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Ob denn Gott wirklich existiert?

Ob denn Gott wirklich existiert? Ob denn Gott wirklich existiert?

SEITENBLICK: GLAUBEN UND ZWEIFELN

PATER THOMAS FÄSSLER

Ich weiss gar nicht mehr so genau, wie wir letzthin im Geschichtsunterricht an unserer Stiftsschule eigentlich darauf gekommen sind, dass es viel mehr gibt, als wir mit unseren menschlichen Sinnen wahrnehmen können. Im nachhallenden «Halleluja» des Osterfestes mit all seinen Fragen, ob denn Gott wirklich existiert, ob es ein Leben nach dem Tod gibt und wenn ja, wie wohl dieses aussieht, will ich versuchen, den Weg dorthin zu rekonstruieren.

Wie sollte es das geben?

Es begann mit Fasten und ging über zum heiligen Bruder Klaus, der – wie eine Schülerin wusste – freilich nicht vollständig auf Nahrung verzichtete, aber doch während zwanzig Jahren einzig von der Eucharistie lebte. Als wir daraufhin auf das katholische Verständnis der Eucharistie kamen mit dem Glauben an die – mit unseren Sinnen nicht wahrnehmbare – Wandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi und ich dabei in interessierte Gesichter blickte, sagte ich zur Klasse: «So, verlassen wir kurz den Geschichtsunterricht und machen wir einen Sprung in die Sphäre des Glaubens!» Ich eröffnete meinen kleinen Exkurs damit, dass heute bei vielen Menschen nur das als real existierend anerkannt wird, das wir riechen, ertasten, schmecken, hören und vor allem sehen können. Alles andere verbannen wir in das Reich der Märchen und Fantasie. Da können, müssen wir jedoch kritisch nachhaken, indem wir uns fragen, wie wohl die Menschen um uns herum vor einigen Hundert Jahren reagiert hätten, wenn wir ihnen von ultraviolettem Licht oder radioaktiver Strahlung erzählt hätten. Kopfschütteln und Worte wie «Spinner» wären wohl die Reaktionen darauf gewesen. Wir hätten es ihnen nicht verübeln können. Schliesslich können wir beides nicht wahrnehmen – wie sollte es sie dann geben?

Andere Lebewesen können allerdings diese Realitäten wahrnehmen: Vögel und Fische etwa sind in der Lage, Licht im UV-Bereich zu erkennen. Auch die meisten Insekten werden von UV-Färbungen auf Blüten angezogen, die das menschliche Auge zu sehen nicht in der Lage ist. Wir wüssten inzischen, dass es so manches auf der Welt gibt … Manches von dem, was wir mit unseren Sinnen nicht erkennen können, haben wir inzwischen mit technischen Hilfsmitteln auch für uns wahrnehmbar gemacht. So können etwa inzwischen auch wir UV-Licht sehen. Und seit Beginn des letzten Jahrhunderts sind wir dank des Elektronenmikroskops in der Lage, auch Viren nachzuweisen, deren Existenz bis dahin nur aufgrund ihrer Wirkung nach dem Befall eines Organismus postuliert worden war.

Wir wüssten also inzwischen, dass es so manches auf der Welt gibt, das real existiert, ohne dass wir es mit unseren fünf Sinnen wahrnehmen können. Konsequenterweise führt dies zur Frage, ob es vielleicht noch mehr gibt, das genauso real existiert, für das zu erkennen wir aber bislang einfach noch keine Hilfsmittel entwickelt haben. Können wir vielleicht in Zukunft einmal erklären, wieso wir auf Anhieb die einen sympathisch finden, andere hingegen kaum? Können wir irgendeinmal die Liebe auf den ersten Blick zu Blatt bringen, schwarz auf weiss, ohne uns auf ein diffuses Bauchgefühl verlassen zu müssen, das so schwierig in Worte zu fassen ist, geschweige denn objektiv nachgewiesen werden kann?

Im Kopf scheinen solche «Argumente » logisch zu sein. Und doch tun sich viele oft schwer mit der Vorstellung, dass da noch was passieren sollte, wenn der Leib eines Verstorbenen in die Erde gelegt wird.Wir sehen ja höchstens, dass dieser verwest. Mehr nicht.

«So, kommen wir zum eigentlichen Thema zurück», meinte ich schliesslich, um den Geschichtsunterricht wieder aufzunehmen. Eine Trennung zwischen diesen beiden Themen gibt es allerdings nur im Klassenzimmer. Das Leben kennt sie gewiss nicht.

«Wir können es nicht wahrnehmen.

Wie sollte es sie dann geben?»

Pater Thomas Fässler

(*1984) ist seit 2006 Mönch im Kloster Einsiedeln. Er studierte Theologie, Geschichte sowie Latein und unterrichtet an der klösterlichen Stiftsschule, wo er auch als Schulseelsorger und Ministrantenbetreuer tätig ist.

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