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«Ich habe nichts gegen Schwule»

«Ich habe nichts gegen Schwule» «Ich habe nichts gegen Schwule»

Kontra-Votum zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches («Ehe für alle»)

Alois Gmür bekämpft die «Ehe für alle»: «Ich bin gegen die Samenspende für lesbische Paare, weil sie die Schwulen diskriminiert.» Der 66-jährige Nationalrat aus Einsiedeln befürchtet, dass die Leihmutterschaft eingeführt werden könnte.

MAGNUS LEIBUNDGUT

Wieso soll die Ehe Mann und Frau vorbehalten bleiben?

Ich bin im Bundesparlament zuerst für die Vorlage eingetreten, weil ich finde, dass man allen – ob heterosexuell oder homosexuell – die gleichen Rechte einräumen sollte. Ich bin immer für die «Ehe für alle» gewesen – bis man das Fuder in Bern überladen hat: Eine gesetzlich geregelte Samenspende für verheiratete Frauenpaare hätte man nie und nimmer in diese Vorlage hineinpacken dürfen. Ich bin gegen die Samenspende für lesbische Paare. Müssten nicht vor dem Gesetz alle gleich behandelt werden? Ja, vor dem Gesetz müssen alle gleich behandelt werden. Nun führt die Vorlage just zu einer Ungleichbehandlung von Frau und Mann: Die Samenspende steht ja nur den Frauen zur Verfügung, um ein Kind zu bekommen. Schwule werden diskriminiert: Denn sie haben mit der Vorlage «Ehe für alle» keine Möglichkeit, Vater zu werden. Die Samenspende ist mir ein Dorn im Auge und muss gestoppt werden: Sie öffnet weiteren medizinischen widernatürlichen Fortpflanzungsmöglichkeiten Tür und Tor.

Basiert Ihre Ablehnung auf christlichem Gedankengut? Die katholische Kirche lehnt die Vorlage ab. Meine Ablehnung der «Ehe für alle» basiert auch auf christlichem Gedankengut. Es geht um das Wohl der Kinder, diese liegen mir am Herzen. Bei der Samenspende hat eine 18-jährige Jugendliche das Recht zu erfahren, wer ihr Vater ist. Ob der das nun will oder nicht. Die Fragen nach den biologischen Vorfahren bringen uns in Teufels Küche und offenbaren ein Dilemma, das zu menschlichen Leidensgeschichten führt. In Gottes Natur kommen homosexuelle Tiere durchaus vor. Kann man bei Mann und Frau von einer natürlichen Lebensgemeinschaft sprechen? Selbstverständlich gibt es in der Natur Homosexualität – in diesem Sinne ist diese auch gottgewollt. Ich habe nichts gegen Schwule, und sie sollen auch heiraten dürfen. Allerdings sind sie keine natürliche Lebensgemeinschaft in Bezug auf die Fortpflanzung: Es entspricht nun einmal nicht der Natur, dass sie Kinder bekommen können. Und da sollte man meiner Meinung nach nicht mit künstlichen Fortpflanzungstechniken eingreifen. Niemand hat ein Recht auf ein Kind. Die Vorlage «Ehe für alle» würde gleichgeschlechtlichen Paaren die Adoption von Kindern erlauben. Stört Sie das? Nein,überhaupt nicht. Diese zu adoptierenden Kinder sind ja bereits auf die Welt gekommen. Ich glaube, dass Homosexuelle sehr gute Eltern sein können, nicht minder als es Heterosexuelle sind. Eine Frau kann durchaus einen Vater, ein Mann eine Mutter ersetzen. Geht es Kindern mit homosexuellen Eltern schlechter als solchen, die mit heterosexuellen Kindern aufwachsen? Das glaube ich nicht. Und das wird auch widerlegt, wenn man die Erfahrungen betrachtet, die Kinder machen, die aus homosexuellen Verhältnissen stammen. Es ist auch nicht so, dass erwachsene Kinder aus homosexuellen Familien selber häufiger homosexuell werden. Um das geht es mir auch überhaupt nicht: Mir geht es um die Art und Weise des Weges, wie Kinder gezeugt werden und in Familien landen.

Was spricht aus Ihrer Sicht gegen die Leihmutterschaft und die Eizellenspende? Ich ärgere mich über die Salamitaktik, die da betrieben wird. Von der Samenspende war bei der Lancierung der «Ehe für alle» zu Beginn keine Rede. Der Bundesrat und die Rechtskommission des Nationalrats wollten anfänglich die Samenspende nicht in die Vorlage «Ehe für alle» aufnehmen. Absehbar ist, dass nach einem Ja zur Vorlage die Leihmutterschaft und die Eizellenspende, die jetzt noch verboten sind in der Schweiz, durchgepeitscht werden sollen. Bei der Leihmutterschaft besteht die Gefahr, dass minderbemittelte Frauen versklavt werden, indem sie als Gebärmaschinen bezahlt werden. Das Drama ist vorprogrammiert, wenn die das Kind austragende Mutter nach neun Monaten das Baby behalten will … Bei der Eizellenspende stellt sich dasselbe Problem wie bei der Samenspende: Das Kind will in Erfahrung bringen, wer seine biologische Mutter ist. Im Jugendalter kann es zu Identitätsproblemen führen, die psychische Probleme verursachen.

Es heiraten immer weniger Leute, immer mehr Ehen werden geschieden. Befürchten Sie, dass alles noch schlimmer wird, wenn jetzt auch noch Schwule und Lesben heiraten dürfen?

Das ist nicht der Punkt. Ich hege keineswegs das Vorurteil, dass es Homosexuelle nicht so genau nehmen mit der Monogamie und weniger treu sein könnten als Heterosexuelle. Ich würde sogar von einer Aufwertung der Ehe sprechen, wenn endlich Gleichberechtigung eingeführt werden würde. Wenn da nur nicht diese Fortpflanzungstechnik wäre, welche die Vorlage in ein schiefes Licht rückt. Diese Vorlage sollte eigentlich in «Kinder für alle» umbenannt werden. Die Samenspende gehört nicht in dieses Gesetz. Welche Chancen hat die «Ehe für alle», vom Stimmvolk angenommen zu werden? Die Chancen stehen gut, dass die Vorlage angenommen wird: SP, Grüne, Grünliberale und die FDP sind dafür. Und auch Teile der Mitte sind für die «Ehe für alle». Kürzlich habe ich an der kantonalen Mitte-Parteiversammlung eine Niederlage einstecken müssen: Zwei Drittel der Anwesenden stimmten für die Vorlage. Aber ich bleibe bei meinen Bedenken: Im Windschatten der «Ehe für alle» werden weitere Vorlagen folgen, die sich um Medizintechnik drehen. Es ist eine Frage der Zeit, bis auch bei uns die Leihmutterschaft und die Eizellenspende eingeführt werden. Eigennutz und Egoismus nehmen überhand. In der Fortpflanzungsmedizin kann zudem viel Geld verdient werden. Die Kinder müssen es ausbaden – um deren Wohl es eigentlich gehen sollte.

«Die Samenspende ist mir ein Dorn im Auge. Sie muss gestoppt werden.» «Die Fragen nach den biologischen Vorfahren bringen uns in Teufels Küche.»

Mitte-Nationalrat Alois Gmür: «Ich ärgere mich über die Salamitaktik, die da betrieben wird.» Foto: Magnus Leibundgut

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