in Deutschland und seiner Schaffenszeit in Einsiedeln tatsächlich nie losgelassen.

Edle Spielzeuge aus Ton Ebenfalls in den Wochen vor dem Pfingstfest wurden in der Hafnerhütte im Unterdorf von Einsiedeln, welche ansonsten Küchen- und Essgeschirr produzierte, bis etwa 1920 auf Drehscheiben von Hand wunderschöne kleine Becken, Krüglein und andere Geschirrchen aus Lehm hergestellt und teilweise ebenfalls mit verschiedenen Farben und Mustern verziert. Gebrannt wurden diese in primitiven Öfen mit Holzfeuerung. Diese kleinen und wunderschönen Gefässe, genannt «Pfingschtägschirrli», da die Hauptverkaufszeit ebenfalls um diesen hohen kirchlichen Feiertag eingebettet war, wurden an Einheimische und Fremde verkauft. Die edlen kleinen Objekte, die den grossen Originalen in nichts nachstanden, dienten dann jeweils den Kindern, als diese bei sommerlichen Temperaturen endlich wieder im Freien sein und Zeit miteinander verbringen konnten, als Spielzeuge. Selbst in Meinrad Lienerts Gedicht «d’Waldlüt vo Einsiedle» von 1917, welches die Wesensart und das Wirken der Einsiedler beschreibt, wird in der vier-ten Strophe dieses «Pfingstetökelgschirrli » erwähnt.

Die Söhne von Willi Auf der Maur Christoph (links) und Adrian, die am Blasen seiner aus Ton geformten Pfingstgugger sind.

Fotos: zvg

Zum Glück hat Kari Hensler, zum Tell, auch die damals in der Einsiedler Hafnerhütte aus Ton geformten Pfingstgugger und Pfingstschellen gesammelt und so für die Nachwelt erhalten.

Fotos: Marlies Mathis

Da formt Willi Auf der Maur in seiner Werkstatt vor über 40 Jahren an der Töpferscheibe einen Pfingstgugger.

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