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«Wir sind ein unpolitischer Verein und möchten das bleiben»

«Wir sind ein unpolitischer  Verein und möchten das bleiben» «Wir sind ein unpolitischer  Verein und möchten das bleiben»

Das Dorfmarketing Einsiedeln feiert heuer sein 20-Jahr-Jubiläum. Die beiden Co-Präsidenten Benjamin Zehnder und Mike Langner schildern, wie der Verein die Lebensqualität im Klosterdorf noch weiter steigern will.

MAGNUS LEIBUNDGUT

Was führte vor 20 Jahren zur Gründung des Vereins Dorfmarketing Einsiedeln? Das müssten Sie die damaligen Gründungsmitglieder fragen! Überliefert wurde uns der damalige Ruf nach einem Dorfverein, der sich für die Belange der hiesigen Bevölkerung einsetzt, um zum Beispiel die Lebensqualität im Dorf zu steigern und den Ortskern sowie die Region im Rahmen der Möglichkeiten zu verschönern. Die klassische Ortsförderung also. Als sinnvolle Ergänzung zu Einsiedeln Tourismus, wo ebenfalls die Attraktivität und Bekanntheit der Region gesteigert werden soll, aber in erster Linie die Touristen im Fokus stehen. Wer vertritt den Verein in erster Linie? Alle Mitglieder des aktuell zwölfköpfigen, mittlerweile siebten Vorstandes. Welche Ziele verfolgt der Verein primär? Die gesunde Bergregion Einsiedeln erhalten, verbessern und mit neuen Projekten da und dort positiv verändern. Mitunter auch mit der Hilfe der hiesigen Wirtschaft und des Gewerbes, um diese – so quasi im Gegenzug – ebenfalls zu unterstützen. Das primäre Ziel aber ist und bleibt: Wir realisieren ehrenamtlich Ideen und Projekte für das Dorf und die Region Einsiedeln und deren Einwohner. Mit unseren gezielten Aktionen haben wir den Anspruch, die Wohn- und Arbeitsqualität unserer Region und unseres Dorfes zu erhalten oder sogar zu verbessern.

Welche Meilensteine hat das Dorfmarketing in den letzten zwanzig Jahren erreicht? Sehr viele! Etliche vom Dorfmarketing ursprünglich auf den Weg gebrachte Projekte sind vielen Hiesigen bekannt und werden sehr geschätzt. So entsprangen folgende Projekte den kreativen Köpfen des Vereines: Open-Air-Kino Sihlsee-Badi (2019 und 2021), die Weihnachtsbeleuchtung, die seit dem Jahr 2010 die Hauptstrasse jedes Jahr jeweils im Dezember festlich illuminiert, und die Renovation des Galgenchappeli (2018). Im gleichen Jahr startete der sommerliche Wochenmarkt auf dem Sagenplatz, seit 2019 zwei Mal im Sommer das Weekend am See, 2020 das Einsiedler «Meinradsbänkli » aus hiesiger Produktion mit heimischem Holz, 2017 die Wetterstation im Bahnhof, 2016 ein neuer Veranstaltungskalender für die Region und natürlich die Unterstützung des Projektes Renovation und Wiederbelebung der MS Angelika, dem einzigen Passagierschiff auf dem Sihlsee. Insgesamt 64 Projekte wurden in den zwanzig Jahren bisher realisiert oder einer Trägerschaft übergeben.

In welchen Bereichen ist der Verein auf Widerstand gestossen?

In einigen Bereichen! Nicht alles, was an Ideen entsteht, wird auch von jedem goutiert. Insbesondere bei Themen, die das Ortsbild verändern könnten, ist es manchmal sehr schwierig, Projekte umzusetzen. Bestes Beispiel ist unser aktuelles Projekt Meinradsbänkli, das aus nachhaltig angebautem einheimischem Material besteht und von hiesigen Handwerkern gefertigt wird. Es ist beim Publikum sehr beliebt und wurde während des Gastauftrittes im letzten Winter vor dem Kloster rege benutzt. Trotzdem bekommen wir im Dorf selbst vom Bezirk keine Erlaubnis, es aufzustellen. Es bleibt im Moment privaten Käufern vorbehalten. Auch bei unserem neuesten Kind, dem Wildbienen-Paradies – einem ökologisch und durch den geplanten Lehrpfad auch pädagogisch wertvollen und nachhaltigen Projekt – herrscht derzeit noch Gegenwind.

Vereine leiden vermehrt an Mitgliederschwund und Überalterung. Wie entwickelt sich die Mitgliederzahl bei Ihnen? Die Mitgliederzahl ist seit über fünf Jahren sehr stabil. Wir sind allerdings auch kein klassischer Verein in Bezug auf die Mitglieder. Altersgrenzen kennen wir nicht, grundsätzlich kann jeder und jede bei unseren ehrenamtlichen Projekten mithelfen, die Zukunft ein kleines bisschen schöner zu gestalten oder auch als Mitglied die Vereinsprojekte finanziell unterstützen. Ab und an verlassen uns leider ältere Mitglieder, die ständig wieder durch neue ersetzt werden – genauso wie im Leben! Der derzeitige Bestand von über 180 Mitgliedern ist erfreulich und hilft sehr stark mit, die vielen, tollen Ideen überhaupt umsetzen zu können.

Welche Vorhaben nehmen Sie in der nächsten Zeit an die Hand? Ein primäres Ziel ist es, die Region Einsiedeln als Ganzes noch besser in unsere Projekte integrieren und berücksichtigen zu können. So sind wir mit den Vierteln daran, Möglichkeiten für das Meinradsbänkli abzuklären. Auch eine aktive Beteiligung am Sihlsee-Rundweg haben wir in der Planung. Trotzdem werden wir unsere aktuellen und sehr erfolgreichen Projekte wie das Open-Air-Kino, das Weekend am See und unsere Mitwirkung bei dem Herbst-Event «Hiesigi choched Hiesigs» von Einsiedeln Tourismus sowie am Zuzügertag des Bezirks mit viel Engagement weiterführen. Dazu gesellen sich noch zwei bis drei Neuprojekte, welche wir derzeit entwickeln und im nächsten Jahr umsetzen, respektive starten möchten!

Was fehlt in Einsiedeln?

Eine nicht ganz einfach zu beantwortende Frage. Denn es fehlt noch so einiges. Aber grundsätzlich haben wir ja auch schon vieles erreicht und geniessen in der Region nicht nur wegen der fantastischen Natur eine hohe Lebensqualität. Wir würden uns aber sehr wünschen, wenn alle Gremien aus Politik, Gewerbe, Gastronomie und Hotellerie zusammen mit den Vereinen besser zusammenarbeiten würden. Ganz ähnlich wie das im letzten Jahr unter dem Motto «En starche Gäischt – für d’Region Einsiedlä» als Kampagne initialisiert wurde. Ausser ein paar Abziehbildern auf Autos und an Geschäften ist leider nicht mehr viel davon spürbar. Warum nicht weiter beleben und die Kampagne als Langzeitmotto initialisieren? Das fehlt uns!

Was stört im Klosterdorf?

Der Autoverkehr! Es stört, dass der zunehmende Durchgangsverkehr immer öfters mitten durch das Dorf fährt, an schönen Tagen von Autoposern zusätzlich unterstützt und generell die eigentlich schöne Region an Wochenenden oft vom Ausflugsverkehr und Parkplatzsuchenden regelrecht erdrückt wird. Welche Rolle spielen die Viertel rund um das Dorf Einsiedeln für Ihren Verein? Eine wichtige Rolle! Allerdings sind die Viertel teilweise selbst gut organisiert. Da wartet man nicht auf das Dorfmarketing. Dennoch sind wir der Meinung, dass ein regelmässiger Austausch und – wo es sich anbietet – in Zukunft auch mal gemeinsame Projekte geprüft und realisiert werden sollten.

Wagt sich das Dorfmarketing auch an das Aufgreifen von heissen Eisen wie die Verkehrsberuhigung an der Hauptstrasse? Wir sind grundsätzlich ein unpolitischer Verein und möchten das auch bleiben. Das verhindert Interessenskonflikte und erlaubt konstruktive Lösungen. Allerdings geht es hier auch um die Lebensqualität vieler Einwohner. Eine Verkehrsberuhigung würden sicher viele begrüssen. Wir als Verein unterstützen Vorschläge in dieser Richtung, wenn sie intelligent und nachhaltig für mehr Ruhe und Sicherheit im Dorf sorgen und Gewerbe und Läden nicht zu sehr einschränken. Wie sollte sich Ihrer Meinung nach das Dorfzentrum Zwei Raben entwickeln?

Es wäre sicher schön, dieses einmalige Objekt auch in Zukunft belebt zu sehen. Genutzt werden die Räume leider zu wenig. Vielleicht liegt das ganz einfach an den kaum vorhandenen Parkmöglichkeiten für Besucher oder an der nicht mehr zeitgemässen technischen Ausstattung. Man könnte doch ein richtiges Mehrzweckzentrum daraus machen. Mehr Events im Bereich Musik, Theater oder für Vereine anbieten. Oder auch die Möglichkeit prüfen, Lagerplätze kostengünstig an Vereine zu vermieten. Und wieso in Zukunft nicht ein kleines, aber modernes Seminarhotel mit universell nutzbaren Räumen entwickeln?

Unterstützen Sie die Vorlage Einsiedlerhof?

Ja! Vorlagen, die den Einwohnern einen Mehrwert bringen können und als Projekt von der Finanzierung bis hin zur Nachhaltigkeit überzeugen, werden von uns unterstützt. Was wünschen Sie sich von der Politik seitens des Bezirks? Manchmal eine offenere Kommunikation bei der Umsetzung von Projekten. Wir freuen uns immer über Unterstützung durch den Bezirk und dessen politische Vertreter. Meist klappt dies in jüngster Zeit auch recht gut, und wir kommen voran. Aber immer wieder werden wir bei neuen Projekten unseres Vereins auch blockiert, indem Vorschläge nicht unterstützt werden, ohne dass die reklamierten Punkte erst mal bei uns hinterfragt wurden. Ein klärendes Gespräch und die entsprechende Bereitschaft dazu würden wir uns von allen Bezirksvertretern öfters wünschen. Erhält die Kultur in Einsiedeln vom Bezirk und vom Kanton ausreichend Unterstützung? Kultur ist wichtig! Man sagt auch, Kultur sei die Nahrung für die Seele der Menschen. In Einsiedeln werden grundsätzlich viele kulturelle Angebote offeriert. Viele aber durch private Initiative. Ob immer ausreichend unterstützt wird, können wir nur mutmassen. Ein bisschen mehr geht immer!

Wie würden Sie die Lebensqualität im Klosterdorf und in den Vierteln beschreiben? Hoch bis sehr hoch! Das liegt an vielen Faktoren: Von den Menschen hin zu der Natur, das reichhaltige Angebot an Freizeitaktivitäten, ein gesundes Gewerbe, ein intaktes Dorfleben und eine kulturelle Tradition, die von der Mehrheit gelebt und geliebt wird. Unser Verein versucht genau für diese Themen die richtigen Akzente zu setzen und mitzuhelfen, dass es so bleibt und für die Zukunft vielleicht sogar ein bisschen besser wird. Wie kann diese Lebensqualität noch gesteigert werden? Mit gemeinsamen Zielen der Menschen im Dorf und in der Region! Ideen dazu gibt es viele. Mit geeigneten, ausgereiften Konzepten sollte man sich trauen, auch einmal Neues zu wagen und für die Bevölkerung zu erkämpfen. Mitstreiter dazu gibt es in der Region erfreulich viele. Und die Lebensqualität zu steigern ist schliesslich unser Vereinsmotto!

Benjamin Zehnder (links) und Mike Langner sind Co-Präsidenten des Vereins Dorfmarketing Einsiedeln. Foto: zvg «Wir bekommen im Dorf selbst vom Bezirk keine Erlaubnis, das Meinradsbänkli aufzustellen.» «Wir wünschen uns sehr, dass alle Gremien besser mit den Vereinen zusammenarbeiten würden.» «Es stört, dass der zunehmende Durchgangsverkehr immer öfters mitten durch das Dorf fährt.» «Manchmal wünschen wir uns vom Bezirk eine offenere Kommunikation bei der Umsetzung von Projekten.» «Ein klärendes Gespräch und die Bereitschaft dazu würden wir uns von allen Bezirksvertretern öfters

wünschen.»

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