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«Auch wir sind langsam, aber sicher coronamüde»

«Auch wir sind langsam, aber sicher coronamüde» «Auch wir sind langsam, aber sicher coronamüde»

Polizei-Kommandant Damian Meier spricht zur Corona-Situation im Kanton Schwyz und über den Fall vor dem Bundesstrafgericht.

CHRISTOPH CLAVADETSCHER

Vor einem Jahr sagten Sie in einem Interview, dass sich die Schwyzerinnen und Schwyzer gut an die Corona-Massnahmen halten. Ist dies immer noch so? Ja, im Grossen und Ganzen hält sich unsere Bevölkerung nach wie vor gut an die Vorgaben, auch wenn eine gewisse Corona- Müdigkeit spürbar ist. Wie zeigt sich diese Corona-Müdigkeit?

Es zieht aufgrund der wärmeren Temperaturen immer mehr Menschen nach draussen. Dies hat zur Folge, dass es wieder zu vermehrten Menschenansammlungen kommt. Bei unseren Kontakten mit der Bevölkerung stellen wir fest, dass das Verständnis für das Einhalten der Massnahmen teilweise sinkt. Was beschäftigt die Polizei betreffend Corona im Moment am meisten? Das Spannungsfeld wird immer grösser: Nach wie vor gibt es viele Menschen, die Angst haben, und die von uns ein rigoroses Durchgreifen verlangen, wenn Vorgaben nicht konsequent eingehalten werden. Andererseits spüren wir bei unseren Kontrollen je länger, je weniger Verständnis seitens der Betroffenen. Dazwischen befinden wir uns als Polizei. Wir möchten für alle unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger da sein. Der Spagat, der dabei von uns abverlangt wird, ist für meine Mitarbeitenden nicht einfach zu meistern. Ich bin sehr stolz darauf, dass es unseren Polizistinnen und Polizisten gelingt, weiterhin Augenmass walten zu lassen, wenn ab und zu auch konsequent durchgegriffen werden muss. Glauben Sie mir: Auch wir bei der Kantonspolizei wären froh, wenn Corona endlich der Vergangenheit angehören würde und wir uns wieder unseren Kernaufgaben zuwenden könnten. Nun hat der Bundesrat am Mittwoch gewisse Lockerungen angekündigt, die ab Montag gelten. Was bedeutet dies für die Polizei? Vom Bundesrat beschlossene Lockerungen werden nun von uns aufgearbeitet und die internen Weisungen angepasst. Die neuen Vorgaben fliessen in die laufende Einsatzplanung ein. Dabei profitieren wir von den Erfahrungen aus den vergangenen Monaten. Mit Blick auf die Lockerungen sind keine zusätzlichen Patrouillen vorgesehen. Der Unmut in der Bevölkerung wächst, was auch die nicht bewilligte Demonstration in Altdorf zeigt. Die Kantonspolizei Schwyz hat in Uri ausgeholfen. Wie viele Korps-Mitglieder waren vor Ort? Wir haben mit einem Ordnungsdienst- Kontingent Unterstützung geleistet. Zu genauen Zahlen geben wir keine Auskunft.

Ist die Polizei in der Corona-Krise oft nicht einfach machtlos? Etwa um die Maskenpflicht durchzusetzen? Seit Beginn der Corona-Pandemie versuchen wir, unsere Tätigkeit mit Augenmass auszuüben. Konkret heisst dies, dass wir auf Meldung hin oder bei eigenen Feststellungen intervenieren, indem wir das Gespräch suchen, an die Vernunft appellieren und zum Einhalten der Vorgaben auffordern. Dies ist uns in den allermeisten Fällen geglückt: Das Gespräch wirkt in unserem Job oftmals Wunder. Vereinzelt mussten wir auch durchgreifen, indem wir Ordnungsbussen ausstellten, Anzeigen schreiben mussten oder Wegweisungen aussprachen. In St. Gallen kam es zu Jugendunruhen. Wie beurteilen Sie die Lage diesbezüglich in Schwyz? Auch wenn jetzt gewisse Massnahmen gelockert werden – könnte das hier auch passieren? Die Vorfälle in St. Gallen beschäftigen uns sehr. Zwar sind städtische Gebiete prädestinierter, was Zusammenrottungen oder «Unruhen» anbelangt. Dennoch könnte so etwas bei uns auch passieren. Man erinnere sich nur an die Querelen am Abend des Fasnachtsmontags in Einsiedeln, als auch wir mit Ordnungsdienstkräften für Ruhe und Ordnung sorgen mussten. Zeigen die Erfahrungen in letzter Zeit, dass auch die Schwyzer Jugend aufmüpfiger wird? Ich habe grosses Verständnis für einen gewissen Unmut bei unseren Jungen. Sie gingen in den vergangenen Monaten leider etwas vergessen, obwohl sie zu den Hauptbetroffenen gehören. Jugendliche wollen sich treffen können, ab und an auch ein wenig ausbrechen und feiern. Das war ihnen nun fast ein Jahr lang nicht vergönnt. Wen überrascht es, dass insbesondere sie langsam, aber sicher genug haben von den Restriktionen? Dennoch: Gewalt ist nie die Lösung und konsequent zu verurteilen. Was in St. Gallen passiert ist, ist eine Schande und mit nichts zu rechtfertigen. Wer Sachbeschädigungen begeht und gar Polizisten angreift, muss konsequent zur Rechenschaft gezogen werden. Fürchten Sie auch in Schwyz eine Eskalation der Gewalt, sollten nicht bald noch mehr Lockerungen kommen? Im Moment sieht die Situation in unserem Kanton ruhig aus. Es gibt derzeit keinerlei Anzeichen, dass es in eine andere Richtung gehen könnte. Wie ist die Stimmung polizeiintern?

Auch wir sind langsam, aber sicher etwas coronamüde.

Hat sich bei der Kantonspolizei Schwyz viel Überzeit angesammelt im vergangenen Jahr? Wir stellen keine Anhäufung von Überzeit fest. Vielmehr hat die starke Belastung rund um die Corona-Pandemie zur Folge, dass wir in anderen Tätigkeitsbereichen unsere Aktivitäten reduzieren mussten.

Welche zum Beispiel?

Wir konnten in verschiedenen Bereichen weniger Kontrollen durchführen. Zudem wurden die nicht zwingend notwendigen Aus- und Weiterbildungen verschoben oder mittels besonderer Schutzmassnahmen, teilweise auch via Videokonferenz, durchgeführt. Neben dem «Tagesgeschäft» und Corona ist derzeit auch noch der Prozess gegen den ehemaligen Logistik-Chef der Kantonspolizei Schwyz vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona im Gang. Unter anderem werden ihm mehrfache Widerhandlungen gegen das Waffengesetz vorgeworfen, indem er Munition via Polizei bestellt und privat verkauft haben soll. Wie sehr belastet der aktuelle Fall das Team der Kantonspolizei?

Nach Bekanntwerden der Unregelmässigkeiten haben wir umgehend interne Sofortmassnahmen ergriffen und eine Aufarbeitung gemacht. Ich glaube nicht, dass meine Mitarbeitenden im täglichen Einsatz durch diesen Fall beeinträchtigt sind.

Der Angeklagte erhebt schwere Vorwürfe gegen die damalige Polizeiführung, sie trage im Sinne von «Gelegenheit macht Diebe» ein Mitverschulden. Die Kontrollen seien zu lasch gewesen. Der Fall war zwar vor Ihrer Zeit. Dennoch: Was sagen Sie zu diesen heftigen Vorwürfen? Zum laufenden Verfahren und der Verteidigungsstrategie des Beschuldigten kann ich mich nicht äussern. Ich will hier aber festhalten, dass die umfassenden Untersuchungen der Finanzkontrolle und die politische Aufarbeitung der Stawiko des Schwyzer Kantonsrates zum Ergebnis kamen, dass das Fehlverhalten vom Beschuldigten ausging.

«Man erinnere sich nur an die Querelen am Abend des Fasnachtsmontags in Einsiedeln.» «Ich habe grosses Verständnis für einen gewissen Unmut bei unseren Jungen.»

Damian Meier, Kommandant Kantonspolizei Schwyz.

Foto: Magnus Leibundgut

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