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«Einsiedeln fehlt Infrastruktur»

«Einsiedeln fehlt Infrastruktur» «Einsiedeln fehlt Infrastruktur»

Interview mit Christoph Sahli, dem früheren Einsiedler und erfolgreichen Handball-Trainer des LK Zug

Cup und Meisterschaft hat der 36-jährige Handball- Trainer Christoph Sahli, der in Einsiedeln aufgewachsen ist, jüngst mit den Frauen des LK Zug gewonnen. Eine beeindruckende Leistung.

WOLFGANG HOLZ

Herr Sahli, herzlichen Glückwunsch nachträglich zum Gewinn von Meisterschaft und Cup mit den Handballfrauen des LK Zug. Wie haben Sie dieses unglaubliche Double bloss geschafft?

Vielen Dank. Viele Faktoren spielten sicherlich eine Rolle für den Erfolg. Es war wie ein grosses Puzzle, in dem am Ende alle Teile wunderbar ineinandergriffen und ein schönes Bild ergeben haben. Seit Jahren betreiben wir kontinuierliche Aufbauarbeit mit einer sehr, sehr jungen Mannschaft. Und die hervorragende spielerische Leistung des Teams zum Schluss der Saison hat als letztes Puzzleteilchen das Bild quasi perfekt vollendet. Wie lange sind Sie denn schon Trainer beim LK Zug? Ich bin jetzt seit 2009 Trainer beim LK Zug. Seit 2018 trainiere ich die erste Frauenmannschaft. In der ersten Saison waren wir im Final, letztes Jahr wurde der Ligabetrieb leider vorzeitig wegen Corona abgebrochen, und nun beim dritten Mal konnten wir uns unseren Traum endlich erfüllen.

Ist das Ihre erste Meisterschaft als Frauen-Handballtrainer?

Ja. Im Nachwuchsbereich habe ich schon einmal als Trainer die Schweizer Meisterschaft geholt mit der Innerschweizer Regionalauswahl. Der Titel mit dem LK Zug war eine Riesenerlösung für mich, weil ich mich doch mit sehr viel persönlichem Engagement eingesetzt habe – und weil ich auch in die grossen Fussstapfen meines erfolgreichen Vorgängers getreten bin. Dieser war immerhin viermal Meister mit dem LK Zug, das letzte Mal 2015. Insofern lastete schon ein gewisser Druck auf mir, den ich mir aber hauptsächlich selber auferlegt habe.

Welche eigene Note konnten Sie der Mannschaft als Trainer verleihen? Wir haben zum einen versucht, stets ein attraktives Spielsystem zu kultivieren, bei dem schnell und ein stark physisch geprägtes Handball gespielt wurde mit wenig technischen Fehlern. Zum anderen haben wir versucht, die jeweilige Situation auf und neben dem Feld immer flexibel so anzunehmen, wie sie ist, und das zu kontrollieren, was wir selber beeinflussen können. Sind Frauen eigentlich trainingsfleissiger und zugänglicher für die Tipps eines Trainers, oder spielen solche Phänomene in Zeiten von Gender-Gleichheit keine Rolle mehr? ( lacht) Ich glaube, wenn man sich sinnvoll und überlegt für den Frauensport einsetzt, danken es Frauen mit Fleiss und zeigen mehr Einsatz als Männer im Training. Es mag auch eine Rolle spielen, dass Handball in der Schweiz eher eine Männerdomäne ist, und Frauen deshalb besonders bereit sind, etwas ähnlich Erfolgreiches mitaufzubauen und dafür mehr Gas zu geben, mehr Leidenschaft zu zeigen. Sie haben sich also rundum wohlgefühlt als Trainer?

Ja. Wobei es auch vorkommen kann, dass Frauen manche Dinge persönlicher nehmen als Männer. Wenn ich beispielsweise mal in der Hitze des Gefechts zu einer Spielerin etwas Kritisches gesagt habe, hat sich die Betroffene das vielleicht stärker zu Herzen genommen als ein Mann – der so etwas eher an sich abprallen lässt. Bei Frauen kommen halt schneller Emotionen mit ins Spiel. Sie sind ja in Einsiedeln kein Unbekannter als ehemaliger Spieler und als früheres Vorstandsmitglied des HCE. Welche Verbindungen haben Sie noch? Leider nicht mehr sehr viele. Der Zugang ist im Grossen und Ganzen verloren gegangen. Meine Mutter wohnt zwar wieder in Einsiedeln, und deshalb komme ich auch hin und wieder ins Klosterdorf, wo ich mich mit früheren Handball-Kollegen treffe. Wir haben einen Oldies-Gruppen-Chat, in dem wir uns regelmässig austauschen.

Sie selbst wohnen also nicht mehr in Einsiedeln? Nein, ich wohne jetzt in Zug. Meine Wurzeln liegen aber im Grunde schon in Einsiedeln, wo ich ab dem sechsten Lebensjahr aufgewachsen bin.

Zurück zum Handball. Der LK Zug ist ja ein seit Jahren gewachsenes Erfolgsmodell im Frauenhandball. Wäre so etwas in Einsiedeln auch möglich oder ist das eine Sache des Geldes? Viel Geld haben wir jetzt auch nicht beim LK Zug. Man muss sehen, dass der HC Einsiedeln eben ein Regionalverein ist, der über kein sehr grosses Einzugsgebiet verfügt. Und um so etwas wie in Zug im Frauenhandball zu erreichen, muss man Jahr für Jahr viel investieren. Vor allem muss man viele Aufgaben auf vielen Schultern verteilen. Und das war zumindest während meiner Zeit beim HC Einsiedeln nicht so. Damals mussten wenige Personen zu viel Arbeit leisten. Zwar hat der HC Einsiedeln auch mal in der ersten Liga gespielt – und das sogar erfolgreich. Doch danach ist das Projekt schnell wieder eingeschlafen. In Einsiedeln scheitert eine dauerhafte Expansion in höhere Handballsphären schon an der mangelnden Infrastruktur. Wie meinen Sie das, die Einsiedler Handballer können doch in der Brüel-Sporthalle trainieren und dort auch spielen? Stimmt. Aber die Handballerinnen und Handballer müssen sich die Halle mit zig anderen Vereinen teilen. Und wer höherklassig spielen will, der muss nunmal viel und gut trainieren können. Beim Nachwuchs des LK Zug wird allein schon acht- bis zehnmal pro Woche trainiert. Und wir haben Spielerinnen in der ersten Mannschaft, die trainieren zwölf Mal die Woche. So etwas wäre in Einsiedeln schlichtweg nicht möglich. Unter anderem verstärken den LK Zug ja gute Nachwuchsspielerinnen aus Einsiedeln. Bis letztes Jahr spielte bekanntlich Jacqueline Hasler-Petrig bei uns im LK Zug, nun trainiert ihre Tochter Nina bei uns im Nachwuchs und Katherine Kesselring wurde mit der U18 Elite ebenfalls Schweizer Meisterin. Was fasziniert Sie am Handball?

Handball ist ein Sport, der alles mit sich bringt: Technik, Physis, Dynamik, Tempo und Taktik. Zudem gibt es viele 1:1-Situationen und Zweikämpfe. Das macht den Sport sehr attraktiv. Was sind Ihre Ziele für die Zukunft? Nochmal das Double? Ich fühle mich beim LK Zug sehr wohl. Der Grad der Professionalisierungwirdundmussweiterwach-sen. Es wird auch einige Wechsel in der Mannschaft geben – eine Spielerin des LK Zug geht nun in die deutsche Bundesliga, darauf sind wir sehr stolz. Wir werden natürlich auch nächste Saison wieder versuchen, ganz vorne mitzuspielen, die Entwicklung steht aber im Vordergrund und die braucht entsprechend Zeit.

«Frauen zeigen im Training mehr Einsatz als Männer.»

Christoph Sahli, Handballtrainer Frauen LK Zug

Christoph Sahli, der in Einsiedeln gross gewordene Trainer des LK Zug (ganz links), jubelt mit seiner Mannschaft. Foto: zvg

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