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Sternkunde

ERNST FRIEDLI

Ob das Konsequenzen hat für Klärli und mich, weiss ich nicht. Aber mindestens regt die kürzliche Entdeckung des Sternes «Earendel » zu gedanklichem Staunen an: Er liegt offenbar in einer 12,9 Milliarden Lichtjahre von unserer Erde entfernten Galaxie, weshalb sein Licht 12,9 Milliarden Jahre braucht, bis es bei uns ankommt. Wenn es dann hier ist, sehen wir, wie der Stern vor 12,9 Milliarden Jahren ausgesehen hat. Wir blicken dabei präzis 12,9 Milliarden Jahre in die Vergangenheit.

Das ist beeindruckend. Besonders wenn man weiss, dass «Earendel » heutzutage nicht mehr existiert, weil er wegen seiner Grösse nach maximal 600 Millionen Jahren explodiert sein muss. Wir sehen also jetzt, was es seit Milliarden von Jahren nicht mehr gibt. Hätten wir als Menschen länger Zeit, könnten wir diesen Stern in 600 Millionen Jahren verlöschen sehen. Klärli meint, das sei zwar gedanklich recht kompliziert, aber trotzdem erstaunlich, dass wir so in die Vergangenheit schauen könnten.

Zum Glück ist das bei unserer eigenen Sonne etwas einfacher. Ihr Licht braucht nur acht Minuten von ihr bis zu uns. Das ist im Vergleich zu «Earendel» ein Katzensprung. Deshalb ist das Sonnenlicht auch nach acht Minuten Flugzeit immer noch angenehm warm, was im Allgemeinen geschätzt wird. Da haben wir mit unserem Sonnensystem im Weltall doch riesiges Glück gehabt, auch wenn nicht ganzjähriges Bade-wetter herrscht. Und wenn unsere Sonne dann einmal verlöschen sollte, werden wir wenigstens noch acht Minuten sonniges Wetter haben. Es sei denn, es wäre stark bewölkt.

* Ernst Friedli, 64, seit 31 Jahren verheiratet mit Klärli, geborene Schönbächler. Nichtraucher und Sachbearbeiter im Rathaus, steht unter Amtsgeheimnis. Macht sich in der Freizeit Gedanken zur Weltlage und rechnet mit der Gegenwart der Vergangenheit.

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