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Laute Singvögel

Laute Singvögel Laute Singvögel

ZWISCHENLUEGETEN 3

FANNY REUTIMANN

Man kann als Paar nicht immer einer Meinung sein. Die Differenzen zwischen meinem Dani und mir sind selten unüberbrückbarer Natur. So auch beim jüngsten «Zwischenfall» nicht, als Dani sich über meine Hausschuhe beschwerte. In der Schweiz sagt man zu solchem Schuhwerk landläufig «Finken», was unsere Nachbarn aus dem Grossen Kanton verständlicherweise des Öfteren fehlinterpretieren.

Meinen Liebsten störten aber weder Hausschuhe noch Singvögel, sondern in erster Linie mein Getrampel. Zugegeben, ich habe einen tendenziell etwas militärischen Schritt. Gekoppelt mit einer offenkundig unpassenden Schuhsohle tut dieser Danis empfindlichen Öhrchen weh. «Wieso kaufst du dir nicht ein Paar Ändigünsche? », fragte der Geschundene beinahe flehend und setzte mir damit ein Fragezeichen auf die Stirn. Mir fehlte jeglicher Zusammenhang. Aller modernen Errungenschaften zum Trotz– wie sollte mir ein Handy-Irgendwas helfen, auf leiseren Sohlen durch die Wohnung zu huschen?

Des Rätsels Lösung las Dani mir aus dem Einsiedler Wörterbuch vor: «Ändigünsch: Endenfink, aus Tuch- oder Filzresten geflochtener Hausschuh mit Filzsohle. » Schallendes Gelächter, das Danis Ohren deutlich weniger malträtiert als mein Schritt. Sofort hatte ich das Bild der Schlurfen meiner Grossmutter vor Augen. Das besagte Einsiedler Wörterbuch, das meiner sprachlichen Integration dienen soll, ist nur eine Leihgabe. Und leider vergriffen. Sollte irgendwo eines dieser unterhaltsamen, lehrreichen Werke unnütz herumstehen, ich wäre dankbare Abnehmerin. Mich kennt man im Dorf zwar kaum. Meine Adresse sehr wohl.

* Fanny Reutimann (56) ist aus dem Züribiet zugezogen und gibt sich alle Mühe, die Einsiedler zu verstehen. Was ihr zumindest sprachlich gesehen meistens gelingt.

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