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«Die Landschaft um Einsiedeln hat meine Musik inspiriert»

«Die Landschaft um Einsiedeln hat meine Musik inspiriert» «Die Landschaft um Einsiedeln hat meine Musik inspiriert»

Vom Appenzellerland ins Klosterdorf: Nicole Durrer kommt mit ihrem Quartet für ein Konzert zurück in ihre Heimat. Die 41-jährige Jazzsängerin aus Heiden steht Red und Antwort zu ihrem Auftritt im Music-Club Mauz und freut sich sehr auf das Einsiedler Publikum.

MAGNUS LEIBUNDGUT

Wie kommt es dazu, dass Sie für einen Auftritt im Mauz zurück in Ihre Heimat nach Einsiedeln kommen? Das Mauz ist ein toller Music- Club mit Ausstrahlung und eine prächtig gelegene Location. Es macht Freude, in diesem super geführten Club spielen zu dürfen. Musikalisch zurückzukommen in die Heimat, braucht auch immer etwas Mut. Die Freude überwiegt aber definitiv. Welche Erinnerungen haben Sie ans Klosterdorf? Ich habe schöne und bewegte Erinnerungen an Einsiedeln, fühlte mich geborgen und aufgehoben im Klosterdorf. Ich war gerne im Wald unterwegs und habe es genossen, in der Natur zu sein. Ich bin denn auch nach meiner Jugendzeit jobbedingt in der Region geblieben und habe während fünf Jahren in Unteriberg an der Primarschule unterrichtet. Hat Sie Ihre eigene Herkunft stark geprägt und inspiriert? Ja. Das beginnt mit der Musik: Meine Mutter ist seit über fünfzig Jahren Organistin in der Jugendkirche und auch Klosterkirche. Also hat mich sicherlich sphärische Kirchenmusik geprägt, aber auch klassische Musik. Mein Vater hat verschiedene Chöre geleitet. Ab dem neunten Lebensjahr hatte ich Unterricht auf der Oboe und im Singchor. Wichtig ist und war für mich immer Grungerockmusik und Indierock. Gespielt habe ich dann in der Jazzrockband Jazics. Zum Jazz bin ich etwas später gekommen. Ich denke, meine musikalische Prägung ist vielseitig und ein richtiges Quodlibet. Sind Sie auch auf dem Friherrenberg Ski gefahren? Oh, ja: Der Hausberg in Einsiedeln ist mir bestens in Erinnerung geblieben. Wenn kein Skilift gelaufen ist, haben wir einfach die Skier auf die Schultern gepackt und sind etwa auf den Kreuzweg gelaufen. Wunderbar war es, beim Kloster vorbei mit den Skiern unter den Füssen direkt bis vor unsere Haustür an der Hauptstrasse zu fahren. Natürlich bei viel Schnee. War also denn Sängerin zu werden ein Mädchentraum von Ihnen?

Auch. Als Mädchen und Jugendliche wollte ich aber vor allem eine Zeit lang Skirennfahrerin werden. Sozusagen singend auf den Skiern. Wie kamen Sie dazu, im Jahr 2013 an der Premiere des Welttheaters Einsiedeln im Klostersaal aufzutreten?

Meine damalige Formation Nicole Durrer Trio hat für einen Themenanlass im Museum Fram über den Einsiedler Dichter und Schriftsteller Meinrad Lienert das Programm musikalisch umrahmt. Dann habe ich das Stück «Sihlsee » und «S’Heiwehland», komponiert von Hans Lavater und Text von Meinrad Lienert, umarrangiert und mit dem Trio jazzig interpretiert. Nach diesem Event hat uns der damalige Welttheater- Präsident Peter Kälin für die Eröffnung im Klostersaal angefragt. Das war eine wunderbare Erfahrung für mich als Musikerin. Ich bin Peter Kälin sehr dankbar.

Jazz ist ein weiter Begriff: Wie würden Sie selbst Ihre eigene Musik beschreiben? Wir spielen zeitgenössischen Vocal Jazz, ein Potpourri verschiedener Stile und Sprachen: Einerseits traditionellen Swing und Bebop, mit rockigen und auch popigen Elementen. Ohrgefällig und aber auch manchmal fast schon avantgardistisch. Viele Eigenkompositionen sind von mir und dem Gitarristen Adrian Egli. Dann aber auch bestehende Lieder, die wir neu interpretieren. Dank der Oboe finden auch sphärische Klänge Eingang in unsere Musik. Sehr wichtig ist im Jazz die Improvisation. Hier darf man sich auch mal aufs Glatteis wagen. Meine Musik darf und soll sich stetig weiterentwickeln. Ich habe noch weitere musikalische Ideen, die ich umsetzen möchte. «Warlock» heisst Ihr neues Album: Bedeutet der Titel Zauberer und Hexenmeister oder vielmehr Dämon, Teufel und Ungeheuer?

Mit «Warlock» ist ein Hexenmeister gemeint. Der Hexenmeister kommt in der Nacht, wenn niemand mit ihm rechnet, schaut einen an, packt zu, und man erkennt sich selber in ihm. Ich kenne dieses Gefühl sehr gut. Das Cover der EP Warlock zeigt den wundersamen Kosmos: Brechen Sie darin auf in andere Gefilde? Ja, genau. Zum einen spielen wir auf dieser Platte mit neuen Musikern. Wir haben neue Kompositionen von Adrian Egli eingespielt, die mich technisch und gefühlsmässig sehr fordern. Wir sind von der gängigen Liedform hin zu bebopigen Melodien gekommen. Auch wortlos, nur mit klingenden Scatsilben. Mein Mann Adrian interessiert sich für das Universum, für Sternbilder und auch Planeten. Das Cover war seine Idee und hat mir auch sehr gefallen. Es tauchen auch Landschaften auf, die aus der Gegend rund um Einsiedeln stammen könnten. Zufall oder Schicksal? Die Songs aus unserem Repertoire spielen teils auch in meiner Heimat: Archaisches und Furchiges verschmilzt zu Luftigem. Die Landschaft rund um Einsiedeln hat mich sehr geprägt und meine Musik inspiriert. Diese Landschaft ist tief in mir drin. So kann es denn wohl auch kein Zufall sein, dass die steilen Berghänge vom hinteren Sihltal in die saftig sanften Hügel des Appenzellerlands überlaufen – mit Blick über die Weiten des Bodensees. Was hat es mit dem Song «Es geht ein dunkle Wolk herein» auf sich? «Es geht ein dunkle Wolk herein» ist ein Volkslied des bayerischen Benediktinerpaters Johannes Werlin aus dem Kloster Seeon: Das Lied ist ein Abschiedslied aus dem 16. Jahrhundert. Der Text thematisiert die damalige Pest. Das Lied passt denn gut in unsere Zeit mit der allgegenwärtigen Corona-Pandemie. Verändert sich die Erinnerung an die Heimat im Verlaufe des Lebens? Ja, ich denke schon, dass die Erinnerung sich etwas verändert. Der Verstand dichtet vielleicht noch etwas dazu oder lässt ein paar Elemente weg. Ich bin aber sicher sehr stark geprägt von Einsiedeln und den Menschen. Und mein Einsiedlerdialekt spricht sich auch in der Ostschweiz immer noch gut. Am 13. November werden Sie wohl im Mauz an Ihrem Konzert in bekannte Gesichter im Publikum schauen: Freuen Sie sich darauf oder macht Sie das eher nervös? Ich freue mich darauf, in Einsiedeln aufzutreten, und hoffe in der Tat, dass trotz den momentanen Umständen Leute ins Mauz finden. Nervös bin ich immer ein Stück weit vor einem Auftritt: Das ist das allbekannte Lampenfieber – ohne dieses geht kaum ein Konzert über die Bühne (lacht).

13. November, 20.30 Uhr, Mauz Music-Club, Zürichstrasse 38, Einsiedeln: Nicole Durrer Quartet. Der Vorverkauf läuft über showticket.ch oder via Vorverkaufsstellen.

Einsiedeln im Fokus: In mehr als nur einem Lied spürt man Nicole Durrers Liebe zu dem Ort, in dem sie geboren wurde.

Foto: zvg

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