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«In Einsiedeln ist Wohnraum erschwinglich und attraktiv»

«In Einsiedeln ist Wohnraum erschwinglich und attraktiv» «In Einsiedeln ist Wohnraum erschwinglich und attraktiv»

Im Rating der 110 Wirtschafsregionen der Schweiz hat es die Region Einsiedeln im letzten Jahr auf Rang 46 geschafft. Fredy Hasenmaile, Leiter Immobilienanalyse bei der Credit Suisse, zeigt auf, wo die Stärken und Schwächen in der Region Einsiedeln liegen.

MAGNUS LEIBUNDGUT

Die Region Einsiedeln ist in Sachen Standortqualität auf Rang 46 gelandet. In den Jahren vorher lag sie noch auf den Rängen 39 und 41: Steigt Einsiedeln ab?

Nein, das kann man so nicht sagen. Rang 46 bedeutet, dass die Region Einsiedeln immer noch im vorderen Mittelfeld, in der besseren Hälfte positioniert ist. Ins Gewicht fällt: In Einsiedeln ist Wohnraum erschwinglich und attraktiv. Dass in Einsiedeln die Steuern im Vergleich zu den umliegenden Regionen eher hoch sind, ist nicht matchentscheidend: Der Steuerfuss ist nicht der wichtigste Indikator bei der Standortqualität. In der Region Einsiedeln sind zwar nicht viele hochqualifizierte Mitarbeiter ansässig, aber doch zahlreiche Fachkräfte aus dem Mittelfeld. In Sachen Erreichbarkeit ist die Region Einsiedeln nicht wirklich spitze: Vom Knonauer Amt zum Beispiel erreicht man in kürzerer Zeit einen Raum mit einer Million Leute. Würden Sie denn die Standortqualität in der Region Einsiedeln als eher hoch einschätzen? Unbedingt: Zeugnis dafür ist nicht zuletzt die rege Bautätigkeit in den vergangenen Jahren. Die Region Einsiedeln hat sich zu einer regelrechten Wohnregion par excellence gemausert. Beweis dafür ist die hohe Zahl an Pendlern: In der Region Einsiedeln leben fast 5000 Wegpendler: Leute, die hier leben, aber andernorts arbeiten. Beweis dafür, dass es in der Region Einsiedeln an Arbeitsplätzen mangelt oder die finanzielle Wohnattraktivität eben sehr hoch ist. Welche Wirtschaftsbereiche sind stark in Einsiedeln, welche eher schwach? Auffällig ist die hohe Zahl an Bauern, die in der Region Einsiedeln vertreten sind. Allerdings gilt nun die Landwirtschaft nicht gerade als starker Wirtschaftsbereich – ökonomisch betrachtet. Viele arbeiten überdies im Sozialbereich und im Gesundheitswesen: Das Spital Einsiedeln, zahlreiche Heime und soziale Institutionen schaffen viele Arbeitsplätze. Das Baugewerbe ist im Raum Einsiedeln ebenfalls stark vertreten. Hingegen haben die Industrie und Dienstleistungsbetriebe einen schweren Stand in der Region. Wieso ist das Bevölkerungswachstum gross in Einsiedeln? Die Boomregion Nummer 1 in der Schweiz ist die Agglomeration Zürich: Von dieser Region aus ergibt sich ein starker Siedlungsdruck in Richtung Einsiedeln, das in einer guten Distanz zu Zürich liegt. Viele Zürcher ziehen naturgemäss nach Einsiedeln, weil hier die Wohnpreise viel tiefer sind als rund um die Limmatstadt. Die damit einhergehende Zunahme der Zahl an Pendlern bringt allerdings die Gefahr mit sich, dass sich Einsiedeln zu einer Schlafgemeinde entwickeln könnte.

Wieso ist das Einkommen der Haushalte in Einsiedeln vergleichsweise tief? Die Bevölkerung in Einsiedeln ist von der Herkunft her betrachtet eher traditionell eingestellt: Das führt dazu, dass noch eine vorwiegend traditionelle Rollenaufteilung in den Familien vorherrscht: Der Mann arbeitet, die Frau ist zu Hause. Hinzu kommt, dass in der Region Einsiedeln Wirtschaftsbranchen stark vertreten sind, in denen die Löhne nicht besonders hoch sind: zum Beispiel die Landwirtschaft. Wieso hat es in Einsiedeln, das bereits im Mittelalter bewohnt war, mehr neue als alte Häuser? Es gab in den 60er- und 70er-Jahren eine Stadtflucht, die einen grossen Bauboom in Einsiedeln auslöste: Vor fünfzig Jahren wurden dementsprechend viele Häuser gebaut. Weil diese in nur mittelmässiger Qualität gebaut wurden, sind sie unterdessen wieder abgerissen worden: Ein Abriss kommt meist günstiger als eine Sanierung. Hinzu kommt, dass auch viele ältere Häuser in Einsiedeln abgerissen worden sind: Zeichen dafür, dass im Kanton Schwyz die Denkmalpflege einen zumeist pragmatischen Weg einschlägt. Wie schätzen Sie den Leerwohnungsbestand in Einsiedeln ein? Weil der Leerbestand wieder am Sinken ist, kommt eine nächste Projektwelle auf die Region Einsiedeln zu: Der Baubranche ist nicht entgangen, dass die Nachfrage nach Wohnraum in Einsiedeln nach wie vor gross ist. Und Institutionen wie etwa Pensionskassen sind laufend auf der Suche nach Objekten, in die Geld investiert werden kann. Bereits ist die Zahl der Baubewilligungen in der Region Einsiedeln wieder im Steigen begriffen. Wie sehen Sie die Perspektiven der Region in der Zukunft? Sehr positiv. Auch wenn Einsiedeln in Sachen Erreichbarkeit und Wirtschaftsentwicklung nicht punkten kann: Die Lage der Region ist sehr attraktiv und zieht die Menschen an. Die Landschaft ist schön, der Sihlsee sehr reizvoll. Das spricht für eine hohe Standortqualität. Nun kommt noch der Klimawandel hinzu: Dieser schlägt positiv zu Buche für den Raum Einsiedeln: In früheren Zeiten war Einsiedeln vielen zu kalt, um dorthin zu ziehen. Jetzt wollen viele nach Einsiedeln zügeln, weil es in Zürich zu heiss ist im Sommer. Ist Wohneigentum in der Region Einsiedeln noch tragbar? Ja, das ist er, obwohl die Preise nun wieder leicht ansteigen. Es gab zwischen 2014 und 2019 eine Welle im Raum Einsiedeln, in der eine hohe Bautätigkeit festgestellt werden konnte. In diesen fünf Jahren haben die Preise stagniert, just gerade wegen dieser Welle von Bauprojekten, die naturgemäss das Angebot erhöht hat: Ein grösseres Angebot lässt die Preise sinken. Einen Bremseffekt stellten auch verschärfte Regulierungen dar: Aufgrund dieser war es nun nicht mehr so einfach, mit nur geringem Eigenkapital Wohneigentum zu erstehen. Die verminderte Nachfrage nach Wohneigentum hat in der Folge die Preisentwicklung gedämpft. Jetzt ist aber zu beobachten, dass die Preise wieder raufgehen. Homeoffice hebt die Nachfrage von Wohneigentum in der Peripherie: Profitiert die Region? Ja, das ist klar festzustellen: Die Corona-Pandemie hat Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt. Wegen Corona wird Homeoffice zum Thema. Viele suchen nun eine grössere und schönere Wohnung, weil sie zu Hause arbeiten und nicht mehr im Büro. Weil aber in Zug, Freienbach und Zürich Wohnraum viel zu teuer ist, weichen sie in die Peripherie aus: Der Raum Einsiedeln hat eine gute Distanz zu den Zentren Zürich und Zug. Und in Einsiedeln ist Wohneigentum noch erschwinglich: Der Raum Einsiedeln ist eine Insel inmitten von Hochpreiszentren.

Ist Einsiedeln gebaut?

Jein. Einerseits ist die grosse Bauwelle der letzten Jahre vorbei, die Bautätigkeit in Einsiedeln hat sich beruhigt. Das hat auch damit zu tun, dass in Einsiedeln nur noch wenig Baulandreserven vorhanden sind. Das neue Raumplanungsgesetz schränkt das Einzonen ein. Weil aber in Einsiedeln die Bevölkerung auch in den kommenden Jahren wachsen wird, sind andererseits Einzonungen künftig wieder möglich. Das Moratorium wurde aufgehoben. Sicherlich wird vermehrt ein verdichtetes Bauen im Zentrum im Vordergrund stehen. Hinzu kommt die Möglichkeit von Aufzonungen: Es wurde ja auch im Raum Einsiedeln Bauland gehortet statt überbaut. Das Jahr 2018 stellt so etwas wie eine Zäsur dar. In Einsiedeln haben damals die Mietzinspreise ein tiefes Niveau erreicht, die Leerbestände waren hoch. Seither steigen die Mietpreise wieder, und die Leerwohnungsbestände sinken. Dominiert nun der Bestand das Angebot wegen knapper Neubauaktivität?

Es gibt hierzu aus demografischer Sicht eine interessante Entwicklung: Ältere Leute ziehen vermehrt aus ihren grossen Wohnungen und Häusern aus. Damit erhöht sich das Angebot – Wohnraum wird frei. Nichtsdestotrotz ist anzunehmen, dass die Preise für Wohneigentum auch in der Region Einsiedeln weiter steigen werden. Auch in Einsiedeln bleibt Eigentum eine Mangelware. Zu bemerken ist, dass auch in der Region Einsiedeln wie schweizweit grosse Wohnungen seit Covid-19 stärker nachgefragt werden.

Ist auch im Raum Einsiedeln die Mietwohnungsnachfrage stabil geblieben? Die Mietwohnungsnachfrage ist in der Region Einsiedeln erstaunlich hoch geblieben. Das ist nicht zuletzt einem positiven Wanderungssaldo zu verdanken. Jedes Jahr ziehen netto zirka 250 Personen in den Raum Einsiedeln. Darunter finden sich auch internationale Zuzüger. Aber auch die Binnennachfrage ist hoch. Viele Leute aus dem Raum Zürich zieht es vermehrt nach Einsiedeln: Der Druck nimmt zu, denn die Mietpreise sind in Einsiedeln im Vergleich etwa zu Zürich immer noch tief. Aus diesem Grund müssen auch jedes Jahr 100 bis 150 neue Wohnungen gebaut werden, um die grosse Nachfrage befriedigen zu können. Steht in der Region Einsiedeln viel Büroraum leer? In der Peripherie hat ein Vermieter von Büroraum generell mehr Mühe, einen Mieter zu finden. Steht ein Bürogebäude irgendwo in einem Wohnquartier, wo nichts los ist und wo es keine Einkaufsmöglichkeiten gibt, finden sich nur wenige Interessenten: Weil dann der Büroangestellte das Homeoffice bevorzugt. Insofern verschärft die Corona- Pandemie die Problematik, Büroraum vermieten zu können, weil viele im Homeoffice arbeiten. Während die Leerbestände bei den Wohnungen sinken, steigen diejenigen der Bürofläche. Wieso steht in der Region Einsiedeln so viel Ladenfläche leer? Das Gewerbe kämpft gegen widrige Umstände an. Auch im Raum Einsiedeln schliessen Post- und Bankfilialen. Das Lädelisterben geht munter weiter. Viele kaufen vermehrt in einem grossen Einkaufszentrum ein, an dem sie etwa auf der Fahrt zum Arbeitsort vorbeikommen. Die Vermieter von Ladenflächen haben Mühe, einen vergleichbaren Ersatz und Nachfolger zu finden, wenn ein Laden, ein Geschäft da einmal ausgezogen ist. Und die Läden haben es in diesen Zeiten schwer genug: Weil immer mehr Waren und Produkte von den Konsumenten online bestellt werden, verlieren Läden und Geschäfte Kundschaft, die bei ihnen vor Ort einkauft.

In Einsiedeln wurde in den vergangenen Jahren rege gebaut: Das Klosterdorf hat sein Antlitz sichtbar verändert. Foto: Lukas Schumacher

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