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Crash aufgegleist

Crash aufgegleist Crash aufgegleist

Grosse Feuerwehrübung auf dem Bahngelände in Einsiedeln

Ein Auto wird von einem Zug auf den Schienen erfasst. Eine verletzte Person muss aus dem Wagen gerettet werden. Das war die Aufgabe, welcher sich die Feuerwehr Einsiedeln stellen musste. Dabei galt es zunächst, etwas ganz Wichtiges zu beachten.

WOLFGANG HOLZ

Wie macht man eine Hollywood- Karriere? Als Darstellerin eines Unfallopfers? Warum eigentlich nicht. Cornelia Birchler aus Einsiedeln meisterte ihre Rolle als «Verletzte», die ihre Beine im Auto nach einem Zusammenstoss mit einem Zug plötzlich nicht mehr bewegen konnte, jedenfalls tadellos. Ruhig. Sachlich. «Da mein Bruder bei der Feuerwehr ist, habe ich mich gerne bereit erklärt zu helfen und bei dieser Übung mitzumachen », sagte die 26-jährige Studentin für Internationale Beziehungen an der Universität St.Gallen.

Fahrleitung zuerst erden

Bis die Statistin am Donnerstagabend aus dem Auto auf den Schienen auf dem Bahngelände in den Blatten geborgen werden konnte, dauerte es allerdings eine Weile. Denn die Feuerwehrleute mussten zuerst abwarten, bis der Strom abgeschaltet war und bis die bei dem konstruierten Zusammenstoss beschädigte Fahrleitung vom SBB-Rettungstrupp geerdet worden war. Erst dann konnten die Helfer aktiv werden. Sonst hätten sie einen Stromschlag riskiert. Ohne Strom gingen dann die Rettungskräfte aber unter Strom an die Arbeit. Wobei natürlich zu spüren war, dass es sich bei diesem feierabendlichen Einsatztraining immer um eine Simulation handelte.

Kunststofftrage ins Auto

Während die Feuerwehrleute auf die Fahrleitungsabschaltung warten, löschen sie zunächst den Rauch, der aus dem Autowrack entströmt. Danach nähern sie sich dem Auto, öffnen die Beifahrertüre und nehmen Kontakt mit der Verletzten auf. Den Autorädern werden Keile gegen das Wegrollen untergeschoben. «Du kannst die Handbremse lösen, dann können wir sie besser auf die Trage legen», sagt einer der Retter. Zwei Feuerwehrleute haben zuvor die Heckklappe aufgemacht und die Kunststofftrage in den Fahrgastraum gehievt.

Wobei das Auto keinen Beifahrersitz mehr hat, und die Trage auf diese Weise relativ einfach neben der Verletzten platziert werden kann. Danach rückt ein Helfer von hinten an, greift der Fahrerin, deren Beine blockiert sind, unter die Arme, hebt sie aus ihrem Sitz, und mit Hilfe seiner Kameraden kann die junge Frau dann auf das Kunststoffbrett gelegt und festgezurrt werden.

Draussen, einige Meter entfernt, gerettet sozusagen, wird die Verletzte auf den Boden abgesetzt und abgeschnallt. Plötzlich quicklebendig, ist Cornelia Birchler wieder auf den Beinen. Sichtlich erleichtert. «Das war sehr spannend. Die Feuerwehrleute haben alles gut gemacht. Ich habe versucht mir vorzustellen, wie ich mich wohl gefühlt hätte, wenn ich tatsächlich verletzt gewesen wäre und mich nicht mehr hätte bewegen können. Da hätte ich vielleicht doch Panik bekommen», räumte sie ein.

Einsiedelns Feuerwehrkommandant Marcel Zehnder zeigte sich zufrieden mit der Einsatzübung. «Im Ernstfall, nach der Beurteilung eines Rettungssanitäters, hätte es auch sein können, dass wir das Autodach weggefräst hätten, um einen besseren Zugriff zu bekommen.» Grundsätzlich findet er solche Übungen wichtig, um den Ausbildungsstand seiner Mannen ständig zu optimieren. «Solche Situationen wie einen Unfall auf den Gleisen erleben wir ja nicht täglich.» Kommt einmal pro Monat vor

In der Tat sind solche Vorkommnisse eher selten, wie René Megert, Leiter Betriebsführung der Südostbahn, während der Übung erklärte. «Statistisch gesehen kommt es auf dem 123 Kilometer langen Netz der SOB zu knapp einem Fall pro Monat mit Fahrzeugen – mit Auto und Lastwagen – im oder neben dem Gleisbereich der Südostbahn», sagt er. In der Regel komme es dabei zu keinem oder nur einem geringen Sachschaden an der Bahninfrastruktur. Megert: «Bei den meisten Fällen handelt es sich um Vorfälle an Bahnübergängen, meist touchierte Schranken oder ähnliches. Seltener geraten Fahrzeuge einfach so aufs Gleis.» Solche Zwischenfälle wie bei der Feuerwehrübung in den Blatten ereigneten sich meist wegen der Witterungseinflüsse und – oder – wegen unangepasster Fahrweise. «Dank der Aufmerksamkeit des Lokpersonals kann oft Schlimmeres verhindert werden.» Schranke durchbrechen Und der Südostbahn-Experte gibt auch noch einen wertvollen Tipp. «Müssen Schlagbäume an Barrieren ersetzt werden, kostet das an der Bahninfrastruktur einige wenige tausend Franken – das ist aber immer noch günstiger als Unfälle mit Auto- Totalschaden, Schäden an Zügen oder gar Personenschäden. Deshalb gilt im Notfall: Mit dem Auto die Schranke durchbrechen, um aus dem Gleisbereich zu gelangen. In jedem Fall ist dann sofort die Polizei zu alarmieren.» Verletzte hat es laut SOB also bei solchen Unfällen wie an der Einsiedler Feuerwehrübung in der Praxis bislang noch gar keine gegeben.

Insofern war die Statistenrolle Cornelia Birchlers am Donnerstag durchaus etwas Aussergewöhnliches. Sie durfte ihre Rolle sogar ein zweites Mal aufführen. Denn ein Teil der 31 Einsiedler Feuerwehrleute hatte sich während der Übung am Lösch- und Rettungszug der SBB, der ebenfalls vor Ort war, theoretisch instruieren lassen.

«Solche Situationen erleben wir ja nicht täglich.»

Marcel Zehnder, Feuerwehrkommandant Einsiedeln

Über die Heckklappe aus dem Auto befreit: Die Einsiedler Feuerwehr holt die «Verletzte» aus dem Auto.

Unfallübung: Zug stösst mit Auto auf dem Gleis zusammen.

Da hat sie noch gut lachen: Statistin Cornelia Birchler.

Wasser, marsch! Der Rauch am Wrack wird gelöscht.

Die Kunststofftrage zur Bergung des Unfallopfers steht schon bereit.

In Sicherheit: Die «Verletzte» wird wieder losgeschnallt.

Zufrieden: Feuerwehrkommandant Marcel Zehnder.

Die beschädigte Fahrleitung wird geerdet. Fotos: Wolfgang Holz

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