Veröffentlicht am

Die Unterstützung der regionalen Presse ist mein Hauptargument

Die Unterstützung der regionalen  Presse ist mein Hauptargument Die Unterstützung der regionalen  Presse ist mein Hauptargument

« Die Unterstützung der regionalen Presse ist mein Hauptargument

» Nationalrat Alois Gmür

«

Ein Nein führt nicht grundsätzlich zu einem Qualitätsabbau

» Kantonsrat Roland Lutz

Nationalrat Alois Gmür und Kantonsrat Roland Lutz kreuzten am 19. Januar verbal die Klingen zur Bundesvorlage über das Massnahmenpaket zugunsten der Medien.

VICTOR KÄLIN

Wie hoch ist Ihr Vertrauen in die Schweizer Medien? Gmür: Es kommt darauf an, welche Medien gemeint sind – Zeitungen, Radio, Fernsehen, elektronische Medien … Das Vertrauen insbesondere in elektronische Medien ist nicht besonders hoch. In Zeitungen, Radio und Fernsehen habe ich hingegen ein sehr hohes Vertrauen.

Auf einer Vertrauensskala von 1 bis 10 … Gmür: Bei jenen Medien, die ich konsumiere, ists eine 8.

Was stärkt Ihr Vertrauen? Gmür: Als Politiker – Bezirksammann, Kantonsrat und jetzt Nationalrat – sowie als Unternehmer erlebe ich an der eigenen Person, wie die Berichterstattung funktioniert. Es gibt viele Medien, die gut recherchieren und sich um eine objektive Berichterstattung bemühen. Ich erlebe aber auch andere, welche boulevardmässig «etwas in die Welt hinaus behaupten …». Diese konsumiere ich allerdings sehr selten. Ich stelle fest, dass sich die bezahlten Medien deutlich mehr Mühe geben, um gut zu informieren.

Und wie hoch ist Ihr Vertrauen in die Schweizer Medien? Lutz: Ich kann meinem Vorredner beipflichten: Es gibt Medien mit extrem schlechter Qualität und solche mit guter Qualität. Da möchte ich die NZZ hervorheben mit ihren hervorragend recherchierten Berichten. Da stehen Leute dahinter, die ihr Handwerk verstehen. Für die von mir konsumierten Medien gibts eine 8.

Was schwächt Ihr Vertrauen? Lutz: Es beginnt beim ungeeigneten Personal – von der Orthografie über Sachkenntnisse bis zur Allgemeinbildung. Wie sollen solche Journalisten das Gehörte einteilen und verorten können?

Was stört Sie am meisten an der Abstimmungsvorlage? Lutz: Der Etikettenschwindel! Man gibt vor, vorwiegend die Kleineren zu unterstützen. Ich stelle aber fest, dass der vorgeschlagene Subventionsausbau zu 70 Prozent bei drei, vier Grossverlagen landet – alles Aktiengesellschaften, welche jetzt schon recht hohe Gewinne machen.

Ist das so? Gmür: Die Vorlage hat sich tatsächlich so entwickelt, dass auch Grossverlage unterstützt werden. Weil wir merkten, dass die Grossen die gleichen Probleme ha-ben wie die Kleinen: schwindende Werbeeinnahmen und sinkende Auflagen. Auch die Grossverlage laufen in finanzielle Probleme hinein. Sie geben ja nicht nur eine Zeitung wie «Blick» oder «Tages- Anzeiger» heraus, sondern tragen über ihre verschiedenen regionalen Titel zur Medienvielfalt in unserem Land bei. Zusätzlich kommt gerade bei den Grossen der Online-Auftritt hinzu; auch hier ist es wichtig, die gleichen Qualitätsstandards zu ermöglichen wie bei einer gedruckten Zeitung …

Die Frage war: 70 Prozent der zusätzlichen Massnahmengelder gehen an die Grossverlage? Gmür: Ich kann das aus dem Stegreif nicht bestätigen. Aber das interessiert mich nicht grundsätzlich. Massgebend war und ist für mich, dass die regionale Presse gefördert wird. Das ist für mich die wichtigste Ebene. Auch wenn die 70 Prozent stimmen sollten, mag das so sein. Für mich standen immer die kantonalen Zeitungen wie Einsiedler Anzeiger, Bote der Urschweiz, Höfner Volksblatt oder March Anzeiger im Vordergrund. Da nehme ich den von Roland Lutz erwähnten «Etikettenschwin- del» in Kauf. Das ist verkraftbar. Die Unterstützung der regionalen Presse ist mein Hauptargument.

Zeitungsverlage sind nicht die ersten, die vom Bund Geld erhalten sollen. Was wird bereits alles subventioniert? Gmür: Da gibt es unzählige Branchen. Ich erinnere an die Landwirtschaft, den öffentlichen Verkehr, das Gesundheitswesen, die Kultur … Es gibt verschiedenste Bereiche, die mit öffentlichen Geldern unterstützt werden. Die Medienlandschaft und insbesondere Zeitungen sind für mich auch Kultur.

Und warum sollen die Medien nicht auch ein Stück vom Kuchen erhalten? Lutz: Sie erhalten ja bereits ein Stück davon: Seit 1849 wird der Postversand subventioniert und die Medien profitieren zusätzlich auch von tieferen Mehrwertsteuersätzen. Die aktuelle Vorlage dient lediglich dazu, die bisherige Unterstützung massiv auszuweiten. Und ich muss nochmals kritisieren: 70 Prozent gehen an die rentablen Grossverlage. Gmür: Es stimmt, dass man die Zeitungen über den Postversand schon immer subventioniert hat. Aber das wirtschaftliche Umfeld hat sich für die Verlage insbesondere mit den rückläufigen Werbeeinnahmen verschärft. Facebook, Youtube und dergleichen lassen grüssen. Die Situation ist akut. Das Massnahmenpaket ist auf sieben Jahre beschränkt; danach schaut man, was es bewirkt. Ich war lange im Verwaltungsrat des Einsiedler Anzeigers und sah selbst, wie stark Medien, speziell gedruckte Zeitungen, finanziell unter Druck stehen. Da muss man etwas machen, um Medienvielfalt und Meinungsvielfalt zu unterstützen.

Lutz: Was die Informationsaufgabe der Medien betrifft, unterschreibe ich Gmürs Aussagen zu 100 Prozent. Nicht einverstanden bin ich jedoch bei der Frage des Mediums: Es muss nicht zwingend eine gedruckte Zeitung sein. Es kann sehr wohl auch eine Online-Ausgabe sein. Das ist der Gang der Dinge. Für die Meinungsbildung und die Qualität des Journalismus spielt das keine Rolle. Gmür: Eine gedruckte Zeitung in den Händen zu halten und zu lesen ist für mich ein Stück Lebensqualität …

Lutz: Das ist ein Luxus, den nicht die Allgemeinheit zahlen muss.

Ein weiterer Kritikpunkt am Mediengesetz kumuliert sich im Vorwurf «Staatsmedien»: Wollen Sie sich als Bundesparlamentarier die Medien mit Geld gefügig machen?

Gmür: Die Medien werden überhaupt nicht gekauft. Und ich glaube auch nicht, dass sich irgendeine Redaktion deswegen einschüchtern lässt. Es ist ja das Parlament, welches die Gelder spricht. Und das Parlament ist sehr heterogen zusammengesetzt. Da gibt es keine Mehrheit, die sagt, dem und diesem geben wir kein Geld mehr … Der Gedanke einer direkten Einflussnahme ist schlichtweg «jenseits».

Sehen Sie das auch so, Herr Lutz? Lutz: Ich sehe es etwas differenzierter. Es ist eine Frage vom Mass der Abhängigkeit. Bei einem Subventionierungsgrad von 20 Prozent sehe ich die Gefahr auch nicht. Bei Onlinemedien, welche bis zu 70 Prozent unterstützt werden, ist eine Abhängigkeit aber klar da … Apropos Abhängigkeiten: Muss man als Medienkonsument und -konsumentin nicht hellhörig werden, wenn Marc Walder als Ringier- CEO in Zusammenhang mit der Corona-Berichterstattung seine Redaktionen auf Bundesrats- Kurs trimmt – und dies erst noch geheim halten wollte? Das ist doch der Super-Gau für diese Abstimmung! Gmür: Wenn ich mich an meine Tätigkeit beim Einsiedler Anzeiger zurückerinnere, glaube ich nicht, dass der Verwaltungsrat Einfluss auf die Redaktion hätte nehmen können. Es stimmt, was Marc Walder gesagt hat. Ich glaube aber nicht, dass jeder einzelne «Blick»-Journalist das im Hinterkopf behält … Und ich kann mir ebenso wenig vorstellen, dass Marc Walder Massnahmen ergriffen hätte. Das war seine persönliche Meinung. Lutz: Ich denke, die Aussage von Walder ist bei seinen Leuten schon angekommen. Und es wird seinen Einfluss gehabt haben. Aber das ist doch wie bei jeder Zeitung: Es liegt in der Verantwortung jedes einzelnen Titels, ob er eine Ausrichtung haben will oder nicht. Damit habe ich überhaupt kein Problem. Wenn es klar deklariert ist: Warum nicht? Aber es war ja genau nicht klar deklariert, sondern lediglich unter dem Mantel der Verschwiegenheit intern kommuniziert worden. Und es sollte geheim bleiben.

Lutz: Wenn man so etwas vor 20 Personen oder mehr Personen erzählt, ist es nicht mehr geheim. Das weiss jeder. Gmür: Wenn ich ab und zu einen Blick in den «Blick» werfe, sehe ich überhaupt nicht das, was Marc Walder eigentlich wollte. Wie üblich bei einer Bundesvorlage, werden auch beim Mediengesetz viele Inhalte hineingepackt – Grossverlage, Kleinverlage, Print und Online. Auffallend ist, dass kleinere und mittlere Verlage wie zum Beispiel der Einsiedler Anzeiger gegenüber Konzernen wie Tamedia, Ringier und CH-Media aber überproportional profitieren würden. Lutz: Da wäre ich nicht sicher … Gmür: Doch, genau dafür habe ich mich in Bern eingesetzt. Die Prioritäten werden dadurch schon rich-tig gesetzt. Es geht uns um die kleinen, regionalen Medien. Lutz: Aber warum werden dann die Grossen mit 70 Prozent «mitgefüttert »?

Gmür: Ich wiederhole mich: Auch die Grossen haben dieselben Probleme wie die Kleinen. Und die Grossen geben alle auch regionale Titel heraus. Lutz: Aber die sind ja rentabel. Ich erinnere da an das sogenannte «Zeitungssterben». Es wird erwähnt, dass in den letzten zwölf Jahren 70 Titel eingegangen seien. Gemessen an 1500 Medientiteln, welche unterstützt werden sollen, sind das fünf Prozent. Das ist für mich kein Sterben. Der Rückgang kommt auch nicht überraschend, konsumiert doch ein Grossteil der Jungen auf dem althergebrachten Weg fast keine Medien mehr. Aus dieser Warte betrachtet erkenne ich keine Argumente, welche für eine stärkere Förderung sprechen. Gmür: Aufgrund des wirtschaftlichen Drucks wurde Personal abgebaut und damit auch die mediale Qualität. Deshalb ist für mich die hier und jetzt diskutierte Unterstützung gegeben. Für unsere Demokratie ist das wahnsinnig wichtig: Genügend Mittel für eine gute Information der Bevölkerung.

Föderalismus und direkte Demokratie brauchen eine vielfältige Medienlandschaft. Stimmen Sie dem zu? Lutz: Dem stimme ich grundsätzlich zu. Aber es muss nicht auf Papier sein.

Gmür: Unsere direkte Demokratie braucht zu 100 Prozent eine vielfältige Medienlandschaft. Im Kanton Schwyz sind wir noch verwöhnt mit vielen Titeln, die regional sehr gut berichten. Ich lobe mir auch den Einsiedler Anzeiger mit seiner vielfältigen Berichterstattung vom Bezirksratsbericht bis hin zu den einzelnen Vereinen. Das ist einfach wertvoll. Den Medien messe ich für unsere direkte Demokratie einen sehr hohen Stellenwert bei.

Und Sie, Herr Lutz, ebenfalls Politiker und Stimmbürger in einem: Welche Bedeutung messen Sie den Medien zu? Lutz: Die Medien haben einen hohen Wirkungsgrad, wenn sie denn dieser Aufgabe auch nachkommen. Ich betone aber noch einmal: Es gibt nicht nur «die gedruckten Medien» an sich, sondern eben Print, Radio, Fernsehen und Online. Die Situation ist sehr vielfältig.

Und können die Medien diese Funktion, diese Aufgabe auch nach einem Nein zur Vorlage übernehmen? Lutz: Wie bis anhin. Sie haben die Instrumente. Das sind Qualität, Objektivität und Bürgernähe – vor allem bei den Regionalmedien. Diese Chance hatten die Medien schon immer. Und sie werden sie auch nach einem Nein am 13. Februar weiterhin haben. Wenn sie einen guten Job machen, ist das konkurrenzfähig. Soviel ich weiss, ist der Einsiedler Anzeiger ja auch rentabel. Es geht also. Gmür: Die Verleger müssen sich längerfristig überlegen, wie sie ihren Betrieb angesichts sinkender Einnahmen überhaupt noch kostendeckend weiterführen können. Wahrscheinlich müssen die Abo-Preise erhöht werden. Doch letztlich dürfte das nicht genügen. Es muss Personal entlassen werden, womit für mich die Qualität der Information in Frage gestellt wird.

Lutz: Ein Nein am 13. Februar führt für mich nicht grundsätzlich zu einem Qualitätsabbau. Es hat vor dem 13. funktioniert, und wird auch danach. Gmür: Wie willst Du Qualität gewährleisten, wenn das Geld fehlt?

Lutz: Wenn Qualität angeboten wird, wird das Produkt auch gekauft. Wie bis anhin. Und dort wo es darauf ankommt, in der Region nämlich, dort kann man punkten. Gmür: So einfach ist das nicht. Es fehlen schlichtweg die Werbeeinnahmen. Die werden seit Jahren kontinuierlich weniger. Da fehlen gewaltige Summen. Diese wandern ab vom Lokalen, Regionalen und selbst Nationalen in die meis-tens internationale Online-Geschichte. Das ist beängstigend. Lutz: Das anerkenne ich. Aber dann soll die Bundesversammlung ein Paket schnüren, bei dem nicht 70 Prozent an die Grossverlage gehen.

Gmür: Aus Sicht des Steuerzahlers finde ich diese Gelder sehr sinnvoll eingesetzt. Die Desinformation ist heute ein grosses Problem. Umso wichtiger sind Medien, welche «sauber» informieren, Pro und Kontra abwägen und sich um eine objektive Darstellung bemühen. Das ist mir sehr viel wert. Wir erleben derzeit, wie schnell sich Verschwörungstheorien verbreiten. Dass man irgendwelchen Internet-Foren mehr Glauben schenkt als einer seriösen Zeitung. Lutz: Ich sehe die hehre Absicht, welche ich unterstützen kann. Aber die von Dir erwähnte Informationsbeschaffung kann man nicht mit einer Vorlage bekämpfen. Die Verschwörungstheorien verbreiten sich nicht über die kommerziellen Medien wie in den USA. Die kommen bei uns aus anderen Kanälen. Facebook ändert sich we-gen der Abstimmung vom 13. Februar nicht.

Gmür: Aber wir müssen gewähren, dass man sich auch anderswo informieren kann. Längerfristig können Verschwörungstheorien zu einem ernsthaften Problem werden. Das ist erkannt.

Was wollen Sie zum Schluss noch sagen? Lutz: Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Für mich ist die Vorlage eine Mogelpackung, welche vorgibt, die Kleinen zu unterstützen – was sie teilweise auch macht –, aber 70 Prozent der Gelder landen dennoch bei rentablen Grosskonzernen. Darum sage ich Nein. Gmür: Ich sage überzeugt Ja zur Vorlage, weil mir die Medienvielfalt sehr wichtig ist. Die Meinungsvielfalt ist für die Information der Bevölkerung und letztlich für unsere Demokratie entscheidend. Der Handlungsbedarf ist gegeben.

Das Medienpaket unterstützt rund 200 verschiedene Printmedien, Onlinemedien sowie regionale Radio- und TV-Stationen (siehe obige Schweizerkarte). Auch rund 1000 Mitgliedzeitschriften von Stiftungen, Vereinen und Parteien werden unterstützt. Grafik: Verlegerverband Schweizer Medien

Share
LATEST NEWS