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Ausgeprägter Beschützerinstinkt

Ausgeprägter Beschützerinstinkt Ausgeprägter Beschützerinstinkt

Die Herdenschutzhunde «Etalon», «Diana», «Aisha» und «Taro» leben unter Schafen und schützen diese

Karl Betschart aus Riemenstalden arbeitet seit 2015 mit vier italienischen Maremmen-Abruzzen-Schäferhunden. Der 46-jährige Landwirt kann sich vollumfänglich auf seine Hunde verlassen.

MARIANNE SCHÖNBÄCHLER

Die Begegnung mit «Etalon» ist ein einmaliges Erlebnis. Karl Betschart und sein elfjähriger Sohn Manuel zeigen mit berechtigtem Stolz das wunderschöne Tier. Inmitten der Schafherde liegt der acht Jahre alte Rüde im stotzigen, steilen Gelände und achtet aufmerksam auf die Umgebung. Kaum erblickt er seine Besitzer, trottet er zutraulich zu ihnen hin und lässt sich von ihnen streicheln.

Sein flauschiges, weisses Fell ist nach dem regnerischen Tag verschmutzt, doch versichert Karl Betschart, dass es sehr schmutzabweisend sei und sobald der Hund trocken sei, es wieder seine ursprüngliche Beschaffenheit erhalten werde. Karl Betschart erklärt, wie wichtig das Dreiecksverhältnis «Hund, Nutztier und Mensch» sei. Nur so könne der Schutzhund seine Aufgabe optimal wahrnehmen. Deshalb würden die Welpen auch mitten unter der Schafherde aufwachsen. Plötzlich hört «Etalon» das Bellen eines anderen Hundes. Alarmiert schiesst das 65 Kilogramm schwere Tier hoch, eruiert die Gefahrenquelle und beschliesst dann, dass für seine Schafherde keine Gefahr bestehe und legt sich gelassen wieder ins Gras.

«Diana» und «Taro» arbeiten auf der Alp

Hoch oben auf knapp 2000 Metern über Meer liegt die Alp «Alplen » auf der Urnerseite des Bisistals. Die Alp wird durch Alois Gisler bewirtschaftet. Er verarbeitet die Milch und verkäst diese. Ihm zur Seite steht der Schafhirt Marco Arnold. Dieser arbeitete letzten Winter mit Betscharts Schutzhunden, um eine Beziehung für die tägliche Arbeit aufzubauen. Die achtjährige Hundedame und der zweijährige Rüde leben Tag und Nacht unter den Schafen und schützen rund 950 Tiere auf Leben und Tod vor Raubtieren: dem Wolf, dem Luchs, dem Bär oder den Krähen und Adlern.

Karl Betschart befürchtet, dass zukünftig der Wolf zu einer noch grösseren Gefahr werde. Die rasante Zunahme der Wolfspopulation würde allgemein massiv unterschätzt, meint er. Würde ein einzelner Wolf die Herde angreifen, könnten die Schutzhunde diesen vertreiben. Doch bei einem Rudel von Wölfen hätten auch diese keine Chance und es würden Tiere gerissen.

Der Landwirt ist besorgt um das Wohl der Nutztiere und hofft auf Verständnis in der Bevölkerung. Die beiden Hirtenhunde leben bei jedem Wetter im Freien und sind vor allem in der Nacht sehr aufmerksam. Sie bekommen nach der strengen Nachtschicht jeweils am Morgen ihr Spezialfutter und fressen je 1,2 Kilogramm davon. Danach machen sie eine Verdauungspause und ruhen sich verdienterweise aus.

Mitte September wird abgefahren und mit 70 Schafen und den beiden Schutzhunden auf Obergadmen zurückgekehrt. Im grossen Stall werden die Tiere den Winter verbringen. Für die drei Schutzhunde wird es tägliche Spaziergänge und tolle Spiele im Schnee geben.

Fehlverhalten der Wanderer und Biker

Das Bauernpaar äussert sich erleichtert darüber, dass auf der Alp kein Wanderweg vorbei gehe. Die Begegnungen zwischen Wanderern oder Bikern und den Schutzhunden führten manchmal durch das Fehlverhalten der Menschen zu Problemen. Karl Betschart empfiehlt, bei einem Kontakt mit den Hunden stehenzubleiben und zu warten. Danach soll man ein kurzes Stück zurückgehen und einen grossen Bogen um die Herde gehen. Den Bikern rät er, vom Fahrrad abzusteigen und sich genauso zu verhalten. Es sei nicht ratsam, in hohem Tempo vor dem Schutzhund zu fliehen, denn diese wären sehr schnell. Falls es Hundehalter sind, muss der Hund dringend an der Leine gehalten und das Gebiet grossräumig umgangen werden. Herdenschutzhunde würden instinktiv einen fremden Hund als Gefahr für die Herde erkennen und zum Angriff übergehen.

Ausbildung zum Hundezüchter

Zum Herdenschutz zugelassen sind vom Bund momentan zwei Hunderassen, der Maremmen- Abruzzen-Schäferhund und der Pyrenäenberghund. Sie sind sehr angenehme, zuverlässige Hunde mit einer starken Eigenständigkeit und einem ausgeprägten Instinkt zur Verteidigung ihrer Schutzbefohlenen. Sie sind sehr kinderliebend und eignen sich als Familienhund, falls ihnen ein artgerechtes Leben geboten werden kann.

Familie Betschart besuchte mit allen vier Kindern Zuchtwart Fredi Bernet im Glarnerland. Dieser hatte sechs Maremmen- Abruzzen-Schäferhunde in einem Zwinger mit Auslauf. Die Familie durfte sich unter die Hunde mischen und sie hatte in kurzer Zeit das Vertrauen der Tiere gewonnen. Sie war so begeistert, dass sie sich vor rund sechs Jahren entschieden haben, «Etalon» aus der Hundeschar zu sich zu nehmen. Wenig später kam «Diana» aus einer anderen Zucht dazu. Die beiden 15 Monate alten Hunde waren bereits ausgebildet und hatten einen guten Grundgehorsam.

Seither ist die Liebe zu diesen schönen, intelligenten und ausgeglichenen Tieren immer mehr gewachsen und Karl Betschart entschied sich, die Schulung zum Ausbildner zu absolvieren. Diese dauert zwei Jahre und er wird im nächsten Winter die Prüfung ablegen können. Die neuen Hirtenhunde «Taro» und «Aisha» haben die Einsatz-Bereitschafts-Überprüfung bereits bestanden. Mittlerweile ist «Aisha» im Bündnerland gesetzt und geht dort ihrer Arbeit nach. «Diana» und «Etalon » sind bald im Pensionsalter. Bei «Etalon» machen sich Hüftprobleme bemerkbar, weshalb er auch nicht mehr auf der Alp zum Einsatz kommt. Der Landwirt hat sich zum Ziel gesetzt, zusätzlich die Ausbildung zum Herdenschutz-Hundezüchter zu machen und darf auf die Unterstützung der gesamten Familie zählen. So ergibt sich die Möglichkeit, für den eigenen Hundenachwuchs zu sorgen und den Schutz für die Schafherden zu gewährleisten.

«Die rasante Zunahme der Wolfspopulation wird allgemein massiv unterschätzt.»

Karl Betschart

«Etalon» liegt mitten unter den Schafen auf der Weide und beobachtet sehr aufmerksam die Umgebung.

Karl Betschart mit »Etalon» und seinem Sohn Manuel auf der Weide in der Nähe ihres Landwirtschaftsbetriebes. Fotos: Marianne Schönbächler

Manuel und Karl Betschart mit den Herdenschutzhunden «Diana» und «Taro» beim Sonnenaufgang auf der Alp.

Foto: zvg

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