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«So kann es nicht mehr weitergehen»

«So kann es nicht mehr weitergehen» «So kann es nicht mehr weitergehen»

Abt Urban Federer betont die Wichtigkeit der beiden Schwyzer Mittelschul-Initiativen – gerade auch für die Stiftsschule

Mit den aktuellen Kantonsbeiträgen kann keine der drei Mittelschulen kostendeckend arbeiten. Per Initiative soll das geändert werden.

VICTOR KÄLIN

Die drei privaten Mittelschulen in Einsiedeln, Ingenbohl und Immensee schlagen Alarm. Wie gravierend ist die Situation? Alle drei Schulen stehen an einem anderen Ort, haben ihre Geschichten und Eigenarten. Identisch ist, dass unter den gegebenen Umständen keine Schule kostendeckend arbeiten kann. Wie steht es um das Einsiedler Gymnasium? Es ist nicht so, dass die Klostergemeinschaft über die Stiftsschule ein lukratives Geschäft betreiben möchte. Aber in den letzten Jahren betrug das Defizit der Schule im Schnitt rund 600’000 Franken – pro Jahr. Da die Stiftsschule einen Drittel unserer Erfolgsrechnung bestreitet, ist das kein unwesentlicher Teil. Ganz grundsätzlich: So kann es nicht mehr weitergehen. Gemäss eigener Aussagen kann das Kloster «dieses Defizit nicht aus eigenen Mitteln abdecken ». Irgendwer muss die Kosten aber begleichen …

Das geschieht über die interne Quersubventionierung. Wir leben – nun vermehrt auch für die Schule – von den Spenden und von der Substanz. Doch genau bei den Spenden trifft auch uns Corona: Der Spendenfluss ist weniger ergiebig, da es deutlich weniger Pilgergruppen gibt. Das Kloster ist an einem entscheidenden Punkt angelangt: Die Einnahmen schmälern sich; im Jahr 2020 gar extrem. Und wo hilft die Stiftung Pro Stiftsschule? Was die beiden Initiativen betrifft, reden wir ausschliesslich vom Obergymnasium, der Mittelschule. Die Stiftung «Pro Stiftsschule » hingegen wirkt vor allem für das Untergymnasium. Ihre Hautaufgabe besteht in der Unterstützung von Familien, welche das Schulgeld nicht voll von sich aus aufbringen können. Wir wollen kein Elitegymnasium werden und Schülern und Schülerinnen den Zugang wegen des Schulgeldes verwehren. Für Schülerinnen und Schüler des Untergymnasiums wendet die Stiftung im Schnitt 100’000 Franken pro Jahr auf.

Wie lange dauert die finanzielle Schieflage schon? Das Minusgeschäft gibt es schon, solange ich mich erinnern kann. Früher stammte ein grösserer Teil der Lehrer aus der Klostergemeinschaft – heute sind es mehrheitlich angestellte Lehrkräfte. Das wirkt sich natürlich auf die Kosten aus. Wie auch die laufend steigenden Anforderungen an Infrastruktur und Gebäude. Daher ist es wichtig, dass die Gebäudekosten entschädigt werden – entgegen der Haltung von Gegnern der Initiativen.

Warum hat das Kloster die Schule nicht geschlossen? Seit 1087 Jahren ist die Bildung eines unserer drei benediktinischen Standbeine. Das gehört sozusagen zu unserer DNA. Entsprechend lang ist unsere Bildungstradition. Und diese wollen wir aufrechterhalten – auch mit der Stiftsschule, welche inzwischen ebenfalls schon 182 Jahre alt und somit die älteste Mittelschule des Kantons Schwyz ist. Wir signalisieren damit unser Interesse an der Ausbildung junger Leute. Die Stiftsschule ist für uns auch ein wichtiger Pfeiler für den Austausch zwischen Kloster, Gesellschaft und Region.

Wenn die kantonalen Beiträge nicht deutlich erhöht werden, kann die Stiftsschule ihr Sockeldefizit «auch langfristig nicht decken», schreibt die Schule auf einer Power-Point-Präsentation. Wie ist das zu verstehen? Die Schule ist erfolgreich – das zeigen die tendenziell steigenden Schülerzahlen. Mit unserer Kostenstruktur, die seitens des Amtes für Mittel- und Hochschulen überprüft und verglichen wurde, stehen wir sehr gut da. Das Problem liegt klar bei den zu geringen Erträgen – hier liegt die Ursache für das strukturelle Defizit. Dieses müssen wir korrigieren – das schulden wir künftigen Generationen von Mönchen, und auch den Spenderinnen und Spendern.

In Konsequenz dessen: Wird das Kloster sein Gymnasium schliessen, wenn nichts passiert – vielleicht nicht heute, aber doch in absehbarer Zeit? Kurzfristig nicht. Aber mittelfristig müssten wir uns die Frage stellen, auch wenn sie uns nicht gefällt. Ganz im Gegenteil: Wir Benediktiner sind an der Bildung interessiert. Sie ist uns eine Herzensangelegenheit. Und die Region ist interessiert an diesem Angebot – das zeigen die Schülerzahlen.

Nicht nur die Regierung, auch die kantonsrätliche Kommission lehnt die Initiativen ab. Die Kommission fragt sich nicht zuletzt, was denn an privaten Schulen noch privat sein soll, wenn sie völlig öffentlich finanziert würden?

Privat ist nicht gleich privat. Die Schwyzer Privatschulen unterscheiden sich deutlich von Privatschulen, die auf eine zahlungskräftige Elite zielen. Wir haben eine Leistungsvereinbarung und einen Leistungsauftrag mit dem Kanton. Die Privatschulen sind somit Teil – ein sehr grosser Teil – des öffentlichen Mittelschulsystems. Es ist noch nicht allzu lange her, da gab es im Kanton nur private Mittelschulen. Da kümmerten sich ausschliesslich Private um die Mittelschulbildung. Dieser Tradition entstammen wir. Und mit der dezentralen Schullandschaft machten wir gute Erfahrungen, da sich jeder Schulstandort auf seine Weise in seinem Kantonsteil profilieren konnte. Das Private hat im Kanton Schwyz eine grosse Geschichte.

Man kann sich aber auch umgekehrt fragen: Was bedeutet es für den Kanton Schwyz, wenn die drei privaten Mittelschulen nicht mehr existieren könnten? Der Kanton müsste plötzlich 572 Schüler und Schülerinnen übernehmen. Das sind 42 Prozent aller Mittelschüler. Aufgrund der unterschiedlich hohen Schulgelder ist es erwiesen, dass es für den Kanton deutlich teurer würde als die Lösung mit den privaten Schulträgern.

Das sehen aber nicht alle Politiker und Politikerinnen so …

Ich weilte im Dezember 2015 im Kantonsratssaal, als der damalige Bildungsdirektor Walter Stählin (SVP) die Parlamentarier daran erinnerte, dass für den Kanton einzig relevant sei, was ein Schüler kostet, wenn ihm der Kanton einen Mittelschulplatz anbieten müsste. Und dann sagte er: «Wir müssten den privaten Mittelschulen eigentlich danke sagen, dass sie für (damals) 5500 Franken günstiger diese Schüler für uns unterrichten.» Und letztlich entspricht es dem föderalistischen und liberalen Prinzip, dass der Staat nicht alles übernehmen soll. Es handelt sich um ein gewachsenes System von hoher Qualität. Warum sollen wir kaputt machen, was sich bewährt hat und erst noch effizienter ist? Angesichts dessen, was die Privatschulen für den Kanton Schwyz über Jahrzehnte weg geleistet haben und noch immer leisten, ist das Verhalten der kantonsrätlichen Kommission nicht eben wertschätzend.

Wo stehen Sie als Abt und somit Klostervorsteher zwischen Initiativen, Regierungsvorschlag und Kompromissvorschlag? Ich bin auch noch Lehrer am Gymnasium. Allerdings reicht die Zeit «nur» noch für den Religionsunterricht; früher waren es auch noch Deutsch und Geschichte. Doch zurück zur Frage: Wenn die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger die hohe Qualität,die regionale Vielfalt und eine weiterhin günstigere Bildungslandschaft wollen, müssen sie im nächsten Jahr mit Ja stimmen. Und wie interpretieren Sie Ihre Rolle? Natürlich bin ich in dieser Frage nicht neutral. Die beiden anderen Privatschulen haben ihre Stiftungen und ihre Stiftungsratspräsidenten. Ich selbst bin Vorsteher der Trägerschaft der Stiftsschule und habe ein ureigenes Interesse, dass die von uns angebotene Qualität auch kostendeckend abgegolten wird. Ich sehe mich demzufolge nicht als Bittsteller. Ich bettle nicht. Wir bieten eine Leistung an!

Der Kanton Schwyz hat gute Finanzreserven – und da lohnt es sich, in die Bildung zu investieren. Die Beitragskürzungen der jüngeren Vergangenheit beruhten auf den verschiedenen Sparpaketen und diese wiederum auf der damaligen Schieflage der Kantonsfinanzen. Ein Argument, das man heute wirklich nicht mehr bemühen kann, wenn das Parlament darüber diskutiert, die Kantonssteuer um rekordmässige 40 Prozent einer Einheit zu senken. Am kommenden Mittwoch, 15. Dezember, debattiert der Kantonsrat auch über die beiden Volksinitiativen samt Gegenvorschlag. Falls Sie den Parlamentarierinnen und Parlamentariern etwas mit auf den Weg geben wollten, was wäre das? (überlegt) Es lohnt sich, gut zu überlegen, ob man in unserem vielfältigen Kanton gegen die Vielfalt stimmen soll. Ich persönlich schätze es, dass im Kanton Schwyz vieles dezentral angeboten wird. Ich fände es schade, aus falschen Spargründen – und das sind sie, auch wenn sie anders angepriesen werden – der Bildungslandschaft nicht Sorge zu tragen.

Eine Schule vor Ort wie in Einsiedeln ist auch ein Standortvorteil. Nicht zuletzt darum unterstützt der Bezirk ja auch unser Untergymnasium. Fällt die Abstimmung über die faire Finanzierung negativ aus, müssten wir sicher einmal einen Teil der Kosten für diese eigentlich öffentliche Dienstleistung auf die Eltern überwälzen. Und so wird aus einem Standortvorteil für die Eltern vor Ort ein Standortnachteil – obwohl sie gleich viel Kantonssteuern bezahlen und die gleiche Wahlmöglichkeit haben sollten wie alle anderen auch.

«Das Problem liegt klar bei den zu geringen Erträgen»: Abt Urban Federer zur Ursache für das strukturelle Defizit (auch) des Gymnasiums in Einsiedeln.

Foto: Victor Kälin

als benediktinisches Standbein: Klassenfoto der Stiftsschule Einsiedeln aus dem Jahr 1919.

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