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«Es mag vorkommen, dass man auch mal dem Papst begegnet»

«Es mag vorkommen, dass man auch mal dem Papst begegnet» «Es mag vorkommen, dass man auch mal dem Papst begegnet»

Der Papst hat Pater Kolumban Reichlin zum neuen Kaplan der Schweizergarde ernannt. Der 50-jährige Benediktinermönch nimmt am 1. Oktober sein Amt in der Vatikanstadt auf: «Ich werde im Quartier der Schweizergarde wohnen.»

MAGNUS LEIBUNDGUT

Sind Sie überrascht worden davon, dass Sie der Papst zum neuen Kaplan der Schweizergarde ernannt hat? Ja, ich war überrascht. Damit hatte ich nicht gerechnet. Freuen Sie sich darauf, ab dem 1. Oktober in der Vatikanstadt zu leben? Ich freue mich auf diese neue Aufgabe an einem bedeutsamen Ort. Auch wenn ich noch nicht abschätzen kann, was sie alles mit sich bringen wird. Vom Klosterdorf in die Ewige Stadt: Entspricht dieser Wechsel Ihren Vorstellungen Ihres Werdeganges? Wenn man die Gottsuche zum Beruf macht, ist es schwierig bis unmöglich, den eigenen Werdegang zu planen, weil das Gottesgeheimnis immer wieder für Überraschungen gut ist. Daher hatte und habe ich diesbezüglich keine konkrete Vorstellung. Ich lebe im Augenblick und bin grundsätzlich offen für fast alles. Wichtig ist mir, einer Aufgabe nachgehen zu können, die sinnstiftend ist und dem Leben dient. Werden Sie im Haus der Schweizergardisten oder in einem Benediktinerkloster leben?

Weil es wichtig ist, bei den Gardisten vor Ort zu sein, werde ich auch im Quartier der Schweizergarde wohnen. Sant’Anselmo auf dem Aventin – das internationale Studienhaus der Benediktiner in Rom und Sitz des Abtprimas – wäre als Unterkunftsort zu weit entfernt.

Fällt es Ihnen schwer, die Klostergemeinschaft in Einsiedeln zu verlassen? Ich habe es geschätzt, dass ich trotz meiner neuen Arbeit in Luzern in den vergangenen Monaten mehr Zeit in der Gemeinschaft in Einsiedeln verbringen konnte, als während meiner Tätigkeit in St. Gerold. Nun hoffe ich, dass ich ab und zu Mitbrüder in Rom willkommen heissen und beherbergen und auch auf diese Weise die Verbundenheit mit ihnen pflegen kann: In der Wohnung des Gardekaplans soll es ja auch Gästezimmer geben. Zudem haben die Mitbrüder mich daran erinnert, dass in der Kapelle der Schweizergarde eine Kopie des Einsiedler Gnadenbildes steht. So werde ich täglich auch gedanklich und im Gebet mit Einsiedeln verbunden sein.

Kommt die Ernennung einem Befehl gleich oder hätten Sie die Übernahme des Amtes auch ablehnen können? Ein Befehl ist es nicht. Ich hätte auch Nein sagen können. Können Sie uns verraten, was ein Gardekaplan darstellt, welche Aufgaben diesem obliegen? Das kann ich nur ansatzweise tun, da mir selber manches noch nicht bekannt ist. Die 135 Gardisten und deren Familien als Mensch und Seelsorger während ihrer besonderen Zeit in Rom zu begleiten, sehe ich als meine erste Pflicht. Hierzu gehören intensive Beziehungspflege und die Verantwortung und Chance, diese jungen Menschen mit der Schönheit und Sinnhaftigkeit des christlichen Glaubens vertrauter zu machen. Als Gardekaplan ist man auch für die Organisation kultureller Aktivitäten und von Wallfahrten im In- und Ausland zuständig. Eine schöne Aufgabe ist sicher auch, auf vielfältige Weise Gastgeber zu sein. Was zeichnet einen Gardekaplan aus? Welche Fähigkeiten muss man für dieses Amt mitbringen?

Diese Frage müssen Sie den für die Auswahl zuständigen Personen stellen. Ich denke, dass unter anderem die Freude am christlichen Glauben und an der Zusammenarbeit mit jungen Menschen wichtige Voraussetzungen sind – sowie die Fähigkeit, in den Schweizer Landessprachen kommunizieren zu können. Sie haben im Institut im Reusshaus Studierende geistlich begleitet und waren in der Pfarrei- und City-Seelsorge engagiert: Können Sie diese Tätigkeiten gut loslassen? Ich verlasse Luzern durchaus mit einem weinenden Auge. In dem durch Abt Urban mitinitiierten Institut im Reusshaus sehe ich Potenzial für die Zukunft der Kirche in der Schweiz, sodass ich mich hier gerne weiter eingebracht hätte. Zudem konnte ich in der Pfarrei St. Leodegar in den vergangenen Wochen viele Menschen kennenlernen und wertvolle pastorale Erfahrungen sammeln. Welche Bedeutung hat die Schweizergarde für Sie? Seinerzeit habe ich meine Maturaarbeit in Geschichte über die Schweizergarde geschrieben und bin hierfür extra nach Rom gereist. Kommandant Alois Estermann wollte mich in diesem Zusammenhang denn auch für die Garde gewinnen. Da ich jedoch bereits den Entschluss gefasst hatte, ins Kloster Einsiedeln einzutreten,kam es schliesslich nicht zu diesem Dienst. Das Interesse an der Schweizergarde und die ideelle Verbundenheit mit dieser geschichtsträchtigen Institution sind jedoch über all die Jahre intakt geblieben. Wird es vorkommen, dass Sie persönlich auf den Papst treffen?

Soweit ich informiert bin, gibt es jeweils im Rahmen der jährlichen Vereidigung eine Begegnung der neuen Schweizergardisten und ihrer Familien mit dem Papst, bei der der Gardekaplan mit dabei ist. Der Kaplan sucht die Gardisten immer wieder auch auf ihren Wachposten auf; da mag es vorkommen, dass man auch mal dem Papst begegnet.

Der Vatikan ist das Herz der katholischen Kirche: Können Sie es kaum erwarten, in die Ewige Stadt zu reisen oder löst dieser Schritt bei Ihnen vielmehr eine Art Lampenfieber aus, das Ihnen den Schlaf raubt? Schon in jungen Jahren, noch vor meinem Klostereintritt, hatte ich Gelegenheit, Rom und das Zentrum des Katholizismus zu besuchen und etwas kennenzulernen. 1999/2000 durfte ich dann an der staatlichen Universität «La Sapienza » in Rom ein Jahr Geschichte studieren und die Stadt wie auch das kirchliche Rom nochmals mit ganz anderen Augen sehen und entdecken lernen. Nun kehre ich wider Erwarten an diesen besonderen Ort zurück. Die vielfältigen Erfahrungen, die mich nun dahin begleiten, lassen mich weder überschwängliche Erwartungen hegen noch Lampenfieber empfinden. Vielmehr ist es der «Zauber» des Neuen, der mich hoffnungs- und vertrauensvoll auf diese neue Tätigkeit und Verantwortung zugehen lässt.

«Wenn man die Gottsuche zum Beruf macht, ist es schwierig bis unmöglich, den eigenen Werdegang zu planen.» «Da ich bereits den Entschluss gefasst hatte, ins Kloster Einsiedeln einzutreten, kam es schliesslich nicht zu diesem Dienst.»

Vom Klosterdorf in die Ewige Stadt – Pater Kolumban Reichlin verlässt die Klostergemeinschaft in Einsiedeln: «Nun hoffe ich, dass ich ab und zu Mitbrüder in Rom willkommen heissen kann.» Foto: zvg

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