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«Gründe sind rein persönlicher Natur»

«Gründe sind rein persönlicher Natur» «Gründe sind rein persönlicher Natur»

Nach mysteriöser wochenlanger Absenz im Amt legt Bezirksrat Christoph Bingisser sein Amt per sofort nieder

Nun ist zumindest eines klar: Der seit zig Wochen «verschwundene» Bezirksrat Christoph Bingisser ist wieder zurück in Einsiedeln und hat per sofort seinen Rücktritt eingereicht. Warum der SVP-Politiker dies tut – dazu sagt er nur wenig Konkretes.

WOLFGANG HOLZ

Die Nachricht hatte nur einen einzigen Satz: «Geschätzter Bezirksammann, hiermit erkläre ich meinen sofortigen Rücktritt als Mitglied des Bezirksrates Einsiedeln – Ressortchef Bildung und Kultur.» Diese Mitteilung hat der SVP-Politiker und Einsiedler Treuhänder am Dienstagmorgen an Bezirksammann Franz Pirker in Form eines offiziellen Schreibens mit A-Post Plus verschickt – sowie per E-Mail auch an alle Präsidenten der Einsiedler Ortsparteien.

Niemand wusste, was passiert war Eine Nachricht, die bestürzt und schockiert. Die aber auch viele Fragen aufgibt. Denn seit Ende Januar nahm Bezirksrat Christoph Bingisser nicht mehr an Sitzungen des Bezirksrats teil. Der Bezirksrat selbst wusste nichts über seine Abwesenheit. Im Klosterdorf wurde herumerzählt, Bingisser sei «verschwunden ». Niemand schien etwas zu wissen. Aus dem persönlichen Umfeld des Treuhänders und zweifachen Familienvaters war auf Anfrage des Einsiedler Anzeigers Ende März nur so viel zu erfahren: Christoph Bingisser sei nicht verschwunden, er sei einfach nicht erreichbar.

Recherchen des Zürcher Internetportals «Inside Paradeplatz » brachten dann auf, dass der Einsiedler SVP-Politiker in seiner ehemaligen Funktion als Verwaltungsrat der Zuger Firma Batagon in ein Strafverfahren im Zusammenhang mit Finanztransaktionen der Zürcher Investmentfirma Ruvercap verwickelt sein soll, welches die Zuger Staatsanwaltschaft lanciert habe und welches noch in Gang sei (siehe Box). Wobei weiterhin grundsätzlich die Unschuldsvermutung für Christoph Bingisser gilt.

Klar ist bislang einzig: Er will per sofort nicht mehr Bezirksrat sein. Auf der Internet-Seite des Bezirks Einsiedeln ist er noch aufgeführt, als ob nichts passiert wäre, ebenso wie auf der Homepage der lokalen SVP.

«Dass es so schnell geht, hätte ich nicht gedacht», sagt Johannes Borner, Präsident der SP Einsiedeln. Dieser hatte kurz zuvor in einem offenen Brief an Bezirksrat Christoph Bingisser geschrieben, dass dessen wochenlange Abwesenheit von den Amtsgeschäften «in der breiten Bevölkerung und in der SP Einsiedeln » zu vielen Fragen und «spriessenden Spekulationen» geführt habe.

In dem Brief forderte der Sozialdemokrat Bingisser deshalb auf, «die Bevölkerung von Einsiedeln über Deine Situation, die Vorkommnisse in den vergangenen Wochen und die Sachverhalte, die dazu geführt haben, umgehend und transparent zu informieren ». Zwei Tage später reichte Bingisser seinen Rücktritt ein. «Dieser unbegründete Rücktritt schreit nun förmlich nach einer Erklärung», so Borner.

Erklärung Bingissers Auf schriftliche Nachfrage des Einsiedler Anzeigers erklärt Christoph Bingisser dann am Mittwochnachmittag in einer E-Mail, dass er aus verschiedenen persönlichen Gründen nach eingehendem Abwägen zum Schluss gekommen sei, «dass ich meine Pflichten als Mitglied des Bezirksrates zukünftig nicht mehr werde vollumfänglich wahrnehmen können. Deshalb habe ich beschlossen zurückzutreten. Die Gründe sind rein persönlicher Natur. Ich bitte um Verständnis, dass ich die Gründe in der Öffentlichkeit nicht weiter erörtern möchte». Von etwaigen Fehlern oder Selbstkritik – keine Spur.

Reaktionen der Parteien Das Echo der Parteien auf Bingissers Rücktritt ist ansonsten eher wohlwollend. Die FDP Einsiedeln bedauert das Ausscheiden. «Wir durften ihn als sehr engagierten und kompetenten Bezirksrat kennenlernen, und wir haben seine Arbeit immer sehr geschätzt», sagt Parteipräsident Christian Grätzer gegenüber unserer Zeitung. Die Freisinnigen gehen davon aus, dass der Rücktritt wohlüberlegt sei, und Bingisser für sich, seine Familie und seine Firma den richtigen Entscheid gefasst habe. «Für uns gibt es keinen Anlass, irgendwelche Gerüchte oder Spekulationen im Zusammenhang mit dem Rücktritt zu kommentieren. Da für uns die Unschuldsvermutung elementar ist, weisen wir jegliche Formen übereiliger Vorverurteilungen vehement zurück. » Man danke Christoph Bingisser für seinen unermüdlichen Einsatz für den Bezirk Einsiedeln und wünsche ihm sowohl privat als auch geschäftlich alles Gute für die Zukunft.

Kritik an die Adresse der SVP

Aus Sicht von Ruedi Bopp, Sektionsleiter der Grünliberalen Partei Einsiedeln, muss die längere Absenz eines Mandatsträgers begründet werden. «Wenn dies nicht möglich ist oder aus persönlichen Gründen nicht gewünscht wird, müssen daraus die notwendigen Konsequenzen gezogen werden. Mit dem sofortigen Rücktritt vom Amt ist das inzwischen erfolgt.» Die Privatsphäre habe für ihn Priorität. Sagts und gibt den schwarzen Peter an die SVP weiter: «Grundsätzlich wäre wohl seine Partei in der Pflicht gewesen, für klare Verhältnisse und eine transparente Kommunikation zu sorgen. » «Akzeptieren die Privatsphäre»

Auch Dominik Süss, neuer Präsident der CVP Einsiedeln, lässt Milde walten. Zwar bemängelt er, dass Christoph Bingisser im Brief lediglich seinen Austritt erkläre und Details oder gar eine Begründung offenlasse. «Wir akzeptieren aber seine Privatsphäre. Aus diesem Grund nehmen wir seinen Rücktritt so zur Kenntnis.» Allenfalls erfahre man in den nächsten Tagen mehr zu den eigentlichen Gründen, die zu dieser Entscheidung geführt haben. «Falls nicht, ist dies das gute Recht von Christoph Bingisser », so Süss. «Ich denke, es wäre angesichts dieses Umstandes falsch, als Partei – oder sogar als Bevölkerung – von ihm eine konkrete, ehrliche Stellungnahme zu verlangen.» Der Bezirksrat räumt rein, dass er «vom Rücktrittsschreiben von Christoph Bingisser überrascht wurde», sagt Landschreiber Patrick Schönbächler vom Bezirk Einsiedeln. «Leider konnte bis dahin kein Gespräch mit ihm stattfinden.» Der Bezirksrat habe die persönlichen Gründe so zur Kenntnis genommen beziehungsweise müsse es so zur Kenntnis nehmen.

«Ohne weitere und nähere Informationen von Christoph Bingisser könne der Bezirksrat seinerseits nicht weiter kommentieren und kommunizieren», so Schönbächler. «Das ist unbefriedigend. » Zum einen als Kollegialbehörde, deren Mitglied Christoph Bingisser war, und dessen Abwesenheit man auch mit Sorge wahrgenommen habe. Zum anderen bestehe ein legitimes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit, das vonseiten Bezirksrat nicht gestillt werden könne. «Der Bezirksrat geht davon aus, dass die persönlichen Gründe von Christoph Bingisser in keinem Zusammenhang mit seinem Amt als Bezirksrat stehen. » Bezirksrat Christoph Bingisser war seit 2016 im Amt.

«Dass es so schnell geht, hätte ich nicht gedacht.»

Johannes Borner SP Einsiedeln

«Der Bezirksrat geht davon aus, dass die persönlichen Gründe von Christoph Bingisser in keinem Zusammenhang mit seinem Amt als Bezirksrat stehen.»

Patrick Schönbächler, Landschreiber Bezirk Einsiedeln

Nach gut fünf Jahren als Bezirksrat ist nun plötzlich Schluss: Christoph Bingisser ist per sofort zurückgetreten. Foto: zvg

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