Der Brauch des Gautschens lebt weiter

«Packt an!» Dann ging in der Druckerei Franz Kälin AG alles sehr schnell. Nach vier Jahren Lehrzeit als Polygrafin wurde Lisa Grüter (19) nach altem Brauch gegautscht. Die frischgebackene Berufsfrau wirkte dabei recht gefasst, ja sogar erfreut.

w.b. Das Wetter am vergangenen Donnerstag um 16 Uhr (etwa 15 Grad!) lud nicht gerade zum Bade. Die bereitgestellte Kippmulde – es braucht ja nicht ein richtiger Brunnen zu sein – war gut mit dem kühlen Nass gefüllt. Doch davon wusste die in einem Büro der Druckerei Franz Kälin AG arbeitende Lisa Grüter nichts. In den nächsten Minuten sollte sie den aus dem 16. Jahrhundert stammenden Brauch hautnah erleben dürfen.

«Irgend einmal könnte es schon passieren» Die in Lachen wohnhafte Lisa Grüter schloss ihre Lehre als Polygrafin vor Kurzem mit der tollen Note von 5.1 ab. «Bäckerin und Schreinerin wären auch mögliche Ausbildungswegegewesen»,meinte die aufgestellte «Noch-Teenagerin ». Dass Polygrafen, Drucker und Ausrüster am Ende ihrer Lehrzeit gegautscht werden, war ihr nicht unbekannt. Doch am letzten Donnerstag rechnete sie (noch) nicht mit dem Bad vor versammelter Belegschaft, Familie und Bekannten.

Punkt 16.15 Uhr ertönte die unmissverständliche Aufforderung «Packt an, packt an!». Und schon bald realisierte die junge Dame,dasseskeinZurückmehr gibt. Vier der 13-köpfigen Belegschaft hatten den «Gäutschling » fest im Griff; kurze Zeit später gabs eine erste Dusche aus einem Kübel, dann erfolgte das Eintauchen in die grosszügig gefüllte Kippmulde. Dann rief Lehrmeister Andi Oberholzer: «Wir Jünger Gutenbergs tun kund, dass die ehrsame Jüngerin unserer hochedlen Buchdruckerkunst nach altem Brauch die Wassertaufe erhalten hat.» Tropfend entstieg die Märchlerin dem Bad, froh darüber, dass die anwesenden Eltern ihr trockene Kleider mitgebracht hatten.

Gemütliche Feier im kleinen Rahmen Geschäftsführer Gery Kälin gratulierte der neuen Polygrafin herzlich und zeigte Freude, dass sie ein derart pflegeleichter Lehrling war. Kunststück, dass die vier Jahre im Nu vergangen waren. Lisa Grüter wird noch bis Ende Jahr im Lehrbetrieb tätig sein, dann tritt sie eine dreijährige Weiterbildung im Bereich «visuelles Gestalten » an.

Im Kreise ihrer Familie und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ging es dann zum gemütlich- geselligen Teil über. Feines vom Grill, Salate, diverse Getränke sowie Dessert sorgten für den kulinarischen Genuss. Nur noch Lisas angefeuchtete Haare deuteten zu diesem Zeitpunkt auf ihr «unfreiwilliges Bad» hin. Einfach schön, dass solche Bräuche auch im Jahre 2021 Bestand haben!

Mit vereinten Kräften wird die frischgebackene Polygrafin in den bereitgestellten «Swimming Pool» befördert.

Foto: Werner Bösch