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Das Letzte

Das Letzte Das Letzte

ZWISCHENLUEGETEN 3

ERNST FRIEDLI

Vermutlich kennen Sie das auch. Die Situation ist nämlich häufig anzutreffen und trotz aller Erfolge in Wissenschaft und Raumfahrt ist das Problem weder gelöst noch lösbar. Zudem tritt dieses Problem mit Sicherheit erst immer am Schluss auf, was seine frühzeitige Vermeidung verunmöglicht. Aber von vorn.

Kürzlich hat uns Klärlis Schulfreundin Margrith zum Tee eingeladen. Zu den hauchdünnen Porzellantassen stellte sie ein mit bunten Stiefmütterchen bemaltes Schälchen, gefüllt mit jenen feinen Mandelbiskuits, welche ich so gern mag. Sie passen geschmacklich besonders gut zur Sacher-Teemischung. Wir alle genossen das Plaudern bei Tee und Gebäck. Es ging also nicht sehr lange, bis nur noch ein Mandelplätzchen im festlichen Porzellan lag. Und jetzt begann das Problem. Drei Menschen und ein letztes Biskuit sind ein schwieriger Zusammenhang.

Als erzogener Mensch wusste ich, dass das letzte Stück grundsätzlich nicht mir gehört, sondern anstandshalber einem der beiden anderen. Und da die beiden anderen das auch wussten, sind wir ebenso ungewollt wie treffsicher in das «Letzte Biskuit-Dilemma » geraten. Die Plauderei wurde diskret harziger, die Stimmung etwas gereizter während das letzte Mandelplätzchen im Schutz unseres rücksichtvollen Anstands den Besuch unversehrt überlebte. Es lag jedenfalls noch da, als wir uns verabschiedeten. Es ist anzunehmen, dass Margrith es dann gegessen hat, nachdem wir gegangen sind.

Nächstes Mal nehmen wir eine Packung selber mit. Zum rechtzeitigen Nachfüllen.

* Ernst Friedli, 64, seit 31 Jahren verheiratet mit Klärli, geborene Schönbächler. Nichtraucher und Sachbearbeiter im Rathaus, steht unter Amtsgeheimnis. Macht sich in der Freizeit Gedanken zur Weltlage und ist anstandshalber weitgehend anständig.

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