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Nun herrscht wieder Sommerzeit: Das bereitet allen grosse Freude?

Seit dem Sonntag ticken die Uhren wieder anders – zum Glück: Pünktlich auf die Stunde genau mit der Zeitumstellung hat denn der Sommer Einzug gehalten und macht den letzten Schneeresten im Klosterdorf Beine. Wären wir in der Winterzeit verblieben, wie Ewiggestrige vergebens fordern, würden wir in diesen Tagen vor Kälte schlottern und Schnee vor den Haustüren räumen, dass Gott erbarm. Der Winter war heuer lang, ausgiebig und ausdauernd: Nun aber freuen wir uns über die Sommerzeit, über blühendeWiesen und Bäume, zwitschernde Vögel und auf dass bald schon der Sihlsee zum Bade lädt.

Sogar die Kühe gehen erstaunlich souverän mit der Zeitumstellung um: Sie geben Milch so wunderbar, die schmeckt nicht anders wie in der Winterzeit. Wie gross war doch das Wehklagen der Bauern damals wegen der Einführung der Sommerzeit. Tempi passati – tant pis: Die Kühe gewöhnen sich sehr schnell an die Zeitumstellung. Nach zwei bis drei Tagen haben sie den neuen Rhythmus bereits intus. Dass die Tiere unter der Sommerzeit leiden, ist ein überholtes Vorurteil aus den 80er-Jahren.

Die Kühe bilden sich also nichts ein, was die Sommerzeit betrifft: Sie sind zwar am Morgen noch etwas verschlafen im Stall beim Melken, freuen sich aber des Abends über eine Stunde verlängerten Ausgang auf der Weide. Wir Menschen wollen es gleich halten: Die Zeit ist relativ. Relativ zum Sommergeschehen betrachtet ist die Sommerzeit den Umständen entsprechend eine gute Sache: Morgens schlafen wir besser, weil es noch dunkel ist. Zu später Stund freuen wir uns über das wundersame Abendlicht.

Ich gebe zu: Es war ein romantischer Anblick, gestern Morgen auf dem Weg ins Büro den Vollmond in seiner leuchtenden Rundung über dem Bahnhof schweben zu sehen. Doch beim Anblick des Mondes denke ich eher an berauschende Gefühle der Nacht, an Minnegesang oder an wohliges Einschlummern auf dem kuscheligen Kissen – als an den nüchternen Beginn eines Arbeitstags.

Was ich damit sagen will: Mich stört an der Umstellung der Uhren auf die Sommerzeit, dass man nun nach Monaten des Kampfes gegen die Dunkelheit des Winters wieder quasi mitten in der Nacht aufstehen muss – nur weil der Wecker das jetzt so will.

Sommerzeit ist einfach nur was für Frühaufsteher, denen es nichts ausmacht, wann auch immer sie sich aus den Federn begeben. Der Vorteil, dass es dafür nun länger abends hell ist, rechtfertigt in keiner Weise diesen Stundenraub. Ich muss nicht abends um zehn Uhr noch joggen gehen oder draussen im Garten sitzen. Das kann ich auch vorher machen. Und im Dunkeln am Abend ist gut munkeln.

Der Sommerzeit fehlt die Behaglichkeit der Winterzeit, die Nonchalance des «Chillens », wie meine Kinder heutzutage die Leichtigkeit des Seins zu betiteln pflegen. Sommerzeit heisst meist Action, Bewegung, Umtrieb. Schon allein der unnötige Stress, zig Uhren wegen dieses Helligkeits-Hypes umstellen zu müssen, geht mir auf den Keks. Ich lasse deshalb aus Protest viele Uhren in der Winterzeit einfach weiterdösen. Das einzig Schöne an der Sommerzeit ist eigentlich die Vorfreude auf den Herbst – wenn die geklaute Stunde endlich zurückgegeben wird.

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