Bedrohter Salzsee

BRIEF AUS DEN USA

Eine Flugstunde westlich von Denver liegt ein vergessenes Juwel. Der grosse Salzsee im nördlichen Teil des Bundesstaates Utah ist weder in den Touristenbroschüren noch im Internet als Attraktion aufgelistet. Trotzdem hat die Stadt namens Salt Lake City dem grössten See im Westen der USA den Namen zu verdanken.

Wer sich zum grossen Salzsee aufmacht, wird mit einem interessanten Geologie-, Biologie- und Geschichtsunterricht und einer endlosen Aussicht belohnt. Der grosse Salzsee ist ein Überbleibsel des Bonneville-Sees, welcher sich in der letzten Eiszeit über weite Teil von Amerika erstreckte. Die ehemaligen Seeufer sind noch heute in den Gesteinsschichten der umliegenden Berge gut sichtbar. Der heutige Salzsee ist grösser als das Tote Meer. Er wird von drei Flüssen gespiesen, hat aber keinen Abfluss in Richtung Ozean. Pro Jahr werden über zwei Millionen Tonnen Mineralien abgelagert. Der See ist maximal nur zehn Meter tief und somit eignet er sich kaum für den Wassersport. Auch Angler gehen leer aus. In dieser riesigen Salzpfütze überlebt kein Fischchen. Die einzigen Lebewesen sind Mikroben und Salzgarnelen. Die Mikroben haben sich vor allem im nördlichen Teil des Salzsees angesiedelt. Dort ist der Salzgehalt mit bis zu 30 Prozent am höchsten. Vor über 70 Jahren baute die Eisenbahngesellschaft eine 33 Kilometer lange Abkürzung in Form eines Dammes und teilte den See in zwei Hälften. Das Wasser in diesem Teil des Sees ist im Herbst aufgrund der roten Pigmente der Mikroben rosarot.

Im südlichen Teil leben die Salzgarnelen. Diese können bis zu 1,5 Zentimeter gross werden und haben bei der Geburt nur ein Auge. Sobald sie ausgewachsen sind, kriegen sie zwei weitere Augen. Diese Garnelen können den Salzgehalt im eigenen Körper regulieren und atmen durch ihre winzigen Füsse. Vermutlich wurden sie ursprünglich in Form von Eiern an den Füssen von Zugvögeln zum grossen Salzsee transportiert. Das Gebiet und vor allem die zehn Inseln, welche je nach Wasserstand Halbinseln sind, sind bei Zugvögeln sehr beliebt. In der kargen Gegend gibt es wenige Raubtiere. Das Salz wird mittels Verdunstungsbecken kommerziell abgebaut. Es wird als Enteiser, Strassensalz und für Pferdeblöcke genutzt. Die Salzgarnelen werden im Herbst geerntet und als Fischfutter nach Asien und Südamerika geliefert.

Der Salzsee hat einen schlechten Ruf. Am Ufer leben Millionen von Salzfliegen und wenn die nächste Generation ausschlüpft, stinkt es. Wer sich an den Fliegenschwärmen vorbei bis ins Wasser wagt, kann sich wie im Toten Meer treiben lassen. Die Existenz des Salzsees ist bedroht. In den letzten zehn Jahren schrumpfte der See 40 Prozent. Immer mehr Wasser der Zuflüsse wird für die Landwirtschaft gebraucht. Noch aber kann die NASA einige Mineralhügel am Ufer studieren. So etwas ähnliches kommt nur in der Arktik und auf dem Mars vor.

Und wir warten geduldig zu Hause auf das zweite und dritte Auge des Salzgarnelen-Souvenirs. Regula Grenier * Die Einsiedlerin Regula Grenier- Flückiger (*1973) zügelte 2007 nach Denver im amerikanischen Bundesstaat Colorado, am Fusse der Rocky Mountains. Seit 2011 wohnt sie im Nachbarort Thornton. Dort kamen 2011 Sohn Cody Frederick und 2015 Tochter Stephanie Nova zur Welt.