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Mit feiner Nase Vermisste aufspüren

Mit feiner Nase Vermisste aufspüren Mit feiner Nase Vermisste aufspüren

Marcel Meier und sein Labrador-Rettungshund Taro

Im Winter werden Skifahrer unter Lawinen verschüttet. Im Sommer verunglücken Bergsteiger im Fels. Labrador Taro findet dank seiner feinen Nase die Vermissten. Zusammen mit Herrchen Marcel Meier wird er zu Rettungseinsätzen in den Bergen gerufen.

WOLFGANG HOLZ

Ihr letzter Einsatz liegt wenige Tage zurück. Eine Frau wurde vermisst – man vermutete im Berggebiet Klein-Aubrig bei Euthal. Hundeführer Marcel Meier und sein Labrador Taro erfuhren davon über den Pager der Rega und mussten sofort ausrücken.

«Bis wir zu suchen begannen, war es schon Nacht geworden, und wir mussten uns mit Karte und Stirnlampe durch das Gebiet fortbewegen», erzählt Marcel Meier. Vier Stunden seien sie und ein anderes Hundeteam unterwegs gewesen, leider fanden sie die vermisste Frau nicht. Am andern Tag wurde sie im angrenzenden Kanton aufgefunden. Sie war tödlich verunglückt – wie die meisten Vermissten, die Marcel Meier und sein Labrador Taro in den Bergen aufspüren.

Seit 1988 Hundeführer

Dabei versuchen der 63-jährige Einsiedler und sein Lawinenund Geländesuchhund jedes Leben von Menschen zu retten, die in den Bergen verunglückt sind. Im Winter seien es zumeist Lawinenverschüttete, im Sommer abgestürzte Wanderer, vermisste Mountainbiker, Gleitschirmflieger, Pilzer. Aber auch Suizidopfer.

Schon seit 1988 engagiert sich der Hundeführer für die Lebensrettung in den Bergen. Sein schwarzer Labrador ist bereits sein vierter Hund – wobei Taro inzwischen mit neun Hundejahren umgerechnet auf Menschenjahre gleich alt ist wie sein Herrchen. Ein Fakt, der Meier schmunzeln lässt.

Marcel Meier, der 30 Jahre lang ein Bauunternehmen leitete und aktuell ein Büro für Bauberatung und Bauherrenvertretung im Klosterdorf hat, gehört zu den erfahrensten seines Metiers. Denn seit 2013 ist er auch Fachleiter Hunde in der Alpenrettung Schweiz – einer Stiftung, die zu 90 Prozent von der Rega und zu 10 Prozent vom Schweizer Alpenclub (SAC) getragen wird. Seit 33 Jahren ist er im Dienst, an weit über hundert Rettungseinsätzen war er beteiligt. Rund zehn davon pro Jahr. Dazu braucht es viel Idealismus.

«Meine Motivation ist nach wie vor, Menschen, die in den Bergen in Not geraten sind, zu helfen», sagt er. Sagts und verhehlt nicht, mit welch menschlichen Schicksalen er dabei konfrontiert ist. «Als wir vor Jahren einen vermissten Bauern bei Morschach tot in den Bergen auffanden, standen wir plötzlich sieben Kindern und der Bauersfrau gegenüber, die wissen wollten, was mit ihrem Familienvater passiert war», berichtet Meier. Situationen, die man verkraften können müsse. Faszinierender Geruchssinn

Wobei dem erfahrenen Bergsteiger vor allem die Zusammenarbeit mit Taro solche Einsätze ermöglicht – und ihn dafür auch immer wieder motiviert. Denn dessen Geruchssinn sei faszinierend. «Der Hund mit seiner Nase ist im Lawineneinsatz das schnellste Mittel, vom Schnee Verschüttete in bis zu vier bis fünf Metern Tiefe aufzuspüren», schildert Meier.

Der Labrador könne im Prinzip ein Gebiet von bis zu 30’000 Quadratmetern in einer Stunde mit seinem Riechorgan erschnüffeln. Der Hund atme 300 Mal pro Minute ein und aus und sei sogar beim Ausatmen in der Lage, Dinge mit seinem ausgezeichneten Geruchssinn zu orten. «Wir Menschen können nur beim Einatmen riechen.» Stehende Personen spüre er dabei nicht auf, sondern nur Sitzende oder Liegende. Oder eben Utensilien der Vermissten wie Mützen oder Rucksäcke.

Die tägliche Nasenarbeit

Damit die feine Nase immer funktioniert, trainiert Marcel Meier den Labrador täglich. «Nasenarbeit» nennt er das. Auf Spaziergängen stellt er ihm kleine oder grössere Aufgaben. «Neulich habe ich beispielsweise einen Dummy im Gelände versteckt, den Taro aufspüren musste», sagt Meier. Zur Belohnung gebe es am Ende eine Wurst. Zudem würde er dem Rüden während eines Einsatzes oder während des Trainings mit der entsprechenden Körpersprache stets signalisieren, dass er seine Arbeit gut mache.

«Labradore sind sehr menschenbezogene Hunde, die Kommunikation lieben.» Andererseits ruhe Taro völlig in sich. «Andere Hunde interessieren ihn nicht. Als neulich ein Fuchs in rund 20 Metern Entfernung im Wald an ihm vorbeistreifte, rührte sich Taro überhaupt nicht.» Hinzu komme, dass Labradore, die ja ursprünglich bei der Jagd oder abgetriebene Fische und Fischnetze aus dem Meer zu holen eingesetzt wurden, sehr lauf- und apportierfreudig seien.

Alles Eigenschaften, die für Suchhunde von Vorteil seien. Und trotzdem habe auch Taro als Rettungshund erst eine dreijährige Ausbildung absolvieren und dann die harte Prüfung bestehen müssen. «Viele Hunde scheitern letztendlich auch an der mangelnden Kondition.» Ungefähr 100 Lawinensuchhunde und 50-Geländesuchhunde gebe es insgesamt in der Schweiz.

Doch Taros feine Nase ist auch nicht alles. Denn auch Marcel Meier ist bei den Rettungseinsätzen gefordert. «Es liegt an mir, Taro zu führen. Und wenn ich nicht entsprechend motiviert bin, strahlt dies sofort auf den Hund aus und beeinflusst sein Verhalten.»

«Als wir vor Jahren einen vermissten Bauern bei Morschach tot in den Bergen auffanden, standen wir plötzlich sieben Kindern und der Bauersfrau gegenüber.»

Marcel Meier, Hundeführer

Hund und Herrchen unterwegs im Schnee.

Helikopterflüge sind für Labrador Taro normal. Fotos: zvg

Taros Geruchssinn wird täglich trainiert.

Ein eingespieltes Team.

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